
Die Breitmaulnashörner sollen vor Wilderern geschützt werden und Geld verdienen.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
70 Nashörner werden per Flugzeug von Südafrika nach Ruanda geflogen - es ist die größte Umsiedelung großer Wildtiere in der Geschichte. Doch welchen Zweck verfolgt die umstrittene Naturschutzorganisation African Parks damit?
Vorsichtig guckt das Nashorn aus dem Container hinaus, in welchem es nun tagelang eingesperrt war. Auf einem Video, das auf der Onlineplattform X viral ging, ist zu sehen, wie die gewaltigen Tiere sich langsam aus den Transportcontainern hinauswagen und sich umschauen. Die Savanne im ruandischen Akagera-Nationalpark soll ihr neues Zuhause werden.
Zwei Tage waren die 70 Nashörner unterwegs, begleitet von Tierärzten. 3400 Kilometer haben sie zurückgelegt, zunächst auf Lastwagen von dem Gehege in Südafrika, wo sie gehalten wurden, bis zum Flughafen in der Stadt Durban, dann mit dem Flugzeug nach Ruanda. "Sie wurden dann vorsichtig mit Kränen in eine Boeing 747 verladen, zum internationalen Flughafen Kigali geflogen und schließlich auf der Straße zum Akagera-Nationalpark transportiert", so die Erklärung der ruandischen Investmentbehörde (RDB), die für die Nationalparks in dem kleinen Land zuständig ist. "In Zusammenarbeit mit @AfricanParks stellt Ruanda das Ökosystem des Parks wieder her und schützt die Nashornpopulationen für zukünftige Generationen", lobt RDB die teure und aufwendige Aktion.
Die seltenen weißen Nashörner, auf Deutsch Breitmaulnashorn genannt, sind vom Aussterben bedroht. In der Kolonialzeit wurde im großen Stil auf sie Jagd gemacht. Von der Untersorte der südlichen Breitmaulnashörner gibt es gerade einmal noch 17.000 Exemplare auf dem Kontinent, so die Angaben der Internationalen Naturschutzorganisation IUCN, fast alle in Südafrika. Von der verwandten Sorte der Nördlichen Breitmaulnashörner gibt es gerade einmal noch zwei Exemplare, beide weiblich. Sie werden in Kenia geschützt. Das letzte männliche Exemplar ist 2018 gestorben.
Jetzt sollen sich die 70 umgesiedelten, südlichen Breitmaulnashörner in Ruanda weiter vermehren. Doch dahintersteckt auch ein wirtschaftliches Motiv. Denn in der Branche des in Afrika lukrativen Safari-Tourismus wird stets mit den sogenannten "Big Five" Werbung gemacht, also den größten Wildtier-Arten: Löwen, Elefanten, Leoparden, Büffeln - und Nashörnern. Und wenn es diese natürlich in den Nationalparks nicht gibt, dann müssen sie eben importiert werden, so der Ansatz der Organisation African Parks, die Ruandas Akagera-Nationalpark im Auftrag der ruandischen Regierung verwaltet.
Im Auftrag der Menschheit
Der Akagera-Park in Ruanda gilt als Aushängeschild, als Erfolgsmodell. In nur zehn Jahren, seitdem African Parks das Naturschutzgebiet verwaltet, hat er durch Eintrittsgelder der Touristen so viel Geld eingespielt, dass der Park sich inzwischen selbst finanziert und nicht mehr mit Spendengeldern unterhalten werden muss. Um das zu erreichen, mussten die "Big Five" angesiedelt werden: 2015 wurden aus Südafrika Löwen eingekauft, 2017 kamen 18 schwarze Nashörner dazu - und jetzt auch die weißen Nashörner. Mittlerweile rühmt sich der Park für seine "Big Five"-Safaritouren - unter Wildtierliebhabern ein wichtiges Kriterium.
African Parks ist keine normale Naturschutzorganisation, sondern ein profitorientiertes Unternehmen, das sich auf die Fahne geschrieben hat, Afrikas Natur und Wildtiere zu retten. Laut eigenen Angaben hat sie in den vergangenen fünf Jahren durch Safari-Tourismus 27 Millionen Dollar eingenommen, die in den Ausbau weiterer Nationalparks investiert werden sollen - im Auftrag der Menschheit sozusagen.
Die Weltgemeinschaft hat Ende 2022 entschieden, bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der Erdoberfläche unter Naturschutz zu stellen. Seitdem werden weltweit immer mehr Naturschutzgebiete gegründet und erweitert. African Parks spielt dabei auf dem afrikanischen Kontinent eine wichtige Rolle, dieses Ziel zu erreichen. Eigenen Angaben zufolge beabsichtigt African Parks eine Milliarde US-Dollar bereitzustellen, um bis 2030 genau 30 Nationalparks in Afrika zu verwalten - das sind weit über 20 Millionen Hektar Landmasse, die dann von den schwer bewaffneten und militärisch ausgebildeten Wildhütern kontrolliert würden.
Folter, Vergewaltigung, Vertreibung - die Methoden der Naturschützer
Doch zu welchem Preis? Zwei Jahre dauerten die Untersuchungen zu den Vorwürfen, dass die Wildhüter von African Parks in der Republik Kongo Menschen der indigenen Volksgruppe der Baka misshandelt haben sollen. Konkret ist die Rede von Folter, Vergewaltigung und Zwangsvertreibung von Indigenen, die einst das Gebiet bewohnten, auf dem sich heute der Odzala-Kokoua-Nationalpark befindet, der ebenfalls von African Parks verwaltet wird.
Die ersten Vorwürfe wurden bereits 2023 publik gemacht, unter anderem von der Menschenrechtsorganisation Survival International, die sich weltweit für die Rechte von Indigenen einsetzt. Der Skandal machte damals Schlagzeilen, weil der britische Prinz Harry im Vorstand der Organisation vertreten ist, eine von zahlreichen Wohltätigkeits- und Naturschutzorganisationen, die die Königsfamilie seit Kolonialzeiten in Afrika unterstützt. Survival International forderte den Prinzen auf, von seiner Funktion zurückzutreten - vergeblich.
African Parks hat Ende 2023 die Londoner Anwaltskanzlei Omnia Strategy beauftragt, die Vorfälle zu untersuchen. "African Parks ist sich bewusst, dass es in einigen Fällen zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist", gab die Organisation im Mai in einer kurzen Erklärung zu: "Wir bedauern zutiefst den Schmerz und das Leid, das den Opfern zugefügt wurde."
In einem Bericht der Kanzlei wurde ausgeführt, dass insgesamt 21 Fälle von mutmaßlichen Menschenrechtsverbrechen untersucht wurden, darunter Vergewaltigung, Folter, illegale Tötungen und willkürliche Verhaftungen. Insgesamt seien auf mehreren Reisen in den Nationalpark Odzala-Kokoua in der Republik Kongo und nach Südafrika, wo African Parks seinen Hauptsitz hat, mehr als 180 Menschen dazu befragt worden. Neben den betroffenen Baka waren darunter auch die Wildhüter - also die mutmaßlichen Täter, die von African Parks militärisch ausgebildet und mit Waffen ausgestattet werden.
"Die Gewaltkultur ist den afrikanischen Wildhütern von weißen Trainern aus Südafrika, Frankreich oder Israel beigebracht worden, welche die Indigenen als Wilderer betrachten und behandeln", so Olivier van Beemen, niederländischer Journalist und Autor des Buches "Im Namen der Tiere", das 2024 auch auf Deutsch veröffentlicht wurde. Beemen hat die Geschichte von African Parks recherchiert. Das einst profitorientierte Unternehmen wurde im Jahr 2003 von dem niederländischen, mittlerweile verstorbenen Unternehmer Paul van Vlissingen in den Niederlanden mitgegründet, dessen Familie in der Kolonialzeit enorm wohlhabend geworden ist. Mittlerweile hat es seinen Hauptsitz in Südafrika und ist als Naturschutzorganisation registriert.
Beemen selbst wurde bei seiner Recherche in Benin verhaftet. Später hat die Führungsebene der Organisationen ihn damit konfrontiert. Diese habe ihm gegenüber argumentiert, sie hätten insgesamt 16.000 Menschen in den vergangenen Jahren verhaftet - alle wegen mutmaßlicher Wilderei - davon seien nur zehn Fälle von Gewalt gegen die Festgenommen dokumentiert, also im Vergleich eine geringe Zahl, so Beemen: "Diese Leute hinterfragen ihre Ansätze nicht."
Noch in diesem Jahr sind weitere Umsiedlungen geplant. Peter Fearnhead, der Geschäftsführer von African Parks, sagte, die Ankunft der Nashörner im Akagera-Park sei nur der Anfang einer vielschichtigen, langfristigen und komplexen Naturschutzmaßnahme. Zu den zu erwartenden Gewinnen oder Menschenrechtsverletzungen sagte er nichts.
Quelle: ntv.de