Brückeneinsturz in Genua Rom schießt sich auf den Betreiber ein
15.08.2018, 12:36 Uhr
Die Reste der Morandi-Brücke in Genua: Die aufgehende Sonne scheint auf eine schwer getroffene Stadt.
(Foto: dpa)
Die Katastrophe von Genua birgt politische Sprengkraft: Am Morgen nach dem Brückeneinsturz mit mindestens 39 Toten wollen Spitzenpolitiker den Betreiber der Mautautobahn zur Verantwortung ziehen. Autostrade weist die Vorwürfe zurück.
Obwohl die Ursache des Brückeneinsturzes von Genua am Tag Eins nach der Katastrophe noch vollkommen im Dunkeln liegt und längst noch nicht alle Todesopfer geborgen sind, üben sich Italiens Spitzenpolitiker bereits in Schuldzuweisungen. Der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli forderte die Führung des Betreibers der eingestürzten Autobahnbrücke am Morgen nach dem Einsturz zum Rücktritt auf.
Dem Unternehmen Autostrade per l'Italia soll seinen Angaben zufolge zudem die Lizenz zum Betrieb der Straße entzogen werden. Außerdem prüfe die italienische Regierung, so Toninelli weiter, die Auflösung des Vertrags mit der Firma sowie Bußgeldforderungen in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro.
"Autostrade per l'Italia war nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen", sagte Toninelli dem staatlichen Sender RAI 1. "Als erstes muss das Top-Management von Autostrade per l'Italia zurücktreten", forderte er.
Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte den Brückeneinsturz bereits Stunden nach dem Unglück zum Anlass genommen, die Sparvorgaben der EU zu kritisieren. Er sprach davon, dass es "ausländische Verpflichtungen" gebe, die Italien davon abhielten, "das für die Sicherheit der Autobahnen benötigte Geld auszugeben". Vor diesem Hintergrund müssten sich die Italiener fragen, "ob wir diese Verpflichtungen weiterhin respektieren oder die Sicherheit der Italiener an die erste Stelle und zuvorderst stellen".
Der Politiker der rechtsextremen Lega stellte massive Investitionen in die marode Infrastruktur seines Landes in Aussicht. "Es gibt einen großen Teil Italiens, der sicher gemacht werden muss." Die Morandi-Brücke wurde unter staatlicher Aufsicht von dem privaten Unternehmen Autostrade betrieben. Autostrade gehört zur italienischen Atlantia Gruppe.
Der Betreiber der eingestürzten Brücke, Autrostrade, wies den Vorwurf von Pflichtverletzungen bei der Überwachung des Bauwerkes zurück. Man habe die Brücke auf vierteljährlicher Basis gemäß der gesetzlichen Vorgaben kontrolliert, erklärte das Unternehmen. Man habe aber auch zusätzliche Prüfungen vorgenommen, hieß es. Dabei seien "modernster Technologien" zur Anwendung gekommen und auch ein externer Expertenrates hinzugezogen worden. Das Ergebnis dieser Kontrollen zum Zustand der Brücke sei Basis für das von der Regierung abgesegnete Wartungs- und Unterhaltungsprogramm gewesen.
In einer ersten Mitteilung nach dem Unglück hatte der Betreiber bereits betont, dass die Ursache des Einsturzes noch vollkommen ungeklärt ist. Deutsche Statikexperten warnten ebenfalls vor voreiligen Schlüssen. Zunächst müsste der genaue Hergang des Unglücks rekonstruiert werden, hieß es. Die Morandi-Brücke in Genua gehört zur Mautautobahn A10, einer Hauptverkehrsader an die italienische Riviera und nach Südfrankreich.
Mindestens 37 Tote
Die Zahl der Todesopfer des Brückeneinsturzes ist unterdessen auf 39 gestiegen. Es gebe 16 Verletzte, teilten die Behörden am Morgen nach der Katastrophe mit. Der Zustand von 12 Menschen sei kritisch, hieß es. Die Rettungsarbeiten an der Unglücksstelle dauern an.
Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Opferzahl noch weiter erhöhe, sagte eine Polizeisprecherin. Rettungskräfte hatten zuvor die Nacht hindurch in den Trümmern nach Überlebenden gesucht. Die Rettungsarbeiten dauern an.
Unter den Opfern sind mindestens auch drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und dreizehn Jahren. Am Vortag war die Morandi-Brücke während eines schweren Unwetters auf einem etwa 80 Meter langen Teilstück eingestürzt. Die Behörden gehen davon aus, dass sich mindestens 30 Fahrzeuge zum Unglückszeitpunkt auf der Brücke befanden.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts