Spießig, akkurat und pünktlich So ticken die Deutschen wirklich
10.08.2015, 20:25 Uhr
Wenn der Deutsche die Qual der Wahl zwischen Bier und Wein hat, greift er überraschenderweise eher zum Rebensaft.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Der typische Deutsche trinkt am liebsten Bier, trägt Dirndl oder Lederhose und hat einen Gartenzwerg im Vorgarten. Sind das nur Klischees oder ist da wirklich etwas dran? Eine aktuelle Studie rückt das Bild der Deutschen zurecht.
Wir sind spießig, rational, ordnungsliebend – so kennt man die Deutschen in der Welt. Bei der Frage, was typisch deutsch ist, haben wohl die meisten Bilder in Kopf. Doch sind wir wirklich die Nation der Biertrinker, die am liebsten am Ballermann Urlaub macht, ansonsten aber fleißige Arbeitsbienen und Vereinsmeier?
Das Kölner Marktforschungsunternehmen YouGov hat den Realitäts-Check gemacht und hat in mehreren repräsentativen Umfragen ergründet "wie wir Deutschen ticken". In 555 Grafiken bringt ein gleichnamiges Buch die Macken und Vorlieben der Deutschen an den Tag. Neben schrägen Zahlen, die zum Beispiel offenlegen, dass jeder Zweite sich davor fürchtet, auf eine Schnecke zu treten, gibt das Buch einen humorvollen Blick auf unsere nationale Seele.
Und der Blick auf die intime Seite der Deutschen zeigt ein deutlich positiveres Bild im Vergleich zu dem, wie wir im Ausland häufig gesehen werden. "Das deutsche Volk ist cooler und moderner geworden als erwartet", sagt Psychologe Holger Geißler. Er hat die Umfragen-Sammlung herausgegeben und räumt darin mit einigen Vorurteilen über Deutsche auf. An manchen Klischees ist aber auch durchaus etwas dran.
Vorurteil 1: Der Deutsche ist rational
Wahrheit: Deutschland ist an sich zwar kein abergläubisches Land, aber dennoch sind irrationale Überzeugungen weit verbreitet. 46 Prozent der Bürger glauben, dass es Landsleute mit hellseherischen Fähigkeiten gibt. 30 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass Steine heilende Kräfte besitzen.
Vorurteil 2: Der Deutsche ist akkurat und diszipliniert
Wahrheit: Grundsätzlich schätzt der Deutsche Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. "Es gibt aber auch den anderen Deutschen, der auch mal was macht, was nicht ganz so okay ist, der sich durchmogelt", stellt Geißler fest. 71 Prozent sind zum Beispiel schon mal bei Rot über die Ampel gegangen, 39 Prozent sind schon mal schwarzgefahren. Ganz so korrekt sind die Deutschen also offenbar nicht.
Vorurteil 3: Der Deutsche trinkt gerne Bier
Wahrheit: Auch dieses Vorurteil wirft die Umfrage über den Haufen. Wenn die Deutschen zwischen Bier und Wein wählen müssen, dann entscheiden sich 57 Prozent für ein Glas Wein. "Ich würde nicht sagen, dass Deutschland ein Land der Weintrinker ist, aber bei der Präferenz hat der Wein die Nase vorn", sagt Geißler. Absolut gesehen kaufen wir zwar fünfmal mehr Bier ein, dennoch ist Wein offenbar das Getränk, das der Durchschnittsbürger höher schätzt.
Vorurteil 4: Der Deutsche ist unterkühlt und menschenfeindlich
Wahrheit: Deutschland ist entgegen allen Klischees ein verschmustes Volk. 82 Prozent kuscheln gerne. Auch beim Thema Begrüßung nähern wir uns den Südländern immer mehr an. Das als distanziert geltende Händeschütteln ist out. Zumindest unter Freunden und besonders bei Frauen. Stattdessen sagen sich acht von zehn Frauen mit Küsschen rechts, Küsschen links oder einer Umarmung Hallo. Bei den Männern sind es nicht ganz so viele, immerhin ein Drittel begrüßt sich unter den Männern derart herzlich. Der Mehrheit der Deutschen geht es aber noch nicht herzlich genug zu. 47 Prozent finden, dass man sich in Deutschland zu wenig umarmt.
