Panorama

Spaniens Königshaus in Turbulenzen Ein moralischer Totalausfall

In die Königsfamilie eingeheiratet und nun das schwarze Schaf: Iñaki Urdangarin.

In die Königsfamilie eingeheiratet und nun das schwarze Schaf: Iñaki Urdangarin.

(Foto: dpa)

Spaniens Royals kommen nicht aus den Negativschlagzeilen: Immobilien des Schwiegersohns von König Juan Carlos, Iñaki Urdangarin, werden beschlagnahmt. Der Rey, der an den Nachwirkungen des Elefantenjagd-Skandals laboriert, muss erneut unter das Messer. Spanien schlägt sich mit der Krise herum. Aber seine Bourbonen haben mit sich selbst zu tun.

Ist ein Land jahrelang mit schlechten Nachrichten konfrontiert, wird, um dem gebeutelten Volk eine Wende zum Besseren zu suggerieren, jede noch so halbwegs positive Nachricht regelrecht ausgeschlachtet. So geschehen vor wenigen Tagen in Spanien. Das dortige Statistik-Institut INE feiert die Überwindung der langen Rezession, die immerhin mehr als zwei Jahre gedauert hat. Um 0,1 (!!!) Prozentpunkte wächst das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal. In Zeiten mit dicken Minuszeichen vor der ersten Ziffer ist das zwar ein Erfolg. Die Reaktion der Spanier ist dennoch verhalten, denn dieses mickrige Wachstum ist mitnichten ein Zeichen dafür, dass die schwere Krise in ihrem Land ausgestanden ist. Skepsis ist auch angebracht, denn im Vergleich zum dritten Quartal 2012 ist die Wirtschaftsleistung des Königreichs um 1,2 Prozent gesunken: Dem klitzekleinen Plus im Vergleich zum Vorquartal steht ein dickes Minus im Vorjahresvergleich gegenüber. Es kriselt also immer noch zwischen den Pyrenäen und Andalusien.

2011 durfte Urdangarin noch mit auf das Familienfoto. Die Distanz zu seinem Schwiegervater ist bereits groß.

2011 durfte Urdangarin noch mit auf das Familienfoto. Die Distanz zu seinem Schwiegervater ist bereits groß.

(Foto: picture alliance / dpa)

Spaniens Wirtschaft liegt nach wie vor am Boden, die Bank enrettung lässt das Staatsdefizit weiter anwachsen. Auch die Tatsache, dass die Ratingagentur Fitch eine Senkung der spanischen Bonität nicht mehr vorsieht, nutzt den Menschen in Madrid, Barcelona oder Sevilla nur sehr wenig. "BBB" ist ohnehin nur zwei Stufen über Ramschniveau und ordentliche Jobs gibt es kaum. Die Chancen für die Jungen, in ihrer Heimat Arbeit zu finden, sind sehr gering. Die Generation, die eigentlich Hoffnungsträger des Landes sein sollte, büffelt fleißig Deutsch. Ihre Zukunft liegt hunderte Kilometer entfernt im Nordosten.

Um den aus dem Ruder gelaufenen Haushalt in den Griff zu bekommen, kürzt die Regierung des Konservativen Mariano Rajoy an allen Ecken und Enden. An den Folgen der geplatzten Immobilienblase, an der die derzeit regierende Volkspartei eine große Aktie hat, werden die Spanier noch lange zu leiden haben. Die Ärmsten der Armen, die Menschen, die ihr Haus verloren haben oder aus ihrer Wohnung geflogen sind, benötigen Hilfe, eine Perspektive oder zumindest eine bloße Aufmunterung. Die Regierung muss die Krise managen, von ihr sind keine Wohltaten zu erwarten. Bliebe zumindest die moralische Unterstützung, die eigentlich die Aufgabe des Könighauses ist.

Der König reagiert spät

Aber auch die Bourbonen sind derzeit nichts weiter als ein Totalausfall. Der Fall des Schwiegersohns von König Juan Carlos, Iñaki Urdangarin, verdeutlicht, dass das Geldgier- und Größenwahn-Virus nicht nur Regionalpolitiker und Geschäftsleute, sondern auch Teile der royalen Familie angesteckt hat. Der Ehemann von Juan Carlos‘ jüngerer Tochter Cristina steht im Verdacht, als Präsident der gemeinnützigen "Stiftung Nóos" mit seinem Geschäftspartner Diego Torres im Umfang von vier Millionen Euro Geld der Regionalregierungen auf den Balearen und in Valencia veruntreut zu haben. Die Stiftung soll für die Organisation von Kongressen über Sport und Tourismus fiktive Rechnungen für erfundene Dienstleistungen ausgestellt haben. Ein Teil der Einnahmen soll über ein Firmengeflecht auf Privatkonten von Urdangarin und Torres gelandet sein. Fazit: Das Mitglied der Königsfamilie ist wohl ein ganz normaler Gauner.

Das ist ein Fall für die Justiz, und es wird gegen Urdangarin intensiv ermittelt. Was die Sache noch pikanter macht: Infantin Cristina soll von der Sache zumindest gewusst haben und - schenkt man spanischen Medien Glauben - bei einer der Firmen ihres Mannes Teilhaberin sein. Besonders peinlich ist, dass Urdangarin der juristischen Aufforderung, eine Sechs-Millionen-Euro-Kaution zu hinterlegen, noch nicht nachgekommen ist. Dabei sollte diese ursprünglich sogar mehr als acht Millionen Euro betragen. So schlägt die Justiz nun zu und beschlagnahmt Immobilien, darunter die Hälfte der Luxusvilla in Barcelona. Cristinas Teil am "Palacete" (Palästchen) bleibt erst einmal unangetastet. Aber auch die Königstochter muss Ermittlungen wegen möglicher Steuervergehen über sich ergehen lassen. Eine Trennung des Paares, das im schweizerischen Genf eine neue Heimat gefunden hat, steht nicht an. Im Gegenteil: Erst kürzlich sind Cristina und Iñaki Händchen haltend fotografiert worden - bei der Hochzeit eines Freundes in Barcelona.

