Panorama

Experten erklären Blackout Was könnte zum massiven Stromausfall in Spanien geführt haben?

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Auch in Kliniken fiel die Energieversorgung aus. Das Krankenhauspersonal konnte dank Notstromaggregaten aber nach einer kurzen Unterbrechung weiterarbeiten.

Auch in Kliniken fiel die Energieversorgung aus. Das Krankenhauspersonal konnte dank Notstromaggregaten aber nach einer kurzen Unterbrechung weiterarbeiten.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Im Südwesten Europas fällt der Strom aus, darunter in ganz Spanien. Bis zum Morgen ist er nicht komplett wiederhergestellt. Was den Blackout ausgelöst hat, ist bisher unklar. War es ein Hackerangriff? Experten sehen die Ursache vielmehr in der Technik und dem Wetter.

In ganz Spanien, Portugal und Andorra sowie Teilen Frankreichs fällt gleichzeitig der Strom aus. Sofort drängt sich eine Frage auf: Wie kann das möglich sein? Während die Behörden in Spanien, wo die Ursache für den Blackout vermutet wird, und die Europäische Kommission ermitteln, erklären erste Experten, was ihrer Ansicht nach der Auslöser sein könnte.

Energieexperte Bruno Burger sieht in seinen Systemen, dass es um 12.33 Uhr "in ganz Europa einen Frequenzeinbruch" im Stromnetz gab, sagte er der "Zeit": "Dabei ist die Frequenz von 50 Hertz auf 49,84 Hertz eingebrochen", so der Experte vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Dies passiere, wenn zu viele Verbraucher zur selben Zeit ihre Geräte am Stromnetz nutzen.

Auch wenn der Abfall für Otto Normalverbraucher nach wenig klingt, ist in Spanien demnach ein enormes Defizit eingetreten. "In den Daten sehe ich, dass 2,2 Gigawatt ausgefallen sind - das entspricht ungefähr der Kapazität einer Hochspannungsleitung oder zwei Blöcken eines Kernkraftwerks", sagte Burger.

Viele - sowohl Internetnutzer als auch spanische Politiker - halten einen Cyberangriff für denkbar. Laut EU-Ratspräsident António Costa gibt es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch "keine Hinweise auf einen Cyberangriff". Ähnlich äußerte sich auch der Cybersicherheitsexperte Lukasz Olejnik. Auf X schrieb er: "Der Grund ist kein Cyberangriff." Ein Angriff "könnte sich beispielsweise gegen Transformatoren oder Umspannwerke richten und die Hardware so lange beschädigen, bis sie ausfällt. Die Koordinierung eines so großen und synchronisierten Angriffs wäre jedoch äußerst schwierig", führte Olejnik, der Cyberexperte am King's College in London ist, gegenüber "El País" aus.

Olejnik warnte vor dem Verbreiten ungesicherter Informationen. "Es gibt kein eindeutiges Anzeichen, das uns mit Sicherheit sagen lässt, dass dieser Stromausfall durch einen Cyberangriff verursacht wurde. Alle bisherigen Beobachtungen können auch durch normale, nicht böswillige Ursachen erklärt werden", erklärte er auf X weiter.

Spanien wegen schlechter Leitungen ohne Strom

In Europa gibt es einen Stromverbund. Alle Länder speisen ihre produzierte Energie in ein gemeinsames Netz. Das kann Ausfälle kompensieren, wenn sie einmal auftreten. In diesem Fall klappte das nicht, weil "Spanien und Portugal über Frankreich nicht so stark an das Verbundnetz angebunden sind", so Burger. Die Leitungen zwischen Frankreich und Spanien seien sehr schwach, urteilte der Fraunhofer-Professor. "Portugal hat sowieso nur Spanien als direkten Nachbarn", da könne niemand einspringen, wenn es östlich des Landes zum Schadensfall kommt.

Burger erklärte weiter, dass das Prinzip des europäischen Energieverbundes generell nicht anfälliger sei, als wenn sich jedes Land selbst versorge. "Im Verbund können alle einspringen und sich gegenseitig helfen." Sollte es zu Frequenzabfällen kommen, würden Kraftwerkreserven "sofort aktiviert" werden, was zur Absicherung führe. Allerdings: "Wenn die Leitung zwischen Frankreich und Spanien zu schwach ist, dann bringt es auch nichts, wenn die Pumpspeicher in Deutschland, der Schweiz oder Österreich schnell mehr Strom produzieren." Die Energie komme schlichtweg nicht dort an, wo sie gebraucht wird.

In Spanien werden jetzt Speicherwasser- und Pumpspeicherkraftwerke rasch wieder ans Netz genommen. Die ersten Regionen werden bereits mit Strom versorgt. Ein größeres Problem stellen jedoch klassische Kraftwerke dar, die den Großteil der Energie liefern: "Die Kernkraftwerke wurden komplett vom Netz genommen und können nach einer Schnellabschaltung erst nach einem Tag wieder Strom erzeugen." Erst wenn die Versorgung in einem Gebiet wiederhergestellt sei, können sich die Verbraucher zuschalten, sagte Burger.

Andere These: Temperaturschwankungen

Der spanische Stromnetzbetreiber Red Eléctrica ermittelt noch zu den Hintergründen des Blackouts und will nicht zu möglichen Ursachen spekulieren. Ganz anders die Kollegen in Portugal. Das Energieunternehmen REN schiebt den Spaniern im Gespräch mit BBC nämlich indirekt die Schuld zu.

"Aufgrund extremer Temperaturschwankungen im Landesinneren von Spanien kam es zu anomalen Schwingungen in den Höchstspannungsleitungen (400 KV), ein Phänomen, das als 'induzierte atmosphärische Vibration' bekannt ist", teilte REN dem britischen Sender mit. "Diese Schwankungen führten zu Synchronisationsfehlern zwischen den elektrischen Systemen und damit zu aufeinanderfolgenden Störungen im gesamten europäischen Verbundnetz."

Eine Netzschwankung wie die heutige in Spanien sieht Stromexperte Burger "häufig" in Deutschland. Dennoch bricht hier nicht die Versorgung ein. "Das wird normalerweise schnell ausgeregelt", vor allem durch andere Kraftwerke, sagte er.

In Deutschland keine Gefahr

Hierzulande sei solch ein "großflächiger, langanhaltender Blackout unwahrscheinlich", erklärte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur auf Anfrage von RTL und ntv. "Das elektrische Energieversorgungssystem ist redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen", bestätigte sie Burgers Aussagen. Sie betonte, dass diese Sicherung "kontinuierlich auf ihre Eignung geprüft" und im Bedarfsfall angepasst werde.

Auch Amprion, das die Aufgabe hat, die Netzfrequenz in Deutschland und der Schweiz zu überwachen, geht nicht davon aus, dass sich das Szenario auf Deutschland ausdehnen könnte. "In Deutschland und in den umliegenden Staaten läuft das Übertragungsnetz im Normalbetrieb", sagte ein Sprecher zur Deutschen Presse-Agentur.

Quelle: ntv.de, mpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen