Essen und Trinken

Oetker geht essen In Berlin gibt es deftige Oma-Küche für kalte Tage

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Warme Knacker mit Senf und Brot, auch dit is Berlin.

Warme Knacker mit Senf und Brot, auch dit is Berlin.

(Foto: Clärchens Ballhaus)

Berlin im Winter - das ist ein lebensunfreundlicher Ort. Schafft man den Sommer hier mit Quinoa-Bowl und Aperol Spritz, so braucht es im grauen Januar echtes Seelenessen aus Großmutters Zeiten. Doch wie schmecken Klopse, Schnitzel und Co. in den traditionellen Hauptstadtkneipen oder bei spannenden Newcomern?

Letztes Jahr bin ich Mitte Februar aus meiner Berliner Heimat auf Lesereise gefahren und in Thun in der Schweiz aus dem Zug gestiegen, ein herrliches Städtchen an einem wunderschönen Bergsee. Als ich mich auf einen Spaziergang um ebendiesen See aufmachte, musste ich in einem Augenblick plötzlich die Hände vor die Augen halten, weil ich zuerst nicht wusste, was mich so sehr blendete - dabei war es nur die Sonne. Allerdings war es meine erste ganze Sonnenstunde in diesem Jahr gewesen und mein Körper hatte sich von diesem strahlenden Himmelskörper längst entwöhnt - die aufkommenden Glücksgefühle kamen gänzlich unerwartet. So ist das, wenn in Berlin in Zeiten des Klimawandels Winter herrscht, es ist ein wenig zu warm, um Schnee und Sonne zu geben, dafür legt sich dieses fade und bleischwere Grau über die Stadt, bis im März der Frühling einschießt.

Deshalb gibt es zwischen November und Februar neben Kuscheln und Glühwein nur noch eine andere Herzensangelegenheit fürs eigene Wohlbefinden: Seelenessen. Zu kochen wie zu Omas Zeiten, mit schweren Saucen und kräftigen Gemüsen, mit Kartoffelklößen und jeder Menge Speck. Doch wo isst man das in der Hauptstadt beispielhaft, ohne den vielen Touristenfallen auf den Leim zu gehen? Hier kommen die spannendsten Adressen für echte, deftige Wohlfühlküche.

Luna d'Oro

Clärchen's Ballhaus in der Auguststraße ist den Berlinern eine zeitlose Legende. Seit 1913 wird in dem herrschaftlichen Altbau im Scheunenviertel geschwoft und getrunken, in den goldenen Zwanzigern und in den Nachwendejahren war der patinabehaftete Bau mit seinem Spiegelsaal Treffpunkt für ausschweifende Feten genau wie für Tanzveranstaltungen der älteren Semester.

In den letzten 20 Jahren gab es viele Betreiberwechsel, im lauschigen Innenhof aß man Steinofenpizza und anspruchslose Wohlfühlküche. Mit dem Investor Yoram Roth soll Clärchens Ballhaus wieder eine erinnerungswürdige gastronomische Adresse werden, allerdings nicht für Fine Dining, sondern für Berliner Traditionsküche. Kürzlich eröffnete im Erdgeschoss das Luna d'Oro, benannt nach dem Künstlernamen der Tänzerin Lisbeth Dorowski, die im Ballhaus vor hundert Jahren für Furore sorgte.

Diese Räume atmen Geschichte.

Diese Räume atmen Geschichte.

(Foto: Herz und Blut)

Innen sieht es aus wie damals: Holzmöbel, wildverputzte Wände, Schränke und Kommoden vom Speicher, über allem strahlt die Diskokugel. Das sieht ungeplant aus, ist es aber ganz und gar nicht. Ausgerechnet Uli Hanisch verantwortete die Innenausstattung, der berühmte Szenenbildner, der auch die Fernsehserie "Babylon Berlin" ausstattete, einer der besten Requisiteure der Welt.

