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Hören besser zu als Erwachsene Wenn Kinder Katzen im Tierheim vorlesen

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Zoe im Tierheim in Drakenburg und ihre Zuhörer.

Zoe im Tierheim in Drakenburg und ihre Zuhörer.

(Foto: dpa)

Vorlesestunde für Katzen? In einem niedersächsischen Tierheim klappt das gut. Was die Kids dabei erleben - und warum einige Menschen von dem Projekt begeistert sind.

Mit einem dicken Buch gehen die beiden Mädchen ins Katzengehege des Tierheims Drakenburg im Landkreis Nienburg/Weser. "Sie hören einem mehr zu als Erwachsene", sagt die zehnjährige Joelle über die schnurrenden Vierbeiner. "Ich lese, und dann setzen die sich zu mir, schmusen mit mir und legen sich auch manchmal auf meinen Schoß."

Auch die zwölfjährige Zoe freut sich über die Tiere. "Die meisten Katzen legen sich einfach hin und hören zu", erzählt sie. Das sei angenehm, denn von Menschen werde sie beim Lesen oft unterbrochen.

Die beiden Mädchen kommen jede Woche ins Tierheim. Gemeinsam mit fünf weiteren Kindern sind sie beim Projekt "Kinder lesen Katzen vor" dabei, das die Beratungsstelle des Landkreises Nienburg mit dem Tierheim Drakenburg organisiert.

Gegenseitige Unterstützung

Durch die regelmäßigen Besuche sollen die Mädchen und Jungen mehr Freude am Lesen bekommen, ihre Lesefähigkeit verbessern und sich emotional positiv entwickeln, wie Projektleiterin Catherine Tannahill von der Beratungsstelle des Landkreises Nienburg berichtet.

"Die Kinder dürfen ihre Lieblingsbücher mitbringen und entscheiden dann selber, was sie vorlesen möchten." Jedes Kind liest zehn bis fünfzehn Minuten - begleitet von einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle. Danach können sich die Mädchen und Jungen noch ohne Buch mit den Katzen beschäftigen.

Zoe ist gerne bei den Tierheimkatzen. Viele von ihnen hätten schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, sagt sie. Nach dem Vorlesen fühle sie sich gut, weil sie den Eindruck habe, ihnen ein bisschen geholfen zu haben. Außerdem könne sie ihr eigenes Lesen und Vorlesen stärken.

Joelle ist ähnlich begeistert. "Also ich fühle mich schon echt stolz, dass ich so was auch machen kann, weil manche Kinder können in meinem Alter auch noch nicht so gut lesen."

Das Projekt läuft seit Anfang des Jahres, und Leiterin Tannahill freut sich über die Wirkung. Neben den Mädchen und Jungen, die sichtlich Spaß am Vorlesen und mit den Katzen haben, gebe es viele positive Stimmen aus dem Umfeld der Kinder. Eine Mutter habe erzählt, dass sich ihre Tochter nach Streitsituationen nun entschuldigen könne. Ein anderes Mädchen sei umgänglicher geworden. "Und eine Lehrerin hat berichtet, dass ein Mädchen in der Schule nicht mehr so schnell wütend wird und viel kooperativer ist."

Katzen reagieren unterschiedlich

Auch für die Katzen sind die Besuche der Kinder eine gute Erfahrung, wie Tierheimleiterin Megan Foster berichtet. Demnach genießen sie die ruhigen Stimmen. Zudem könnten die Tiere den Umgang mit Kindern lernen, bevor sie möglicherweise in eine Familie mit Kindern vermittelt werden.

Auf die Kinder reagieren die Katzen demnach unterschiedlich. "Wir haben sehr schüchterne Katzen beziehungsweise traumatisierte Katzen. Die gucken höchstens irgendwann ein bisschen neugierig aus dem Kratzbaum raus, kommen vielleicht minimal mal zum Schnuppern." Andere Katzen krabbelten während des Vorlesens auf das Buch oder den Schoß des Kindes. Durch das Projekt könnten die Kinder viel über den Umgang mit Katzen lernen.

In Niedersachsen und auch bundesweit gibt es ähnliche Projekte oder Aktionen in Tierheimen, wie der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Niedersachsen, Dieter Ruhnke, auf Nachfrage mitteilt. "Oft handelt es sich jedoch um Einzelinitiativen, nicht um strukturierte Programme."

Die Initiativen seien sowohl aus pädagogischer als auch tierschutzfachlicher Sicht wertvoll. Kinder lernten durch den Umgang mit Tieren Achtsamkeit, Rücksicht und Empathie. "Sie erleben, dass ihr Verhalten unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden eines Lebewesens hat." Gleichzeitig profitierten die Tiere. "Sie erleben positive, ruhige soziale Interaktionen, die stressreduzierend wirken und bei den Tieren die Vermittlungschancen erhöhen."

Die zwölfjährige Zoe könnte sich weitere Besuche auch in anderen Bereichen des Tierheims vorstellen. "Also wenn ich die Auswahl hätte hier im Tierheim, würde ich gerne allen Tieren einmal vorlesen", sagt sie.

Quelle: ntv.de, Helen Hoffmann, dpa

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