Amoklauf bei "Batman"-Premiere Kino-Attentäter erscheint vor Gericht
21.01.2015, 01:19 Uhr
Zwölf Menschenleben auf dem Gewissen: Der Angeklagte James Holmes bei seiner ersten Anhörung drei Tage nach der Tat.
(Foto: REUTERS)
Im US-Bundesstaat Colorado beginnt der Prozess um jenen jungen Mann, der mit einem Sturmgewehr bewaffnet in einen Kinosaal eindrang und dort während der Filmvorführung 12 Menschen tötete. Schon die Geschworenenauswahl ist eine Mammutaufgabe.
Zweieinhalb Jahre nach dem Amoklauf in einem Kino im US-Bundesstaat Colorado erscheint der mutmaßliche Täter vor Gericht: Dem heute 27-jährigen James Holmes wird vorgeworfen, während der nächtlichen Vorführung eines neuen "Batman"-Films in der Stadt Aurora 12 Menschen erschossen und 58 verletzt zu haben. Die Verteidigung hat bereits auf "nicht schuldig" wegen Unzurechnungsfähigkeit plädiert.
Zum Auftakt des Prozesses in Centennial, einem Vorort von Denver, wurden zunächst Verfahrensfragen geklärt, dann konnte gegen Mittag (Ortszeit) die langwierige Geschworenenauswahl beginnen. Sollte Holmes für schuldig befunden werden, droht ihm die Todesstrafe. Nach Gerichtsangaben ist mit den Eröffnungsplädoyers nicht vor Juni zu rechnen, mit einem Urteil wohl kaum vor dem Jahresende.
Mit Sakko und Brille
Der Angeklagte erschien in einem graublauen Sakko, blauweiß gestreiften Hemd und bräunlichen Hosen im Gerichtssaal. Er trug einen Bart, Kurzhaarschnitt und eine Hornbrille und wirkte fast wie ein Student - im Gegensatz zu seinen feuerrot gefärbten Haaren, mit denen er auf ersten Fotos nach seiner Festnahme zu sehen war. Damals soll er der Polizei gesagt haben, er sei der Bösewicht und "Batman"-Gegenspieler "Joker".
Holmes verfolgte den Prozessauftakt am Vormittag weitgehend still. Er sprach nur selten mit seinen Anwälten und schaukelte ab und zu auf seinem Stuhl vor und zurück. Seine Hände waren frei, aber vor dem Herausführen bei einer Sitzungsunterbrechung bekam er Handschellen.
Was bewegt einen Amokläufer?
Psychologen und Kriminalexperten verfolgen den Prozess mit gespannter Aufmerksamkeit: In der Regel überleben Amokläufer ihren Gewaltausbruch nur selten. Meist töten sie sich nach ihren Taten selbst oder werden von der Polizei erschossen. Daher gilt der Prozess gegen den mutmaßlichen Kino-Mörder von Aurora als besondere Gelegenheit, Einblicke in die Psyche eines solchen Täters zu erlangen.
Das Motiv des Täters liegt bislang noch vollkommen im Dunkeln. Der Angeklagte hat sich bislang nicht zu seiner Tat geäußert. Der Prozess dürfte sich allerdings weitgehend darum drehen, ob der Schütze zur Tatzeit schuldfähig war, also ob er zur Rechenschaft gezogen werden kann oder nicht. Sprechen ihn die Geschworenen frei, würde Holmes in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Mammutaufgabe Jury-Auswahl
Die Schwierigkeit des Prozesses spiegelt sich in der Jury-Auswahl wider. Das Gericht hatte ursprünglich 9000 Kandidaten einbestellt - so viele wie selten zuvor in einem Verfahren in der US-Rechtsgeschichte. Fast jeder Fünfte war bereits im Vorfeld "ausgemustert" worden, wie Richter Carlos Samour mitteilte. Damit stehen noch etwa 7000 Kandidaten zur Verfügung. Zu Beginn muss jeder Kandidat zunächst einen Fragebogen ausfüllen, eine erste Gruppe von 150 Anwärtern wurde dazu am Dienstag einberufen. Direkte Befragungen werden erst Mitte Februar beginnen.
Bei den Angehörigen der Opfer wird der Prozess furchtbare Erinnerungen wach rufen: Der Täter war am 20. Juli 2012 angetan mit Schutzweste und Gasmaske in das Kino eingedrungen und hatte eine Tränengasgranate gezündet. Einige Kinobesucher glaubten zunächst, es handle sich um einen Werbegag - bis die tödlichen Schüsse durch das Kino peitschten.
Erinnerungen an einen Alptraum
Zehn Menschen starben noch im Kino, unter ihnen ein sechsjähriges Mädchen. Die Ankläger wollen im Prozess betonen, dass Holmes seine Tat monatelang plante, sich ein Waffenarsenal sowie Tausende Schuss Munition zulegte und seine Wohnung mit mehreren Sprengfallen versah, die ganz offensichtlich für die Ermittler gedacht waren. Das lasse auf scharfen Verstand und Schuldfähigkeit schließen, heißt es.
Die Verteidigung sieht das anders: Holmes sei seit langem psychisch krank gewesen und habe den Amoklauf während einer besonders schweren Phase begangen. So habe sich Holmes vor seiner Tat einer Psychologin der Universität offenbart - diese habe die Universität über die Gefährlichkeit des Mannes unterrichtet. Letztendlich werden die Geschworenen entscheiden, wie die grausamen Handlungen des Attentäters zu beurteilen sind - als Taten eines psychisch Kranken oder als kaltblütige Morde.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa