Politik

Bilanz eines Kriegsjahres 365 Tage Tod, Vertreibung und Leid in der Ukraine

Die Verbrechen in der Stadt Butscha sind zu einem der prägendsten Symbolbilder des Ukraine-Kriegs geworden.

Die Verbrechen in der Stadt Butscha sind zu einem der prägendsten Symbolbilder des Ukraine-Kriegs geworden.

(Foto: picture alliance/dpa/ukrinform)

Zahlen erfassen das Leid der Menschen in der Ukraine kaum, aber auch sie sind Ausdruck eines zerstörerischen Krieges, der bereits Hunderttausende Opfer gefordert hat. Die weitreichende Zerstörung des Landes wirft die Ukraine in ihrer Entwicklung um Jahre zurück. Ein Überblick.

Als Russlands Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 den Angriff auf die Ukraine befahl, begann er einen Krieg, der zur Tötung von Zehntausenden Menschen, der Zerstörung ganzer ukrainischer Städte und schwersten wirtschaftlichen Schäden führte.

Verluste bei den Streitkräften

Nach jüngsten Schätzungen aus Norwegen sind bei den Kämpfen 180.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden und 100.000 Soldaten aufseiten der ukrainischen Armee. Andere westliche Schätzungen gehen von 150.000 Opfern auf jeder Seite aus. Im Vergleich dazu hat der Afghanistan-Krieg der Sowjetunion von 1979 bis 1989 rund 15.000 sowjetische Soldaten das Leben gekostet.

Verluste in der Zivilbevölkerung

Insgesamt sind westlichen Quellen zufolge zwischen 30.000 und 40.000 Zivilisten in der Ukraine ums Leben gekommen. Ende Januar schätzte die UNO, dass mindestens 18.000 Zivilisten getötet oder verwundet wurden, aber im Endeffekt wahrscheinlich sehr viel mehr. Die meisten seien durch russische Bombardierungen getötet worden.

Die ukrainischen Behörden geben an, dass mindestens 400 Kinder getötet wurden. Nach Angaben von Kiew sind inzwischen 30 Prozent des Gebiets der Ukraine vermint. Human Rights Watch beschuldigt ukrainische Truppen, Anti-Personen-Minen in der östlichen Region Isjum gelegt zu haben. Die Beseitigung der Landminen könnte Experten zufolge Jahrzehnte dauern.

Kriegsverbrechen

EU-Justizkommissar Didier Reynders spricht von bisher rund 65.000 registrierten mutmaßlichen Kriegsverbrechen. Experten der UNO warfen Russland vor, in der Ukraine Kriegsverbrechen "in massivem Umfang" begangen zu haben, darunter Exekutionen, Folter und sexuelle Gewalt.

Kiew erhebt auch den Vorwurf, dass Moskau mehr als 16.000 Kinder nach Russland oder in Regionen deportiert hat, die von prorussischen Separatisten kontrolliert werden. Mehrere regierungsunabhängige Organisationen haben die Ukraine beschuldigt, die Rechte von russischen Kriegsgefangenen zu verletzen.

Die Front

Die "aktive" Front verlaufe von Nord nach Süd auf etwa 1500 Kilometern, sagt der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Einer der Brennpunkte der Kämpfe ist die Stadt Bachmut, die von vielen ukrainischen Soldaten als "Hölle auf Erden" bezeichnet wird.

Dort sind russische Soldaten und Söldner der paramilitärischen Wagner-Gruppe in den vergangenen Wochen vorgerückt. Nach Angaben des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington kontrollieren russische Truppen derzeit etwa ein Fünftel der Ukraine. Nach Angaben Saluschnyjs hat die ukrainische Armee rund 40 Prozent des von Russland zu Anfang der Invasion besetzten Gebiets allerdings zurückerobert.

Angeschlagene Wirtschaft

Russland hat in den Wintermonaten gezielt Militärschläge gegen das Stromnetz der Ukraine verübt, was zu massiven Ausfällen bei Stromversorgung und Heizung führte. Die Weltbank schätzte im Oktober, dass die Wirtschaft des Landes 2022 um 35 Prozent geschrumpft ist.

Die Kyiv School of Economics KSE erklärte im Januar, es könnte 138 Milliarden Dollar kosten, die im Krieg zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen. In der Landwirtschaft liegen die wirtschaftlichen Verluste der Ukraine, einer der Kornkammern der Welt, laut KSE-Schätzungen vom November bei 34 Milliarden Dollar. Die Kosten für den gesamten Wiederaufbau der Ukraine schätzen EU und Weltbank auf etwa 350 Milliarden Dollar.

Millionen Flüchtlinge

Mehr als acht Millionen Ukrainer sind nach Angaben des UNHCR seit Kriegsbeginn geflüchtet, die meisten von ihnen nach Polen, wo 1,5 Millionen untergekommen sind. 1,1 Millionen Ukrainer kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit Kriegsbeginn nach Deutschland, darunter überwiegende Frauen und Kinder. Über 130.000 kehrten auch wieder zurück. Mehr als fünf Millionen Ukrainer wurden laut UNHCR innerhalb des Landes vertrieben. Nach Angaben aus Moskau flohen fünf Millionen Menschen nach Russland. Die ukrainische Führung beschuldigt Russland, Zwangsevakuierungen vorgenommen zu haben.

Westliche Militärhilfe

Als Russland die Ukraine angriff, verfügte die ukrainische Armee über weitgehend veraltetes Gerät aus den Zeiten der Sowjetunion. Mittlerweile haben die USA HIMARS-Raketenwerfer mit einer Reichweite von 80 Kilometern geliefert, die denen der russischen Seite überlegen sein sollen.

Im November schätzte das Kieler Institut für Weltwirtschaft, dass die westlichen Verbündeten der Ukraine bis zu diesem Zeitpunkt Militärhilfe im Umfang von fast 38 Milliarden Euro zugesagt haben. Darin sind die im Januar angekündigten Panzerlieferungen Deutschlands, weiterer europäischer Staaten und der USA noch nicht enthalten.

Quelle: ntv.de, als/AFP

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen