Panorama

Razzien, Haft, Todesstrafe LGBTQi+-Verfolgung in Uganda wird blutig

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So sahen die Regale der Klinik in Kampala vor dem "Besuch" der Polizei aus. Jetzt sind sie leer.

So sahen die Regale der Klinik in Kampala vor dem "Besuch" der Polizei aus. Jetzt sind sie leer.

(Foto: Nicole Macheroux-Denault)

Ende Mai tritt in Uganda ein Gesetz in Kraft, das bei "homosexuellen Handlungen" bis zu lebenslange Freiheitsstrafen vorsieht. "Wiederholungstäter" können gar mit dem Tod bestraft werden. Inzwischen setzen ugandische Sicherheitsorgane das neue Anti-Queeren-Gesetz zunehmend mit Gewalt durch.

Die Kurznachricht kam am späten Abend. "Polizisten und Kontrolleure der ugandischen Arzneimittelbehörde führen eine Razzia in unserer Klinik durch", schreibt Henry Mukiibi. Die Nachrichten an den bekannten ugandischen LGBTQi+ Aktivisten sind sichtlich schnell geschrieben. Er selbst ist nicht vor Ort. Es ist ein Glück, denn Henry Mukiibi sorgt sich seit Wochen um seine Sicherheit.

Vor drei Jahren hatte er die ugandische Regierung verklagt, weil sie ihm bei seiner letzten Verhaftung 40 Tage lang den Zugang zu einem Anwalt verwehrte. Er gewann den Prozess. Seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes, das bei "homosexuellen Handlungen" bis zu lebenslange Freiheitsstrafen vorsieht, steht Henry Mukiibi angeblich auf der "Most Wanted"-Liste. Seine Stiftung Children of the Sun finanziert die Klinik in Kampala, in der die Polizei aufschlug.

Erst vor wenigen Wochen hat ntv in der privaten Einrichtung gefilmt. Es ist eine der wenigen noch verbliebenen, speziell für queere Patienten eingerichteten Kliniken in Uganda. Nur hier können sich LGBTQi+-Patienten Ärzten und Pflegepersonal anvertrauen, ohne eine harte Bestrafung im Rahmen des neuen ugandischen Anti-Queeren-Gesetzes zu riskieren. Und es ist der Ort, an dem sie im Notfall sicher behandelt werden.

"Es floss viel Blut"

Kenneth Kikangi gehört zum medizinischen Personal der Eddwaliro Clinic.

Kenneth Kikangi gehört zum medizinischen Personal der Eddwaliro Clinic.

(Foto: Nicole Macheroux-Denault)

Erst vergangene Woche wurde wieder ein schwer verletzter Mann hierher gebracht. Der Homosexuelle wurde von einem Mob zusammengeschlagen. Tiefe Wunden an den Händen und dem Kopf. "Es floss viel Blut", so Kenneth Kikangi, klinischer Mitarbeiter in der Eddwaliro Clinic. Man konnte den jungen Mann medizinisch versorgen. Gründer Henry Mukiibi sorgt dafür, dass immer ausreichend Medikamente zur Verfügung stehen. Es geht dem Mann besser.

"Aber gestern war kein guter Tag für uns", sagt Kenneth Kikangi. Den zwei Polizisten und drei Kontrolleuren stand der Arzt persönlich gegenüber, als diese im Eingangsbereich der Eddwaliro Clinic in Kampala Zugang verlangten. Die Polizisten waren bewaffnet und es war von Beginn an klar, ihre Mission ist hier, so viel Schaden anzurichten wie möglich. "Nur, es war schwer etwas zu finden", sagt Kigangi. Die Lizenz war in Ordnung, das Medikamenten-Logbuch ebenso.

"Dann fragten die Kontrolleure, ob wir eine Klinik oder eine Apotheke seien?", so Kikangi. Die Medikamente seien wie in einer Apotheke aufgebaut. Das sei nicht erlaubt. "Bei keiner der vorherigen Kontrollen war dies je ein Thema. Sie haben dann fünf Kisten mit Medikamenten gefüllt und beschlagnahmt", berichtet Henry Mukiibi. Salben, Tabletten aller Art, OP-Kleidung des medizinischen Personals und Antibiotika. Genau die, die das medizinische Personal für das Opfer des gewaltsamen Übergriffs braucht.

"Ihn können wir heute nicht versorgen", sagt Kikangi. Ugandas Verfassung garantiert jedem Bürger gleichwertigen Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Gesundheitsministerin hat die Polizei vor einigen Wochen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch das Anti-Queeren-Gesetz daran nichts ändere. Doch die Polizei hat offensichtlich andere Anweisungen.

Todesstrafe möglich

In den vergangenen Tagen scheint eine Kampagne begonnen zu haben, das neue Gesetz gnadenlos umzusetzen. Im Osten des Landes, in der Kleinstadt Soroti wurde ein 20-Jähriger festgenommen. Ihm werden illegale sexuelle Handlungen mit einem behinderten 41-jährigen Mann vorgeworfen. Auf sogenannte "verschärfte Homosexualität" mit Behinderten steht im Rahmen des neuen Gesetzes die Todesstrafe. Um welche Art der Behinderung es sich in diesem Fall handelt, ist unbekannt. Es heißt, dies sei der erste Fall, in dem die Todesstrafe in Betracht kommt.

Die harte Haltung ugandischer Sicherheitsorgane scheint trotz internationaler Kritik und mit Unterstützung von Präsident Museveni persönlich durchgesetzt zu werden. Er zeigte sich in den vergangenen Tagen wiederholt extrem empört über die Entscheidung der Weltbank, wegen ugandischer Menschenrechtsverletzungen gegenüber der LGBTQi+ Gemeinde zukünftig jegliche finanzielle Unterstützung einzufrieren - inklusive noch nicht begonnener, aber genehmigter Projekte.

Die überraschend harte Haltung der Weltbank kommt auch bei Queeren in Uganda nicht gut an. "Das trifft uns alle hart", sagt Kenneth Kikangi. "Die Preise steigen und wir leiden dann alle darunter. Es wäre viel effektiver gewesen, uns direkt zu unterstützen. Zum Beispiel mit Medikamenten für die LGBTQi+ Community."

Henry Mukiibi ist sicher, dass internationale Sanktionen Ugandas Regierung nicht dazu bringen werden, das drakonische Gesetz abzuschaffen. Die meisten hier hoffen, derzeit vorliegende Gerichtsklagen können das Gesetz wegen seiner Unvereinbarkeit mit der ugandischen Verfassung kippen. Doch das kann lange dauern. Mukiibi hat am späten Abend Uganda verlassen. Er ist an einem sicheren Ort. Aber ohne Geld. Seine Ersparnisse reichen für fünf Tage in seinem bescheidenen Hotel. Fünf Tage ohne Angst. Das ist nicht viel, aber es gibt ihm Zeit, klar zu denken und nach Hilfe zu suchen. Für sich und die Klinik in Kampala.

Quelle: ntv.de

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