"Rechter Kampfbegriff" "Remigration" ist das "Unwort des Jahres"
15.01.2024, 09:06 Uhr Artikel anhören
Das "Unwort des Jahres" wurde nach verschiedenen Kriterien aus Vorschlägen ausgewählt, die Bürger bis zum 31. Dezember 2023 eingereicht hatten.
(Foto: picture alliance / SULUPRESS.DE)
Selten war ein "Unwort des Jahres" so tagesaktuell: Wie die Jury der sprachkritischen "Unwort"-Aktion bekannt gibt, macht diesmal das Wort "Remigration" das Rennen. Dieses sei eine beschönigende Tarnvokabel, heißt es.
"Remigration" ist das "Unwort des Jahres" 2023. Das gab die Jury der sprachkritischen "Unwort"-Aktion in Marburg bekannt. Wenn Rechtsextremisten den Begriff "Remigration" verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.
"Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden", begründete die Jury ihre Entscheidung. Man kritisiere die Verwendung des Wortes, weil es im vergangenen Jahr als "rechter Kampfbegriff, beschönigende Tarnvokabel und ein die tatsächlichen Absichten verschleiernder Ausdruck gebraucht wurde".
Mit ihrer "Unwort"-Auswahl greift die mehrheitlich aus Sprachwissenschaftlern bestehende Jury eine hochaktuelle Debatte auf. Am vergangenen Mittwoch hatte das Medienhaus Correctiv Rechercheergebnisse zu einem Treffen in einer Potsdamer Villa veröffentlicht, an dem im November auch einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort über "Remigration" gesprochen.
"Sozialklimbim" und "Heizungs-Stasi"
Die Sprachwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin Constanze Spieß hatte bereits im Dezember berichtet, dass "Remigration" unter den Einsendungen für die "Unwort"-Kür war - also schon vor der nun aktuellen Debatte. Auf Platz zwei setzte die Jury den Begriff "Sozialklimbim", der im Zuge der Debatte um die Kindergrundsicherung verwendet worden sei. Durch diese Wortwahl werde die Gruppe einkommens- und vermögensschwacher Personen herabgewürdigt und diffamiert und zugleich die Gruppe der Kinder, die von Armut betroffen oder armutsgefährdet seien, stigmatisiert.
Den dritten Platz belegt der Begriff "Heizungs-Stasi". Die Jury kritisierte den mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz verwendeten Ausdruck als "populistische Stimmungsmache gegen Klimaschutzmaßnahmen".
Das "Unwort des Jahres" wurde nach verschiedenen Kriterien aus Vorschlägen ausgewählt, die Bürger bis zum 31. Dezember 2023 eingereicht hatten. Insgesamt gab es dieses Mal 2301 Einsendungen, das waren deutlich mehr als im vorangegangenen Jahr. Sie enthielten 710 verschiedene Begriffe, von denen knapp 110 den Kriterien der Jury entsprachen.
Als "Unwort des Jahres" kommen nach Angaben der Verantwortlichen Begriffe und Formulierungen infrage, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind. Wie häufig ein Begriff vorgeschlagen wurde, ist nicht entscheidend für die "Unwort"-Kür. Für 2022 war die Wahl auf "Klimaterroristen" gefallen.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa