Zwei Wochen nach dem letzten "Ping" Die Suche nach Spuren von MH370 dauert an
22.03.2014, 14:14 Uhr
Der chinesische Sender CCTV zeigt das Satellitenbild, auf dem ein Wrackteil der vermissten Boeing zu sehen sein könnte.
(Foto: Reuters)
Am Morgen des 8. März registriert ein britischer Satellit über dem Indischen Ozean zum letzten Mal ein Signal von Flug MH370. Seither fehlt von der Maschine jede Spur. Chinesische Behörden entdecken nun ein Objekt im Indischen Ozean, das ein Wrackteil sein könnte.
Seit vierzehn Tagen ist die malaysische Boeing 777-200 nun bereits verschwunden, an diesem Samstag geht die Suche nach dem vermissten Flugzeug und seinen 239 Menschen an Bord in die dritte Woche. Und während viele Angehörige noch immer auf ein Wunder hoffen und zugleich eine emotionale Tragödie durchleben, gibt es bei der Suche nach Spuren immer neue Hinweise - aber keinen Durchbruch.
An diesem Samstag teilte der Verkehrsminister Hischammuddin Hussein mit, der chinesischen Regierung lägen neue Satellitenbilder vor, auf denen ein relativ großes Objekt zu erkennen sei. "Das mögliche Wrackteil ist 22 Meter lang und 30 Meter breit", sagte Hussein. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete, das "verdächtige Objekt" befinde sich 120 Kilometer von jenen mutmaßlichen Trümmerteilen entfernt, die zwei Tage zuvor bereits von australischen Behörden entdeckt worden waren.
Am 20. März hatte die australische Regierung mitgeteilt, auf Satellitenbildern des südlichen Indischen Ozeans seien möglicherweise Wrackteile des Flugzeugs entdeckt worden. Auf dieses Gebiet konzentriert sich die Suche seitdem. Mehrere australische und japanische Flugzeuge sowie fünf Schiffe der chinesischen Marine suchen derzeit in der Region. Zwei Maschinen der chinesischen Luftwaffe sollen am Sonntag mit Erkundungsflügen beginnen. Insgesamt sind mittlerweile 26 Staaten an der Suche beteiligt.
Vier Wörter zum Abschied
Das rätselhafte Drama um Flug MH370 beginnt in der Nacht vom 7. auf den 8. März, als die Maschine der Fluggesellschaft Malaysia Airlines um 00.41 Uhr auf dem Flughafen von Kuala Lumpur startet. Das Ziel ist Peking, sechs Stunden später soll die "Triple Seven" dort landen.
Die Boeing fliegt zunächst planmäßig Richtung Nordwesten, Richtung Vietnam. 26 Minuten nach dem Start, um 01.07 Uhr, funkt das digitale Datenfunksystem ACARS des Flugzeugs ein automatisches Signal an den Tower in Kuala Lumpur. Alle dreißig Minuten wird dieses Signal normalerweise abgesetzt.
Mittlerweile hat die Maschine ihre Flughöhe von etwa 10.000 Metern erreicht, der vietnamesische Luftraum ist nicht mehr weit. Um 01.19 Uhr verabschieden sich die malaysischen Fluglotsen von den Piloten mit dem Hinweis, sie mögen jetzt bitte Kontakt mit dem Tower in Ho-Chi-Minh-Stadt aufnehmen. Die Antwort aus dem Flugzeug kommt fünf Sekunden später. "In Ordnung, gute Nacht." Wahrscheinlich ist es Fariq Abdul Hamid, der 27 Jahre alte Copilot, der diese vier Wörter sagt. Zwei Minuten später wird der Transponder der Maschine abgeschaltet. Was auch immer in diesen Minuten an Bord von Flug MH370 passiert, "in Ordnung" ist die Situation sicher nicht. Bei den vietnamesischen Fluglotsen, die nun eigentlich übernehmen müssten, melden sich weder Hamid noch der 52-jährige Chefpilot Zaharie Ahmad Schah.
Ein letztes "Ping" um 08.11 Uhr
Das nächste automatische Signal des digitalen Datenfunksystems um 01.37 Uhr fällt aus, jemand muss das System abgeschaltet haben. Später rekonstruieren die Ermittler, dass das Flugzeug über dem Golf von Thailand Richtung Südwesten abgebogen ist. Auf dem Radar der malaysischen Armee taucht das Flugzeug um 02.15 Uhr gut 300 Kilometer nordwestlich der Insel Penang auf - es hat also mittlerweile die malaiische Halbinsel überflogen und befindet sich über der Andamanensee, am Rande des Indischen Ozeans.