Vorurteil 5: Der Deutsche ist ein Vereinsmeier
Wahrheit: Der Satz "Wenn drei Deutsche sich treffen, gründen sie einen Verein" ist ein Vorurteil. Die Mehrheit der Deutschen sieht Vereine nämlich eher kritisch. Jeder Zweite empfindet sie als einengend. Zwar sind 40 Prozent Mitglied in einem Verein – vor allem aber in Sportclubs. Kegel-, Kleingarten- und Schützenvereine mögen die Befragten nicht.
Vorurteil 6: Der Deutsche ist prüde
Wahrheit: Der Durchschnittbürger ist tatsächlich brav. Lediglich vier Prozent führen eine offene Beziehung, und auch im Bett ist die Mehrheit eher spießig: 60 Prozent haben meistens in der Missionarsstellung Sex. Und sonst lässt der Deutsche in der Öffentlichkeit auch nicht unbedingt die Sau raus. 43 Prozent ist es zum Beispiel unangenehm, in öffentlichen Toiletten zu urinieren, wenn jemand neben ihnen sitzt. 28 Prozent können das gar nicht. Am peinlichsten ist es den Deutschen übrigens, wenn ihnen in der Öffentlichkeit ein Pups entfährt.
Vorurteil 7: Den Deutschen kommt nur Fleisch auf den Tisch
Wahrheit: Auch wenn es in der letzten Zeit viel Rummel um vegetarische und vegane Ernährung gegeben hat - an der Masse der Deutschen ist dieser Trend vorbeigegangen. Der typische Deutsche isst regelmäßig Fleisch. Nur sechs Prozent der Befragten ernährt sich vegetarisch. Der Anteil der Veganer ist mit zwei Prozent noch geringer. Allerdings sind viele bereit, ihren Fleischkonsum zu reduzieren.
Vorurteil 8: Der Deutsche macht am liebsten Urlaub am Ballermann
Wahrheit: Der deutsche Urlauber wird gerne als Pauschalreisender, Sandalen mit Socken tragender, meist angetrunkener Zeitgenosse dargestellt. Aber auf Strand und Party können nur 28 Prozent der Reisenden nicht verzichten – dagegen zeigen sich 62 Prozent interessiert an fremden Ländern und Menschen. "Ein Großteil hat Interesse an Kultur und Städtereisen und setzt sich nicht an den Strand und säuft", sagt Geißler. Ein bisschen Gewohnheitsmenschen sind die Befragten dann aber doch. Knapp die Hälfte sucht nämlich regelmäßig den gleichen Urlaubsort auf.
Vorurteil 9: Der Hund ist des Deutschen liebstes Tier
Wahrheit: An der Frage "Katze oder Hund" sind schon so manche Ehen gescheitert. Auch bei der Umfrage fällt die Entscheidung mit 43 zu 57 knapp für den Hund aus. Hier ging es aber nur um die Sympathiewerte. Tatsächlich besitzen 28 Prozent der Befragten eine Katze und nur 23 Prozent einen Hund. Hundehaufen stehen auf der Ekel-Liste übrigens ganz weit oben. 26 Prozent finden es zudem abstoßend, wenn ihnen ein Hund das Gesicht abschleckt.
Vorurteil 10: Der Deutsche feiert am liebsten Volksfeste
Wahrheit: Wer an das deutsche Partyvolk denkt, hat wohl als erstes das Bild vom Oktoberfest im Kopf. Ob mit "Humba Humba Tätärä" oder "Eins, zwei, gsuffa" – die Deutschen sind für ihre Volksfeste bekannt. Doch anders als die verbreitete Meinung, sind Volksfeste nichts für die Mehrheit. Der Durchschnittbürger feiert am liebsten im Freundeskreis, auf Hochzeiten oder Firmenfesten. Dann lassen es die Deutschen aber richtig krachen. Ein Viertel hatte schon einmal einen Filmriss. Jeder Zwanzigste ist neben einer Person aufgewacht, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte. Besonders beim Feiern ticken Deutsche offenbar anders, als das Ausland denkt.
Quelle: ntv.de