Studienplätze für Medizin Numerus Clausus ist teils verfassungswidrig
19.12.2017, 10:14 Uhr
Viel hängt an den Noten - wer Arzt werden will, braucht oft ein überdurchschnittliches Abitur. Doch das Verfahren für die Studienplatzvergabe ist zum Teil nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht verlangt Änderungen.
Das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen im Fach Humanmedizin ist teilweise verfassungswidrig. Die beanstandeten Regelungen von Bund und Ländern verletzen den grundrechtlichen Anspruch der Studienplatzbewerber auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Grundsätzlich sei die Vergabe nach den besten Abiturnoten, nach Wartezeit und nach einer Auswahl durch die Universitäten aber mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Bund und Länder müssen deshalb bis Ende 2019 die Auswahlkriterien neu regeln, die es neben der Abiturnote gibt. (Az. 1 BvL 3/14 und 4/14)
So müsse die Zahl der Wartesemester, die aktuell etwa bei 15 liegt, enger begrenzt werden, entschied der Erste Senat unter Vorsitz von Ferdinand Kirchhof. Auch dürfe eine Festlegung auf höchstens sechs gewünschte Studienorte nicht dazu führen, dass ein Bewerber, der eigentlich erfolgreich wäre, am Ende leer ausgeht.
Die bisherigen Vorschriften zur Ortswahl sind verfassungswidrig . Bisher dürfen Bewerber maximal sechs Hochschulorte angeben. Auch die Hochschulen selbst verlangen bisher in ihrem eigenen Vergabeverfahren, dass der Bewerber eine Reihenfolge nennt, wo er studieren will. Manche Universitäten sortieren aber alle Bewerber aus, die diese Hochschule nicht an erster Stelle genannt haben.
Die Ortswahl kann nach der Entscheidung des Gerichts nur noch dann Kriterium sein, wenn die Universität eigene Auswahlgespräche anbietet. Hier sei die Ortswahl deshalb sachgerecht, weil in kurzer Zeit eine Vielzahl von Bewerbern ausgewählt werden müssten. Bayern und Hamburg haben den Hochschulen darüber hinaus eingeräumt, eigene Kriterien für ihre Aufnahme zu entwickeln. Auch das ist verfassungswidrig. Hochschulen hätten "keine Befugnis zur Erfindung weiterer Kriterien", heißt es im Urteil.
Note soll nicht einziger Faktor sein
Im Auswahlverfahren bei den Hochschulen müsse eine Vergleichbarkeit der Abiturnoten über Landesgrenzen hinweg sichergestellt werden. Auch dürfe hier die Abiturnote nicht das einzige Kriterium sein. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass Eignungsgespräche an Universitäten bundesweit in "standardisierter und strukturierter Form" stattfinden, um die Chancengleichheit der Studierenden zu wahren.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte in Karlsruhe zwei Fälle von Bewerbern aus Schleswig-Holstein und Hamburg vorgelegt, die keinen Studienplatz im Fach Humanmedizin bekommen hatten. Derzeit gibt es im Studienfach Medizin nahezu fünf Mal so viele Bewerber wie Plätze.
Die Verteilung läuft zu 20 Prozent über die besten Schulnoten, zu 20 Prozent über Wartezeit und zu 60 Prozent über ein Auswahlverfahren direkt bei den Hochschulen. Aber auch dabei spielt die Abiturnote eine wichtige Rolle. Vorab wird schon ein Teil der Studienplätze nach speziellen Kriterien vergeben - etwa nach Härtefällen oder dem Bedarf des öffentlichen Dienstes an Medizinern.
Die Bundesärztekammer nannte das Urteil "das richtige Signal zur richtigen Zeit". Bei der überfälligen Reform des Medizinstudiums müsse nun endlich Tempo gemacht werden, betonte Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery und mahnte eine umfassende Neuordnung an: "Bund und Länder sollten das Urteil zum Anlass nehmen, die Studienzulassung gerechter zu gestalten und besser auf die Erfordernisse einer Gesellschaft im Wandel auszurichten."
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP/rts