Tobias Beck hingegen steht mit seinem Team am Herd, ein weitgereister Koch, der zuvor mit dem Holzkohle-PopUp Ember in Berlin von sich reden machte. Nun aber geht er auf eine Reise in die Vergangenheit und hat eine Speisekarte erschaffen, die traditionell ist und sehr viel Augenzwinkern bereithält - das beginnt gleich bei den Vorspeisen: Da stehen Debrecziner Würstchen auf dem Menü, mit Senf und frisch geriebenem Meerrettich genau wie frittierte Spreewälder Gürkchen mit einem Dill-Dip. Beides schmeckt genau so, wie es schmecken muss: Die Gurken sind in einem ganz dünnen Bierteig ausgebacken, der Dip ist aromatisch und frisch. Die Würste sind fettig und saftig, ein guter Start.

Der Mettigel wird Tartarigel.

Der Mettigel wird Tartarigel.

(Foto: Clärchens Ballhaus)

Signature-Dish ist allen Ernstes der Mettigel, der wirklich als Igel mit Zwiebelstacheln an den Tisch kommt, es ist ein klassisches Rindertatar, das hier eine leichte Zitronennote hat. Das schmeckt unter Zuhilfenahme von Pfeffer und Salz würzig und gut, leider ist es nicht ganz frisch gewolft, sodass es schon leichte graue Schimmer hat, was der Instagram-Tauglichkeit ein wenig abträglich ist. Dabei ist es ja genau das, was dieses Restaurant möchte: alte Klassiker neu entdecken, die sich dann auch auf den Fotos der jungen Berliner Bohème gut ausnehmen.

Klar und aromentreu sind die Königsberger Klopse mit reichlich Kapernsäure und cremiger Sauce, der Kartoffelbrei ist sämig und süffig, genau wie der dazu gereichte Rote-Beete-Salat mit Haselnüssen. Die Kalbsleber wird hier nach dem scharfen Anbraten in Scheiben geschnitten und kommt à point an den Tisch, auch das ist ein solides, gutes Gericht. Beim vegetarischen Szegediner Pilzgulasch hingegen stimmt nicht so viel: Pilze und Sauerkraut werden zu einer schmierigen Masse, in der sich zu viele süß-scharfe Gewürze gegenseitig überlagern, die schlicht angewärmten Scheiben von böhmischen Knödeln sind dazu einfach nur pappig, ein paar Röstnoten hätten hier Geschmack und Bindung gebracht.

Waldmeister Wackelpudding zum Nachtisch.

Waldmeister Wackelpudding zum Nachtisch.

(Foto: Clärchens Ballhaus)

Im Dessert geht es bildstark weiter: Da gibt es grünen Wackelpudding genau wie Spaghetti-Eis mit Erdbeersauce und Kokosnussraspeln, beides ist gut, einzig das Vanilleeis könnte ein wenig kräftiger schmecken.

Die Preise sind beispielhaft für Berlin-Mitte-Adressen: Würste und Gürkchen kosten rund 6 Euro, die Hauptgerichte teilweise unter 20 Euro. Das ist fabelhaft, weil es genau zu dieser bunten Gesellschaft führt, die an unserem Testabend unter der Diskokugel zusammenkommt, lacht und klönt und laut und lustig ist - dit is Berlin, wie es sein sollte und leider nur allzu selten ist.

Dazu kommen ein aufmerksames und freundliches Team, schneller Getränkeservice und eine Weinkarte, die angemessen kalkuliert ist, eine echte Empfehlung für kalte Abende, die nach schönem Schein und leckerem Sein verlangen.

Meine deftige Wertung fürs Luna d'Oro: 7/10

Peter & Paul

Nicht mal einen Kilometer weiter auf der Torstraße liegt das PeterPaul, benannt nach den Großvätern des Eigentümers, einer von ihnen war der Maler Paul Maier-Pfau, dessen Bilder nun das Restaurant schmücken. Die verschiedenen Räume sind schön und geräumig, es gibt Ecken für private Dates und große Tische für laute Gesellschaften - einzig warum immer noch die Corona-Glaswände zwischen den Tischen stehen, wird das Geheimnis der Gastwirte bleiben.

