Panorama

Insel im Ausnahmezustand Flüchtlingslager Moria "zu 99 Prozent abgebrannt"

Wegen der steigenden Zahl an Corona-Infektionen steht das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos unter Quarantäne. Nun aber steht der Ort, der für 2800 Menschen gedacht ist und an dem 12.600 Menschen leben, in Flammen. Möglicherweise haben die Flüchtlinge das Feuer selbst gelegt.

Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist praktisch niedergebrannt. In der Nacht waren mehrere Brände ausgebrochen - wenig später stand das hoffnungslos überfüllte Lager fast vollständig in Flammen. Bei der Katastrophe sind offenbar bislang keine Menschen zu schwerem Schaden an Leib und Leben gekommen. Schon in der Nacht hatten die Behörden laut griechischen Medienberichten mit der Evakuierung des Lagers begonnen, nachdem Wohncontainer Feuer gefangen hatten. Starker Wind mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometer pro Stunde fachte das Feuer immer wieder an. In den frühen Morgenstunden wütete das Feuer weiter.

Nach Angaben der Feuerwehr waren mehrere Brände innerhalb des Lagers wie auch in der Umgebung ausgebrochen. Der Präsident der Feuerwehrgewerkschaft sagte am Morgen, das Camp sei "zu 99 Prozent abgebrannt". Das Feuer brennt ihm zufolge jedoch weiter. Insgesamt waren demnach 25 Feuerwehrleute sowie zehn Wagen im Einsatz. Es gebe keine Verletzten, aber mehrere Menschen mit leichten Rauchvergiftungen, sagte er.

Die griechische Nachrichtenagentur ANA meldete, die Brände seien nach einer Revolte in dem Lager gelegt worden. Einige Flüchtlinge hätten dagegen protestiert, dass sie isoliert untergebracht werden sollten, nachdem sie positiv auf das Coronavirus getestet worden seien oder direkten Kontakt zu Infizierten gehabt hätten.

Menschen flüchten zu Fuß in die Umgebung

"Die Insel Lesbos hat den Ausnahmezustand erklärt", sagte ein Regierungssprecher dem Fernsehsender ERT. Am Morgen sei ein Treffen der Regierung geplant, "um die Situation in Moria und die nötigen Maßnahmen zu erörtern".

Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete in der Nacht, auch ein außerhalb des Hauptlagers liegender Olivenhain mit Zeltunterkünften für Flüchtlinge brenne. Nach Angaben der örtlichen Nachrichtenseite Lesvospost wurden mehr als 3000 Zelte, Tausende Container sowie Verwaltungsbüros und eine Klinik innerhalb des Lagers zerstört.

Viele der mehr als 12.000 Migranten und Flüchtlinge, die zuletzt im Lager lebten, flohen in die umliegenden Wälder und auf Hügel, andere machten sich auf den Weg zur Inselhauptstadt Mytilini, wie griechische Medien berichteten. Stellenweise sollen sich ihnen Inselbewohner entgegengestellt und ihnen den Weg versperrt haben.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Stand by Me Lesvos twitterte: "Alles brennt, die Menschen fliehen." Augenzeugen berichteten der Organisation zufolge, dass Einwohner flüchtende Asylbewerber daran gehindert hätten, ein nahegelegenes Dorf zu betreten.

Die Feuerwehr berichtete, nach Ausbruch der Brände hätten Lagerbewohner die Einsatzkräfte mit Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern. Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei waren im Einsatz. Videos in sozialen Netzwerken zeigten herumirrende, verängstigte Menschen und auch solche, die "Bye bye, Moria!" sangen.

Moria ist seit Jahren völlig überfüllt. Das Lager ist für rund 2800 Menschen ausgelegt, doch leben dort mehr als 12.700 Asylsuchende unter schwierigsten Bedingungen. In der vergangenen Woche war dort der erste Fall einer Coronavirus-Infektion festgestellt worden. Das Lager wurde daraufhin unter Quarantäne gestellt. Seither wurden nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums in dem Lager etwa 2000 Corona-Tests ausgeführt und dabei 35 Infektionsfälle registriert.

Quelle: ntv.de, tsi/jwu/dpa/AFP

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