Die spinnen, die Schweizer? Zürcher Gemetzeltes im "Tatort"
14.04.2024, 22:00 Uhr Artikel anhören
Völlig durch den Wind: Anna Pieri Zuercher als Kommissarin Isabelle Grandjean.
(Foto: SRF / Sava Hlavacek)
Ein toter Schimpanse, ein schwimmender Elefant, ein Zwilling mit Einzelkind-Ambitionen und ein Loser, der am Ende gewinnt - in "Von Affen und Menschen" ging es hoch her. Mit seinem verflixten siebten "Tatort"-Fall dürfte sich das Duo Ott und Grandjean endgültig etabliert haben - so fulminant darf es weitergehen.
Zugegeben, es braucht einen Augenblick, bis man am Haken hängt. Einsatz im Zoo, es gilt, den Tod eines Schimpansen aufzuklären? Die spinnen, die Schweizer. Doch genau das entpuppt sich als ausgesprochene Qualität dieses "Tatorts", bei dem sich wohl so einige Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer im falschen Film wähnten. Die Schweizer mit ordentlich Tempo unterwegs, mit schrägen Typen und Toten im Minutentakt - das hatte man so in der Vergangenheit nicht allzu oft erlebt. Wenn den wackeren Reto Flückiger eines auszeichnete, dann war das, bei aller Dienstbeflissenheit, immer eine etwas gemächlichere Gangart.
Nun könnte man sagen, dass auch Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) etwas schluffig daherkamen, vom vollmondigen Schlafdefizit ganz zerzaust und müde. Das aber verbauten die beiden Ermittlerinnen - beziehungsweise Stefan Brunner und Lorenz Langenegger, ihre Autoren - zu einem nervösen Grundton, bei dem auch das Publikum bald nicht mehr wusste, ob es wacht oder träumt, ob es sich zwischen Münster und Murot befindet oder eben doch im kriminalistisch sonst immer etwas zahmen Zürich.
Wie dieses kleine Kunststück gelingen konnte? Da ist zum einer der überzeugende Stamm-Cast. Zuercher und Schuler haben sich nach einem halben Dutzend Fälle mittlerweile bestens aufeinander eingespielt, treffen den richtigen Ton zwischen ironischem Necken und freundschaftlicher Verbundenheit. Rachel Braunschweig als Staatsanwältin Anita Wegenast hat das richtige Maß an Divenhaftigkeit verinnerlicht, außerdem kommt Aaron Arens als angemessen charmanter Assistent Noah Löwenherz endlich mal auf seine Kosten.
Bitte weiter so
Und dazu die groß aufspielende Truppe der Episodengäste: Sarah Viktoria Frick verfügt über so viel Feuer unterm Allerwertesten, dass man sie am besten grundsätzlich doppelt besetzen sollte. Dass Michael von Burg in der Rolle des vermeintlichen Lo(o)sers nun ausgerechnet Loosli heißt, ist wahrscheinlich ein wenig untergegangen. Unübersehbar jedoch sein Spaß am Part des schratigen Geprellten, der am Ende des Films mit blutverschmiertem Gesicht doch noch einer sorglosen Zukunft entgegenjubeln darf.
Da fühlte man sich fast an Oliver Stones "U-Turn" erinnert, in dem Sean Penn am Schluss ähnlich lädiert in seiner Karre sitzt, sich im Rückspiegel betrachtet und mit schwerer Zunge selbst gratuliert: "Du hast es einfach immer noch drauf!" Nicht die einzige cineastische Assoziation in diesem "Tatort", es war vor allem die eigenwillige Chuzpe der Coen-Brüder, die sich hier wiederfand, oder auch die eines Sam Raimi, frei nach der Devise: Wo "Ein einfacher Plan" draufsteht, muss nicht immer einer drin sein.
Wohltuend auch, dass der potenziell riesige Themenkomplex Blutdiamanten nicht noch didaktisch zerlegt und pädagogisch aufgedröselt wurde. Umso schicker Otts Schautafel, mit der sie den nicht ganz unkomplizierten Ablauf der diversen Verbrechen sehr überzeugend veranschaulichte - ein Stilmittel, das man sich bei so manchem, etwas verhedderten Krimi wünschte. Fazit: Bitte weiter so, Züri, das war bäumig!
Quelle: ntv.de