Im PeterPaul gibt es Großvaterküche.

Im PeterPaul gibt es Großvaterküche.

Für Berliner Verhältnisse besonders auffällig ist die Freundlichkeit und Eloquenz des Teams: An jedem Tisch wird das Konzept des Restaurants vorgestellt, Weine und Getränkebegleitungen werden souverän und auf Augenhöhe angeboten, die Stimmung ist überaus freundlich und aufmerksam - allein deshalb ist ein Abend im PeterPaul absolut zu empfehlen.

So geht's beim Essen weiter: Hier werden traditionelle Gerichte der Hausmannskost modernisiert und als größere Tapas zum Teilen auf die Tische gestellt - so teilt man sich für zwei Personen fünf bis sechs Gerichte und erhält einen sehr bunten und aromatischen Überblick über Berliner Traditionsgerichte.

Gottlob haben die Betreiber im PeterPaul erkannt, dass es längst aus der Mode ist, klassische Geschmacksbilder zu dekonstruieren: Wer will schon einen Gurkensalat in drei Aggregatzuständen? Stattdessen haben sie sich entschieden, die Aromen aus den eher deftigen Gerichten herauszukitzeln, mit sehr guten Produkten zu arbeiten und die Gänge feiner und leichter zu servieren.

Hier kommt moderne Winterküche auf die Teller.

Hier kommt moderne Winterküche auf die Teller.

(Foto: hundertmark-berlin.de)

Das beginnt bei einer herausragenden Erbsensuppe, die hier püriert und mit der Süße von Zuckerschoten an den Tisch kommt, Chili bringt eine wohltuende und wärmende Schärfe - hervorragend! Das Roastbeef mit Crème fraîche ist blutig und aromatisch, die Bouletten zerfallen, weil das Fleisch so zart ist, und sind doch echte Umami-Bomben.

Königsberger Klopse, Sauerbraten und Fischstäbchen sind würzige und doch leichte Hauptgerichte, absolutes Highlight aber sind die Bergkäseknödel mit Babyspinat und Zitronendressing. Das klingt banal, ist aber so süffig und gut, dass sich allein damit ein grauer Wintertag gut verkraften lässt.

Einzig die Preise schmälern das Vergnügen etwas: Die Hauptgerichte zum Teilen liegen zwischen 11 und 18 Euro - damit kostet so ein Abend im PeterPaul für zwei schon rund 150 Euro aufwärts, deutlich mehr, als in einer Berliner Kneipe, dafür aber auch deutlich besser.

Meine deftige Wertung fürs PeterPaul: 9/10

Zum Schusterjungen

Früher war das Lokal eine richtige Bierpinte in meinem Kiez, mit Bleiglasfenstern und altem Holztresen. Doch dass sich im Prenzlauer Berg etwas änderte, merkte ich vor 15 Jahren daran, dass der Schusterjunge auf der Danziger Straße auf einmal Speisekarten in Englisch führte und die Berliner Kellnerin mit den Gästen plötzlich fließend Spanisch parlierte.

Seit 90 Jahren gibt es das Lokal. Früher waren es die Arbeiter, die sich hier auf Molle und Korn trafen und dazu eine Bulette verzehrten, heute treffen sich hier Touristen mit jenen Berliner Studenten, denen die Hausmannskost von Mami fehlt und die sich nach Seelenessen mit klassischen Geschmacksbildern sehnen. Hier gibt es all die klassischen Berliner Gerichte, die beweisen, dass diese Stadt eben doch eine Regionalküche hat, die - wenn sie liebevoll und präzise serviert wird - absolut überzeugen kann.

