Panorama

Beruhigung zur Nacht "Friederike" wütet - sechs Tote

Auf der A71 in Richtung Schweinfurt stürzt ein Lastwagen um.

Auf der A71 in Richtung Schweinfurt stürzt ein Lastwagen um.

(Foto: imago/Steve Bauerschmidt)

Auf den Tag genau elf Jahre nach dem Orkan "Kyrill" zieht "Friederike" über Deutschland. Mehrere Menschen kommen ums Leben. Schulen bleiben geschlossen. Die Bahn stoppt bundesweit den Fernverkehr.

Der schwerste Orkan seit mehr als zehn Jahren hat in Deutschland mehreren Menschen das Leben gekostet und den gesamten Fernverkehr der Bahn lahmgelegt. Züge würden aus Sicherheitsgründen nicht mehr losfahren, sagte ein Bahnsprecher am Nachmittag in Berlin. Vielerorts wurde zeitweise Windstärke 12 und mehr gemessen. Im Sturm "Friederike" kamen bis zum Abend bundesweit mindestens sechs Menschen ums Leben. In einigen Bundesländern fiel der Schulunterricht aus. Auch mehrere Flughäfen strichen aus Sicherheitsgründen Flüge. Im Norden machte zudem regional Schneeglätte Autofahrern zu schaffen. Zeitweise waren in Ostdeutschland mehr als 100.000 Haushalte ohne Strom.

In der Nähe von Neubrandenburg starb eine 61-jährige Autofahrerin. Sie verlor südlich von Penzlin vermutlich wegen widriger Straßenverhältnisse und zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über ihr Auto und schleuderte gegen einen entgegenkommenden Lastwagen. In Brandenburg ist auf der A13 in Richtung Dresden ein Lastwagen durch eine Windböe von der Straße abgekommen, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) unter Berufung auf die Leitstelle in Cottbus berichtet. Der Fahrer sei im Führerhaus eingeklemmt worden und noch am Unfallort gestorben.

In Thüringen und Nordrhein-Westfalen starben zwei Feuerwehrmänner während des Einsatzes. In Bad Salzungen wurde ein Feuerwehrmann von einem Baum erschlagen. Ein weiterer wurde schwer verletzt, wie ein Polizeisprecher in Suhl mitteilte. Im sauerländischen Sundern kam ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ebenfalls bei einem Sturmeinsatz ums Leben. NRW-Innenminister Herbert Reul sagte, es drohe weiterhin Gefahr - etwa durch entwurzelte Bäume, herabstürzende Dachziegel oder Äste.

Zuvor war bereits in Emmerich am Niederrhein ein 59 Jahre alter Mann auf einem Campingplatz am Rhein von einem Baum erschlagen worden. Er sei sofort tot gewesen, teilte die Polizei mit. In Lippstadt im Kreis Soest starb ein 68-jähriger Lastwagenfahrer nach einem sturmbedingten Verkehrsunfall, wie das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in Duisburg mitteilte.

Deutsche Bahn stoppt Fernverkehr

Die Deutsche Bahn stellte indes den Fernverkehr wegen des Orkans bundesweit ein. Züge, die noch unterwegs waren, sollten soweit möglich bis zum Ziel fahren, sagte ein Bahnsprecher. Die Maßnahme werde voraussichtlich den gesamten restlichen Tag andauern. "Das ist eine notwendige Sicherheitsmaßnahme, weil die Störungen durch den Sturm doch so gravierend sind, dass wir Fernzüge schlichtweg nicht mehr durchbekommen", sagte Bahnsprecher Achim Stauß.

In Hannover harren gestrandete Bahnreisende in der Wartehalle aus.

In Hannover harren gestrandete Bahnreisende in der Wartehalle aus.

