RKI-Präsident zu Corona-Zahlen Wieler: Lage "kann schnell wieder kippen"
10.12.2020, 10:54 Uhr
Die wieder stark steigenden Infektionszahlen in Deutschland bereiten dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Wieler, große Sorge. Er warnt vor einem erneuten exponentiellen Wachstum und verteidigt die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hält den zuletzt wieder registrierten Anstieg bei den Corona-Neuinfektionen für "besorgniserregend". "Die Lage ist nach wie vor sehr ernst", sie habe sich seit der vergangenen Woche verschlechtert, sagte Wieler in Berlin. "Das Infektionsgeschehen kann schnell wieder kippen", warnte er, es könne schnell wieder zu einem exponentiellen Wachstum der Neuinfektionen in Deutschland kommen. Das Plateau, auf dem man sich befinde, sei "äußerst fragil", sagte Wieler.
Der Mediziner erklärte die Situation damit, dass das Coronavirus in der Bevölkerung sehr verbreitet sei. Umso wichtiger sei es deshalb, die Schutzmaßnahmen einzuhalten. Nach Angaben des RKI ist besonders die Lage in den Alten- und Pflegeheimen schwierig. Es gebe dort aktuell fast doppelt so viele Ausbrüche wie im Frühjahr. Pro Ausbruch seien im Durchschnitt fast 20 Menschen betroffen. Die Zahl der Infizierten, die in Alten- und Pflegeheimen lebten oder arbeiteten, steige seit Mitte Oktober kontinuierlich an. Mehr als 13.000 der bekannten Todesfälle seien Menschen gewesen, die älter als 80 Jahre gewesen seien. Die Inzidenz bei den über 80-Jährigen liege im Moment bei 248 Fällen pro 100.000 Personen. Die Gesamtinzidenz in Deutschland lag am Dienstag bei 164.
Der RKI-Präsident verteidigte auch den Entwurf einer Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission. Demnach sollen zuerst Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, über 80-Jährige sowie medizinisches Fachpersonal und Pflegekräfte geimpft werden. Am Anfang sei der Impfstoff nur begrenzt vorhanden, sagte Wieler. Daher müsse priorisiert werden. Das bedeute nicht, dass andere Gruppen nicht wichtig wären. "Es ist klar, dass das Alter der größte Risikofaktor für eine schwere Covid-19-Erkrankung ist", sagte Wieler.
Wenn die Bürger nicht freiwillig ihre Kontakte um insgesamt 60 Prozent senkten, müsse man sich eben andere Maßnahmen überlegen, sagte er. "Dann sehe ich keine anderen Möglichkeiten." Wichtigste Maßnahme sei, dass die von Bund und Ländern beschlossenen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen über Weihnachten nicht kämen, sagte Wieler. Unabhängig von den Entscheidungen der Politik könne er nur an jeden Bürger appellieren, Kontakte möglichst einzuschränken und sich selbst zu schützen, sagte Wieler. Der Bildungsstand in Deutschland sei hoch, "wir sind ein cleveres Volk". Er könne nur dazu ermutigen, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Das könnten nicht alle in der Gesellschaft, aber sehr, sehr viele Menschen.
Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Corona-Neuinfektionen hatte bis Donnerstagfrüh einen Höchststand erreicht: Die Gesundheitsämter übermittelten dem RKI 23.679 Neuinfektionen, wie aus den Zahlen hervorging. Der bisherige Rekordwert war am 20. November mit 23.648 gemeldeten Fällen erreicht worden. Bereits im Lagebericht vom Mittwoch schrieb das RKI, seit dem 4. Dezember sei ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen zu beobachten.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP