Panorama

Gefährlicher wird sie im Osten Omikron-Welle rollt von Nordwest nach Südost

Bei immer mehr positiven Coronatests wird die Omikron-Variante nachgewiesen.

Bei immer mehr positiven Coronatests wird die Omikron-Variante nachgewiesen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Omikron übernimmt in Deutschland das Zepter. Im Westen und Norden der Republik hat die Sars-CoV-2-Variante bereits die Oberhand, die Fallzahlen steigen dort rasant. Richtig gefährlich wird die Omikron-Welle aber vermutlich erst, wenn sie im Südosten ankommt.

Was Mitte Dezember schon absehbar war, ist jetzt eingetreten. Damals konnte man von den wenigen bekannten Omikron-Fällen in Deutschland darauf schließen, dass Anfang Januar rund 50.000 Neuinfektionen mit der Corona-Variante gezählt würden. Tatsächlich meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) heute offiziell 51.472 Fälle, in mehreren Bundesländern ist Omikron bereits dominant. Die neue Welle türmt sich vor allem im Norden und Westen auf, wo Bremen mit 760 Neuinfektionen die derzeit höchste Inzidenz Deutschlands aufweist. Doch schlimmere Folgen wird sie vermutlich im Osten haben, der besonders schlecht auf sie vorbereitet ist.

Bremen weit vorne

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard teilte am Dienstag mit, man gehe davon aus, dass Omikron in Bremen schon vorherrschend ist. Zuletzt zählte die Hansestadt rund 700 Fälle mehr als am Vortag, was angesichts einer Bevölkerung von knapp 567.000 Einwohnern viel ist und einer Inzidenz von 123 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern entspricht. Die tatsächliche Zahl der Omikron-Ansteckungen dürfte in Bremen weit höher sein, denn nur so lässt sich der senkrechte Anstieg der Inzidenz innerhalb einer Woche von 278 auf 714 erklären.

Das RKI zählt die meisten gemeldeten Omikron-Infektionen als Verdachtsfälle, nur ein sehr geringer Teil wird bundesweit durch eine Analyse (Sequenzierung) von positiven Testproben bestätigt - bei hohen Inzidenzen ist dies in Deutschland nur bei 5 Prozent vorgesehen. Die Verdachtsfälle kommen durch das "S Gene Target Failure" bei PCR-Tests zustande. Das heißt, positive Proben fallen teilweise negativ aus, da sich eine der Omikron-Mutationen in einem der drei Gen-Abschnitte befindet, die die Tests erkennen.

Das gab es schon bei Alpha, doch diese Variante wurde vollkommen von Delta verdrängt, die zu keinem "S Gene Target Failure" führt. Daher ist bei den Verdachtsfällen die Wahrscheinlichkeit so hoch, dass es sich um Omikron-Infektionen handelt, dass beispielsweise Dänemark sie schon früh als bestätigte Fälle wertete.

Zwei, drei Wochen alte Daten

Ähnliches wie für Bremen, wenn auch auf noch niedrigerem Niveau, gilt für Berlin, wo die Inzidenz im gleichen Zeitraum von 300 auf 417 gesprungen ist. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote sagte laut rbb am Dienstag: "Es ist eine interessante und beunruhigende Zahl: Die Labore haben einen Anteil von 43,5 Prozent an Omikron sequenziert. Das ist ein wenig mehr als Delta."

Delta hat laut Lagebericht in der Hauptstadt noch einen Anteil von 41 Prozent, wobei die Daten aus der Zeit vor Weihnachten stammen. "Sobald man 40 Prozent Omikron erreicht hat, steigen die Infektionen sprunghaft an", sagte die spanische Computerbiologin Clara Prats "El País". In ihrem Land schoss die Sieben-Tage-Inzidenz seit Weihnachten von rund 560 auf jetzt 1700 Fälle pro 100.000 Einwohner.

Hamburg hat fast die gleiche Entwicklung wie Berlin hinter und vor sich, nur drehte sich dort der bescheidene Abwärtstrend bereits am 28. Dezember. Seitdem ist die Inzidenz von 330 auf 530 Neuinfektionen gestiegen. Senatssprecher Marcel Schweitzer sagte am Dienstag, man müsse davon ausgehen, dass Omikron in Hamburg inzwischen die vorherrschende Variante des Coronavirus sei.

Metropolen idealer Nährboden für Omikron

Dass die drei "Stadtstaaten" bei den ersten Ländern sind, die die Omikron-Welle trifft, kommt nicht von ungefähr. Dort lebt eine große Anzahl Menschen auf engem Raum, viele von ihnen sind jung, mobil und haben ein reges Sozialleben. Für ein hochansteckendes Virus eine ideale Umgebung, vor allem dann, wenn es in der Lage ist, den Impfschutz gegen Ansteckung zu umgehen.

Das zeigt sich auch, wenn man sich ansieht, welche Altersgruppen dort aktuell die höchsten Inzidenzen haben. In Berlin beispielsweise ist die Inzidenz bei den 20- bis 24-Jährigen mit rund 800 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner mit Abstand die höchste. Bei den 25- bis 29-Jährigen beträgt sie 720, über 600 liegen die Fallzahlen auch bei den 10- bis 19-Jährigen. Dazu passt, dass die Bezirke Neukölln, Pankow und Mitte zu den 20 deutschen Kreisen mit den höchsten Inzidenzen gehören.

Hohe Inzidenzen bei westlichen Nachbarn

Bei Bremen und Hamburg kommt die Nähe zu Dänemark hinzu, wo Omikron schon früh Delta verdrängt hatte und die Fallzahlen 2225 Neuinfektionen erreicht haben. Hohe Inzidenzen haben auch Belgien (890), Frankreich (2060) und die Schweiz (1500). Das dürfte ein Grund dafür sein, dass die Variante bereits auch in weiteren westdeutschen Bundesländern dominant beziehungsweise kurz davor ist, es zu sein.

Für Schleswig-Holstein hat dies Ministerpräsident Daniel Günther bereits bestätigt, Niedersachsens Corona-Stabschef Heiger Scholz ging laut NDR am Dienstag schon von einem 70-Prozent-Anteil aus. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch bestätigte heute, dass die Variante in seinem Bundesland vorherrschend ist.

Ein Sprecher des Sozialministeriums sagte dem SWR am Dienstag, in Baden-Württemberg mache Omikron bereits mehr als die Hälfte der Neuinfektionen aus. Der Chef des Landesgesundheitsamts, Gottfried Roller, sagte: "Der Anteil von Omikron verdoppelt sich derzeit alle vier bis fünf Tage. In den nächsten ein bis zwei Wochen ist davon auszugehen, dass wir wahrscheinlich nur noch Omikron-Fälle haben könnten."

Absolute Zahlen in NRW und Bayern am höchsten

Bayern hat mit bisher rund 11.100 gemeldeten Fällen nach Nordrhein-Westfalen (15.100) die höchste absolute Anzahl an Omikron-Infektionen. Der Anstieg im Vergleich zum Vortag ist mit 2091 Meldungen sogar fast gleich hoch wie im bevölkerungsreichsten Bundesland (2213). Im Verhältnis zur Bevölkerung haben Bayern und NRW mit 84,6 und 84,1 Fällen pro 100.000 Einwohner ebenfalls sehr viele Infektionen mit der Variante. Auch ohne offizielle Bestätigung kann man also vermuten, dass sie dort schon weit vorangekommen ist.

Brandenburg ist ein Beispiel dafür, dass Metropolen der neuen Virusvariante als "Sprungbrett" in ländlichere Gebiete dienen. In den jüngsten Proben sei bereits "ein Überwiegen von Omikron" zu sehen, sagte gestern Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher.

Niedrige Impfquoten, viele Ältere, hohe Infektionsraten

Falls es nicht ohnehin schon der Fall ist, ist es nur eine Frage von Tagen, bis die neue Variante auch in allen anderen Bundesländern die Oberhand erlangt und das Infektionsgeschehen nach oben treibt. Neben Brandenburg wird das vor allem für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ein großes Problem. Denn diese Länder im Osten der Republik haben nach wie vor Impfquoten unter 70 Prozent, in Sachsen sind sogar nur knapp 61 Prozent der Bevölkerung "vollständig" geimpft. Ähnlich schlecht sehen dort die Booster-Quoten zwischen 32 und 35 Prozent aus.

Bremen und Hamburg spielt in die Karten, dass sie mit 42,1 beziehungsweise 43,7 Jahren Durchschnittsalter zusammen mit Berlin (42,7) zu den drei jüngsten Bundesländern gehören. Das höchste Durchschnittsalter hat Sachsen-Anhalt mit 48,1 Jahren, gefolgt von Thüringen (47,5), Mecklenburg-Vorpommern (47,4) und Brandenburg (47,2).

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In den Ost-Bundesländern sind außerdem die Impfquoten bei den über 60-Jährigen sehr schlecht. In Sachsen sind beispielsweise nur rund 81 Prozent dieser Altersgruppe "vollständig" geimpft, etwa 52 Prozent davon sind geboostert. Etwa 35 Prozent der rund 4 Millionen Sachsen sind älter als 60 Jahre, also fast 1,4 Millionen. Das heißt, die Omikron-Welle trifft dort auf 266.000 Menschen über 60 Jahre ohne doppelten Impfschutz, 672.000 von ihnen haben noch keine Auffrischung erhalten.

Sehr hoch könnte die Omikron-Welle in Sachsen und Thüringen auch anwachsen, weil sie mit 16,4 und 14 Prozent die mit großem Abstand höchste Infektionsrate haben. Das heißt, dort steckt sich ein besonders großer Anteil der Bevölkerung an. Sachsen-Anhalt folgt mit 10,6 Prozent, Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben mit 4,5 und 5,7 Prozent die besten Raten.

Quelle: ntv.de

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