(Foto: imago/localpic)

"Es wäre fahrlässig, die Züge irgendwo, wo man noch fahren kann, noch fahren zu lassen - und dann bleiben Hunderte Fahrgäste auf irgendeinem Bahnhof oder schlimmstenfalls auf freier Strecke hängen. Diese Situation müssen wir vermeiden, und deshalb diese harte Entscheidung, den Fernverkehr komplett in Deutschland einzustellen", sagte Stauß. Wer heute irgendwo strande, der bekomme auch eine Betreuung. "Der bekommt also einen Hotelgutschein oder eine Übernachtung im Zug", sagte Stauß. "Wichtig ist, dass nichts passiert. Wir müssen unsere Reisenden und auch unser Personal schützen."

Mehrere Verletzte durch Baumstürze

In Nordrhein-Westfalen wurden durch umstürzende Bäume mehrere Menschen verletzt. In Hamburg wurde ein 17 Jahre alter Schüler von einem herabstürzenden Ast mit etwa 30 Zentimetern Durchmesser am Kopf getroffen, teilte die Polizei mit. Der Schüler erlitt demnach schwere Verletzungen. Der Ast sei aufgrund von Schneelast in zehn Metern Höhe abgebrochen, erklärten die Beamten. Nach einer Erstversorgung am Unfallort sei der Jugendliche ins Krankenhaus gekommen.

In Ratingen wurde eine Frau von einem umstürzenden Baum erfasst und eingeklemmt, wie die Feuerwehr mitteilte. Fast zeitgleich wurden im Kreis Heinsberg zwei Fußgänger von einem Baum getroffen. Sie mussten von der Feuerwehr befreit werden und wurden nach erster Einschätzung der Rettungskräfte schwer verletzt. Auch in Dortmund stürzte ein Baum auf einen Menschen. Die Feuerwehr konnte den Verletzten bergen.

In Pößneck (Thüringen) wurde das Dach einer Schule abgerissen, in der sich noch Kinder befanden. Nach Angaben des Landratsamtes Saale-Orla-Kreis blieben bei dem Vorfall am Nachmittag alle Schüler unverletzt. Das Dach des Grundschulgebäudes landete auf dem Schulhof.

Flughafenterminal in Paderborn gesperrt

Wegen eines schweren Gebäudeschadens musste am Mittag zudem ein Terminal des Flughafens Paderborn (Nordrhein-Westfalen) evakuiert werden. Wie die Polizei weiter mitteilte, drohte das Dach des Gebäudes abzuheben. Der Flugverkehr wurde eingestellt. Auch der Autoverkehr in Nordrhein-Westfalen wurde massiv behindert. Mehrere Autobahnabschnitte mussten gesperrt werden, wie der Landesbetrieb Straßen Nordrhein-Westfalen mitteilte.

Vollsperrungen gab es unter anderem auf der A3 zwischen Hünxe und Dinslaken, wo Bäume und Baustellenteile auf der Straße lagen, sowie auf der A4 zwischen der Anschlussstelle Overath und der Raststätte Aggertal. Zwischen dem Autobahnkreuz Duisburg und Duisburg-Ruhrort wurde zudem die A59 gesperrt. Dort hatte sich ein Lastwagen in einem Brückengeländer verfangen.

"Friederike" war am Vormittag vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zum Orkan heraufgestuft worden. Laut Meteorologen traten zeitweise Böen mit Geschwindigkeiten von bis 130 Kilometern pro Stunde auf. Auf dem Brocken im Harz wurden mehr als 200 km/h gemessen. Nach Angaben des Wetterexperten bei n-tv, Björn Alexander, zog das stärkste Sturmfeld zuletzt in Richtung Osten ab. Zuletzt war die Tendenz, was die Windstärken angeht, weiter nachlassend. "Ab 20 Uhr gibt es im Flachland sehr wahrscheinlich nirgendwo mehr Orkanböen, nach Mitternacht wird es auch auf den Gipfeln immer ruhiger", so der Meteorologe.

Auch in Deutschlands Nachbarländern wütete der heftige Sturm. In Belgien wurde eine Frau von einem Baum erschlagen. Zwei Menschen starben auch in den Niederlanden wegen umstürzender Bäume. Dort wurden auf Autobahnen und Fernstraßen durch den Sturm mehr als 60 Lastwagen umgeweht.

Quelle: ntv.de, jwu/jug/dpa/AFP

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