Vergewaltigungsdroge im "Tatort" So gefährlich sind K.-o.-Tropfen
05.11.2023, 21:44 Uhr Artikel anhören
Kann sich an nichts mehr erinnern: Vergewaltigungsopfer Sarah (Deniz Orta).
(Foto: MDR / MadeFor / Marcus Glahn)
Leicht zu beschaffen, hart zu verfolgen, verheerend in der Wirkung: K-.o.-Tropfen sind ein wachsendes Problem, auch außerhalb der Partyszene. Der Dresdner "Tatort" greift das Thema auf.
Im Bierzelt, nach Rammstein-Konzerten, auf einer Abifeier, bei der Polizei und sogar beim BND: K.-o.-Tropfen sind in der Berichterstattung so präsent wie selten zuvor, kaum eine Woche vergeht ohne Schlagzeilen, die fassungslos machen.
Obwohl bereits 2021 abgedreht, kommt der neue Dresdner "Tatort" thematisch also genau zur richtigen Zeit: In "Was ihr nicht seht" dringt ein Serien-Täter in die Wohnungen seiner Opfer ein, versetzt dort Getränke der ahnungslosen Frauen mit K.-o.-Tropfen, um sie später zu vergewaltigen. Weil die Betäubungsmittel in hoher Dosierung zu Gedächtnisverlust führen, können sich die Frauen im Anschluss an kaum etwas erinnern. Erst nach mehreren Todesfällen kommt die Polizei dem Täter auf die Spur und deckt dabei die unvorstellbaren Dimensionen der Vergewaltigungen auf.
"Frauen, die Opfer von Übergriffen unter K.-o.-Tropfen werden, haben kaum eine Chance auf Strafverfolgung", sagt Regisseurin Lena Stahl. "Die Beweislage ist oft dünn und das Gerichtsverfahren schwierig. Erst 2019 hat der Bundestag das Strafprozessrecht reformiert. Dadurch sollen die Aussage von Opfern und die Beweisaufnahme erleichtert werden, zumindest ein erster Schritt." Trotzdem wurden im kompletten vergangenen Jahr in Berlin gerade mal 21 Fälle verfolgt.
Maximal zwölf Stunden nachweisbar
Das hat unter anderem mit der kurzen Nachweisbarkeit der Stoffe zu tun: "Im Blut sind es etwa sechs Stunden, im Urin zwölf Stunden", sagt Céline Sturm von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Weil Taten meist zeitverzögert angezeigt werden - wenn überhaupt - ist eine Untersuchung dann nur noch extrem schwer möglich. Dazu kommt die Vielzahl an möglichen Betäubungsmitteln, denn K.-o.-Tropfen sind nicht gleich K.-o.-Tropfen: "Darunter verstehen wir ganz viele verschiedene Substanzen, teilweise bis zu 200", sagt Sturm. Dazu gehören etwa Ketamin, ein Narkosemittel aus der Tiermedizin, und GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure), umgangssprachlich als Liquid Ecstasy bezeichnet. In geringer Dosis kommen sie auch freiwillig als Partydroge in Clubs zum Einsatz.
Viele dieser Substanzen sind in Deutschland faktisch frei erhältlich. Andere sind verschreibungspflichtige Arzneimittel, teilweise fallen sie unter das Betäubungsmittelrecht. Aber eben nicht alle. Etwa GHB, das aus Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol (BDO) entsteht, Industriechemikalien, die in großen Mengen hergestellt, gehandelt und industriell verarbeitet werden. Beide fallen nicht unter das Gesetz zum Umgang mit Betäubungsmitteln.
Leicht zu beschaffen, hart zu verfolgen, verheerend in der Wirkung: K.-o.-Tropfen sind ein ernsthaftes und gesamtgesellschaftliches Problem. "Wir haben als Filmemacherinnen und Filmemacher auch in der Filmakademie aktuell oft darüber gesprochen, wie wichtig unsere Stimme als Spiegel der Wirklichkeit ist", sagt Regisseurin Stahl über die Motivation, einen Film zum Thema zu drehen. "Wir können und dürfen in einer Gesellschaft nicht die Augen vor harten Themen verschließen. Insofern hoffe ich, dass unser Film einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, die Opfer nicht zu ignorieren."
Quelle: ntv.de