Juan Carlos reagiert sehr spät auf den Skandal, zumal er schon länger über die Machenschaften seines Schwiegersohnes im Bilde ist. Erst Ende 2011 werden der aus dem Baskenland stammende ehemalige Handball-Nationalspieler und seine blaublütige Gattin von offiziellen Terminen der Bourbonen "beurlaubt". Gut ein Jahr später folgt die Streichung Urdangarins von der königlichen Webseite.

Mit Krücken bei einem Empfang: König Juan Carlos.

Mit Krücken bei einem Empfang: König Juan Carlos.

(Foto: dpa)

Der Finanzskandal ist schlimm und beschädigt das Ansehen des Königshauses sehr stark. Aber auch Juan Carlos hat daran seinen Anteil. Während in Spanien die Krise grassiert, macht er 2011 im fernen Botsuana Jagd auf Elefanten. Die zum größten Teil darbenden Spanier sind erbost, denn diese Safari kostet viel Geld. Doch damit nicht genug: Juan Carlos ballert als Ehrenpräsident der spanischen Sektion des Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) auf die Dickhäuter und lässt sich auch noch vor einem erlegten Tier ablichten. Pech nur, dass der Rey sich im afrikanischen Land auch noch die Hüfte bricht und damit seine Teilnahme an der Jagdsafari bekannt wird. Dazu kommen noch Meldungen über seine Geliebte, die die Zustimmungswerte des streng katholischen Königshauses in den Keller rauschen lassen. Die Autorität, die Juan Carlos nach seinem Eintreten für Demokratie während des Putschversuchs von Militärs im Jahr 1981 genoss, ist zu großen Teilen dahin.

Das Wort Abdankung fällt immer häufiger, zumal der 75-jährige König gesundheitlich stark angeschlagen ist. Juan Carlos wird in Kürze erneut an der Hüfte operiert. Eine dauerhafte künstliche Hüfte soll seine Leiden lindern. Ende September musste beim Monarchen auf der linken Seite eine Prothese entfernen werden, nachdem dort eine Infektion aufgetreten war. Der neue Eingriff ist die 14. Operation, der sich Juan Carlos unterziehen muss. Allein in den letzten dreieinhalb Jahren wurde der an Arthrose leidende König sieben Mal operiert.

Königin Sofia hält den royalen Laden zusammen

So avancieren Königin Sofia sowie Kronprinz Felipe und seine Frau Letizia zur Stütze der angeschlagenen spanischen Monarchie. Der 45-jährige Felipe springt bereits bei wichtigen Anlässen für seinen Vater ein. So nimmt er jüngst die Militärparade aus Anlass des spanischen Nationalfeiertags ab. Es ist ein Spar-Defilee, das nicht einmal eine Million Euro kostet. Auch sonst ist der Thronfolger ständig im Land unterwegs. Viele Spanier fremdeln noch mit Felipe, gilt er doch im Gegensatz zu seinem Vater als distanziert. Eine ständige Präsenz in den Medien soll das Image des künftigen Königs aufbessern.

Kronprinz Felipe mit seiner Frau Letizia und den Töchtern Leonor und Sofia.

Kronprinz Felipe mit seiner Frau Letizia und den Töchtern Leonor und Sofia.

(Foto: imago stock&people)

Auch seine Mutter Sofia, sie ist Urenkelin des letzten deutsc hen Kaisers Wilhelm II., erkennt die Zeichen der Zeit. Sie feiert ihren 75. Geburtstag in aller Stille - kein Pomp, keine Kameras. Bei wichtigen offiziellen Anlässen befindet sie sich an der Seite ihres Mannes. Sie hält den royalen Laden zusammen und kümmert sich hingebungsvoll um ihre acht Enkelkinder. Die Familie sei das Erfreulichste in ihrem Leben, verrät die ehemalige griechische Prinzessin. Ob darin auch ihr Mann eingeschlossen ist, ist nicht bekannt. Zu ihrer Schwiegertochter Letizia, deren Selbstbewusstsein vor der Hochzeit mit Felipe im Zarzuela-Palast nicht so gut ankam, hat Sofia ein immer besseres Verhältnis.

Der Weg vom Totalausfall hin zu neuem Ansehen ist steinig: Soll die konstitutionelle Monarchie eine Zukunft haben, muss ihn das spanische Könighaus aber gehen. Die Finanzaffäre um Urdangarin kann nicht so schnell aus der Welt geschafft werden, die juristische Aufarbeitung wird dauern. König Juan Carlos hat immerhin Besserung gelobt und sich für die Elefantenjagd bei seinen Spaniern entschuldigt.

Unklar ist, ob Juan Carlos der Belastung, die das Königseins mit sich bringt, noch gewachsen ist. Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und separatistische Bestrebungen in Katalonien: Spanien benötigt eine Institution, die das Land eint. Derzeit ist das Königshaus dazu nicht in der Lage.

Quelle: ntv.de

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