Welchen Kurs die Maschine jetzt nimmt, ist eine der vielen Fragen, die bis heute ungeklärt sind. Noch mehr als zwei Stunden nach der geplanten Landung in Peking befindet sich die Boeing offenbar in der Luft. Nach 02.11 Uhr malaysischer Zeit registriert der Satellit 3 F1 der britischen Mobilfunkfirma Inmarsat das Flugzeug insgesamt sieben Mal, zuletzt um 08.11 Uhr. Der Kontakt zwischen Flugzeug und dem Satelliten basiert auf dem System "Classic Aero", das die digitale Funkübertragung ACARS unterstützt. Anders als letztere kann der Kontakt zu den Inmarsat-Satelliten nicht vom Cockpit aus abgeschaltet werden. Allerdings übermittelt "Classic Aere" auch nicht viel mehr als ein "Ping".
Wie erst in der vergangenen Woche bekannt wurde, hat Inmarsat aus den "Pings" ermittelt, dass das Flugzeug weiter in Bewegung war. Aus den Daten der Firma wurden die beiden möglichen Flugrouten ermittelt, auf deren Grundlage nun nach dem Flugzeug gesucht wird: eine Richtung Nordwesten, Richtung Kasachstan, die andere Richtung Südwesten, Richtung offenes Meer.
Wie konnte das geschehen?
Nicht nur die Angehörigen der vermissten Menschen an Bord des Fluges MH370 fragen sich, wie es sein kann, dass die Kontrollsignale von Flugzeugen einfach aus dem Cockpit heraus abgeschaltet werden können. Das Schicksal der malaysischen Boeing macht deutlich, dass das Betätigen eines kleinen Schalters ausreicht, um ein komplettes Flugzeug spurlos verschwinden zu lassen. Experten fordern nun, dass Systeme wie ACARS so installiert werden müssen, dass diese nicht einfach abschaltet werden können.
Neben einigen Verschwörungstheorien werden derzeit drei mögliche Szenarien diskutiert, wie die "Triple Seven" verschwunden sein könnte: Sie könnte entführt worden sein, es könnte ein zum Massenmord "erweiterter Suizid" durch einen oder beide Piloten vorliegen oder ein Brand könnte Crew und Passagiere ausgeschaltet haben. Die Maschine wäre dann noch stundenlang auf Autopilot weitergeflogen. Dieses Szenario erklärt allerdings nicht, warum das Datenfunksystem ausgeschaltet wurde.
Wut und Verzweiflung im "Lido"
Noch schärfere Kritik gibt es an den malaysischen Behörden sowie an Malaysia Airlines. Zunächst konzentrieren sich die Ermittlungen auf zwei Iraner, die mit gestohlenen Pässen an Bord gegangen waren. Doch bald stellt sich heraus, dass die beiden wohl auf einem verschlungenen Weg nach Europa waren, um dort Asyl zu beantragen. Erstaunlich spät fragen die Behörden nach den Piloten. Zaharie Ahmad Schah hat einen Flugsimulator zuhause. Das wirft neue Fragen auf, kann jedoch einen völlig harmlosen Hintergrund haben.
Viel zu spät teilt auch die malaysische Armee mit, wo ihr Radar das Flugzeug registriert hat. Erst vier Tage nach dem Verschwinden des Flugzeugs wird in der Andamanensee nach Wrackteilen gesucht - bis dahin hatten Schiffe und Flugzeuge aus China, Vietnam, Malaysia, Singapur und den Philippinen vor allem im Golf von Thailand gesucht, in einem Gebiet also, in dem die Maschine wohl kaum abgestürzt sein dürfte.
Im Hotel "Lido" in Peking, wo Angehörige der 153 chinesischen Passagiere seit zwei Wochen auf Neuigkeiten warten, liegen die Nerven unterdessen blank. Am Samstag mussten Sprecher der malaysischen Behörden von Polizisten geschützt werden, die von den Wartenden bedrängt wurden. "Sagt uns die Wahrheit, gebt uns unsere Angehörigen zurück", riefen sie. Viele hoffen, dass das Flugzeug nicht abgestürzt, sondern irgendwo gelandet sein könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die 227 Passagiere, die zehn Stewardessen und zwei Piloten noch leben, ist jedoch äußerst gering.
Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa/rts