Das gelingt bei Kleinigkeiten wie dem Würzfleisch, überbackenem Kalbfleisch, das hier mit Champignons und Zitrone serviert wird. Oder bei Senfeiern mit Stampfkartoffeln, bei denen die Sämigkeit, Säure und Würze der Senfsauce hervorragend funktionieren.

Aber auch beim Schnitzel mit Rahmchampignons und Bratkartoffeln. Ich bin seit Langem davon überzeugt: Gute Bratkartoffeln sind ein Beleg für eine funktionierende Küche. Hier stimmt das: Die Kartoffeln sind frisch gekocht und dann angebraten, dadurch zerfallen sie nicht, sondern haben Biss, dazu gibt es Zwiebeln und krossen Speck, alles hat reichlich Würze und Röstnoten, schlicht perfekt!

Die Sauce ist cremig, das Schnitzel zart und kross, das ist in der Einfachheit ein echtes Signature-Gericht. Einzig das Steak au four kann in unserem Test nicht überzeugen: Das unpanierte Schweinesteak geht mit dem Würzfleisch darüber keine Bindung ein, alles zerfällt, die Erbsen wirken wie zu lang gelagerte Tiefkühlware, ein leichter Ausreißer ist das, der aber der Gesamtwertung keinen Abbruch tun kann.

Früher undenkbar gibt es sogar in der Bierkneipe heute eine echte Weinkarte mit fair kalkuliertem Riesling und Spätburgunder, sogar echte Raritäten sind darauf, etwa eine Spätlese von Egon Müller für 360 Euro. Wir bleiben im Schusterjungen lieber beim Bier vom Fass, der halbe Liter Hauspils kostet 4,20 Euro und schmeckt genau so, wie Berlin schmecken muss.

Meine deftige Wertung für den Schusterjungen: 7/10

Lubitsch

Hübsch ist es im Lubitsch, die Bleibtreustraße ist ja ohnehin eine der schönsten Flaniermeilen im Berliner Westen und das Restaurant ist so ein Kleinod im Altbau, mit hohen Decken und Stuck, mit Holztäfelungen und französischem Flair.

Très francais und gleichzeitig herrlich zünftig, so lässt sich die Küche hier zusammenfassen. Ole Cordua, der Inhaber, ist eigentlich Designer von Beruf, hat sich aber in der Berliner Gastroszene längst einen Namen gemacht. Hier setzt er auf eine kleine, sehr abwechselungsreiche frische Karte mit erlesenen Produkten und sehr gefälligen Kombinationen.

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Die Bouillabaisse etwa ist reichlich gefüllt mit Seewolf, Dorade, Garnele und Jakobsmuschel, der Geschmack ist tief und fein austariert, eine tolle Vorspeise. Sehr gut sind auch die Spinatknödel mit Parmesan und einem sehr frischen und säuerlich angemachten Salat. Signature sind auch hier die Königsberger Klopse, drei große und fluffige Exemplare befinden sich im Kartoffelpüree, die Sauce ist würzig und kapernsatt, hervorragend.

Ein bisschen zu viel Fleur de Sel ist auf dem Wiener Schnitzel, ohnehin sollte das grobe französische Salz, das in Deutschland irrigerweise für Exklusivität steht, nicht allzu oft als Garnitur herhalten müssen. Die Salz-Spitzen sind geschmacklich kaum auszugleichen. Das Schnitzel aber ist groß und perfekt - dünn plattiert, luftig paniert, sehr buttrig ausgebacken. Der Erdäpfelsalat kommt mit viel Gurke und grobem Senf sogar lauwarm an den Tisch, der Gast fühlt sich im Wiener Schnitzelhimmel.

Ein perfekter Ort fürs erste Date oder einen Lunch für die Spesenquittung - auch die toll kalkulierte Weinkarte mit französischem Schwerpunkt sorgt dafür, dass man das Lubitsch sehr selig verlässt.

Meine deftige Wertung fürs Lubitsch: 9/10

Quelle: ntv.de

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