Politik

EU weiter uneins über Verteilung 42.000 Flüchtlinge für kommende Tage erwartet

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(Foto: REUTERS)

Kommissionspräsident Juncker will die Flüchtlingsquote für die EU durchsetzen. Aus vielen Ländern regt sich Widerspruch, doch es gibt auch Zugeständnisse. Das UNHCR prognostiziert erst für November einen Rückgang der Zahlen. Aktuell seien 42.000 Menschen auf der Balkan-Route unterwegs.

Das gegenwärtige Ausmaß der Flüchtlingskrise in Europa wird sich nach Einschätzung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR frühestens im November abschwächen. "Bis Ende Oktober ist keine Änderung zu erwarten", sagte Europa-Direktor Vincent Cochetel. Allein in den nächsten zehn Tagen sei mit 42.000 weiteren Flüchtlingen auf der Balkan-Route über Griechenland, Serbien und die Türkei zu rechnen. In Griechenland seien zurzeit 30.000 Menschen unterwegs, in Mazedonien 7000.

Von den nach Europa flüchtenden Menschen kommen nach UNHCR-Angaben 85 Prozent aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. "Wir sind überzeugt, dass sich das Problem managen lässt", sagte Cochetel. Allerdings werde eine Lösung dadurch erschwert, dass es kein Vertrauen unter den europäischen Staaten gebe. "Diese Krise lässt sich nicht allein von Deutschland lösen", mahnte Cochetel.

Am Mittwoch will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen Vorschlag bekanntgeben, wie viele Flüchtlinge einzelne EU-Staaten aufnehmen sollen. Es geht um insgesamt 160.000 Menschen, die bereits in Europa angekommen sind. Die verbindlichen Quoten sind umstritten. Juncker will in Straßburg seine erste Rede zur "Lage der Union" halten. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die EU-Staaten erneut auf, bei der Aufnahme der Asylbewerber mehr Solidarität zu zeigen. Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven, der Merkel in Berlin besuchte, schloss sich dieser Forderung an. Deutschland und Schweden nehmen derzeit die meisten Asylbewerber in der EU auf.

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Dänemark bleibt hart

Dänemark allerdings schickte erstmals eine Gruppe von Flüchtlingen nach Deutschland zurück, von wo sie eingereist waren. "Das sind Menschen, die kein Asyl (in Dänemark) wollen und die deshalb illegal hier sind", erklärte die Polizei im Süden des Landes. "Sie wurden abgeschoben und dürfen zwei Jahre lang nicht mehr einreisen." Demnach wurde zunächst eine Gruppe von 20 Flüchtlingen per Bus an die deutsche Grenze gebracht. Weitere würden nach der Bearbeitung der Papiere folgen.

Unterdessen entschied die Polizei in Lübeck, nach dem Zwangsstopp eines Fernzuges mit 200 Flüchtlingen an Bord, diese nach Kopenhagen weiterreisen zu lassen. Es bleibe in Schleswig-Holstein beim Prinzip "keine Gewalt", sagte der Leitende Polizeidirektor Joachim Gutt. Das sei eine "polizei-operative, keine politische Entscheidung", betonte er. 170 Flüchtlinge hätten sich geweigert, in Erstaufnahmerichtungen im Norden gebracht zu werden. 70 von ihnen sind bereits nach Kopenhagen unterwegs, die restlichen 100 sollten am Abend in Lübeck in einen Zug steigen. Weitere 30 Flüchtlinge wurden in Einrichtungen in Schleswig-Holstein untergebracht.

Polen und Spanien geben nach

Mehrere Abgeordnete aus anderen osteuropäischen Ländern bekräftigten ihre Absage an die geplanten verbindlichen Aufnahmequoten durch die EU. Jedes Land müsse das Recht haben, selbst über seine Einwanderungspolitik zu entscheiden, betonte der tschechische Konservative Tomas Zdechovsky.

Auch Polen hält an seiner Ablehnung der EU-Quoten fest, ist aber zu Zugeständnissen bei der Zahl aufzunehmender Flüchtlinge bereit - unter Bedingungen. "Wir sind bereit, mehr zu tun", sagte Regierungschefin Ewa Kopacz. "Angesichts dieser humanitären Krise muss Polen solidarisch sein, aber auch verantwortlich. Darum ist es wichtig, dass wir in dieser schwierigen Angelegenheit mit einer Stimme sprechen", sagte sie. Knapp sechs Wochen vor den Parlamentswahlen will sie die Opposition an der Entscheidung beteiligen.

Bisher hat sich Polen zur Aufnahme von 2000 Flüchtlingen verpflichtet. Ehe diese Zahl gesteigert werden kann, müssten drei Bedingungen erfüllt werden, sagte Kopacz. So müsse eine Liste sicherer Drittstaaten festgelegt werden, in die Armutsmigranten "hart und konsequent" abgewiesen würden. Außerdem müssten die EU-Außengrenzen gesichert werden. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, als ob Europa die Kontrolle über seine Grenzen verloren hat. Polen behalte sich ferner die Prüfung der Flüchtlinge vor, um sicher zu sein, dass diese "keine schlechten Absichten haben", sagte Kopacz.

Spanien gab unterdessen seine zögerliche Haltung zur Aufnahme von Flüchtlingen auf und erklärte, es werde so viele Menschen aufnehmen, wie die EU es vorschlägt. Bislang hatte die konservative Regierung unter Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit und die direkt in Spanien ankommenden Migranten erklärt, das Land könne nur eine sehr begrenzte Anzahl zusätzlich einlassen. Nun sagte Vize-Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria in einem Fernsehinterview, Spanien werde dem Wunsch der EU nachkommen. Konkrete Zahlen nannte sie nicht. Nach dem geplanten EU-Schlüssel dürften insgesamt mehr als 19.000 Asylbewerber auf Spanien entfallen.

Mehrere Tausend steuern Budapest an

In Ungarn bleibt die Situation bei der Aufnahme von Flüchtlingen laut UNHCR zwar problematisch. Die ungarische Polizei leiste aber insgesamt gute Arbeit, sagte Europa-Direktor Cochtel. Wenn das UNHCR mehr Unterstützung als bisher in Europa leisten solle, müssten die UN-Mitgliedsstaaten mehr Mittel dafür bereitstellen.

In der Nähe der serbischen Grenze durchbrachten mehrere Hundert Flüchtlinge eine Polizeiabsperrung. Männer, Frauen und Kinder machten sich zu Fuß auf in Richtung Nordosten, teils entlang einer Eisenbahnlinie. Sie gehörten zu einer Gruppe von etwa 1500 Flüchtlingen, die bei dem Grenzort Röszke im Süden Ungarns über Stunden auf ihre Registrierung gewartet hatten. Polizisten folgten den Menschen, ließen sie aber weiterziehen.

In Griechenland überquerten Hunderte Flüchtlinge die Grenze zu Mazedonien. Von dort aus versuchen die Flüchtlinge, über Serbien weiter nach Ungarn zu kommen. Beobachtet von der Polizei kamen die Flüchtlinge in Gruppen von mehreren Dutzend Menschen gleichzeitig über die Grenze. Sie gingen dann in die nahegelegene Stadt Gevgelija weiter, wo sie Züge und Busse Richtung serbische Grenze bestiegen.

Angesichts stetig über Serbien kommender Flüchtlinge will Ungarns rechtskonservative Regierung den Bau des Grenzzauns zum Nachbarland beschleunigen. Dieser soll die 175 Kilometer lange Grenze zu Serbien abriegeln. Im Streit um den noch unfertigen Zaun, den die Armee baut, war Verteidigungsminister Casaba Hende am Vorabend zurückgetreten. Sein designierter Nachfolger Istvan Simicsko soll das Projekt nun vorantreiben.

Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP/rts

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