Politik

Attentäter töten Dutzende Kopten Ägypten kündigt Ausnahmezustand an

Am Palmsonntag greifen mutmaßlich IS-Männer zwei koptische Kirchen in Ägypten an. Sie reißen mindestens 45 Menschen in den Tod. Mehr als Hundert werden verletzt. Staatschef al-Sisi will Härte zeigen.

Überwachungsbilder zeigen die Explosion in Alexandria.

Überwachungsbilder zeigen die Explosion in Alexandria.

(Foto: picture alliance / Egyptian Inte)

Nach den Anschlägen auf zwei koptische Kirchen mit dutzenden Toten hat der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi einen dreimonatigen Ausnahmezustand angekündigt. In einer Fernsehansprache am Sonntagabend erklärte Al-Sisi, dieser werde in Kraft treten, sobald unter anderem das Parlament zugestimmt habe. Im Ausnahmezustand haben die Sicherheitskräfte erweiterte Befugnisse, um das Vorgehen gegen Extremisten zu vereinfachen.

In den vergangenen Jahren war nach Gewaltausbrüchen wiederholt der Ausnahmezustand in Ägypten oder Teilen des Landes ausgerufen worden. Dies war verbunden mit der Möglichkeit von Festnahmen ohne Haftbefehl und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung sowie nächtlichen Ausgangssperren.

Zuvor hatte der wegen seines autoritären Regierungsstils umstrittene Präsident bereits der Armee befohlen, wichtige Gebäude des Landes zu schützen. Damit solle die Polizei unterstützt werden, berichtete das staatliche Fernsehen. Das Militär spielt in Ägypten eine sehr wichtige Rolle und war bereits vor den Anschlägen allgegenwärtig in der Öffentlichkeit. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Anschläge in Tanta und Alexandria für sich.

Explosion bei der Messe

Vor der Kathedrale in Alexandria sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft, nachdem Kopten-Papst Tawadros II. dort die Messe gelesen hatte. 16 Menschen wurden getötet und 41 verletzt. Papst Tawadros II. hatte die Kirche zu dem Zeitpunkt schon verlassen, wie ein Kirchensprecher sagte. Wenige Stunden z uvor waren bei einem der schwersten Anschläge auf die christliche Minderheit Ägyptens in den vergangenen Jahren im nordägyptischen Tanta mindestens 29 Menschen getötet und 71 Gläubige verletzt worden.

Die staatliche Zeitung "Al-Ahram" berichtete, die Explosion außerhalb des koptischen Gotteshauses St. Markus sei durch einen Selbstmordattentäter verursacht worden, der zuvor am Einlass in die Kirche gehindert worden sei. Tanta liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Kairo. "Ich habe einen Knall gehört und bin gerannt", berichtete Anwohner Nabil Nader. "Ich habe Leute gesehen, die es zerrissen hat - von manchen blieb nur noch die Hälfte des Körpers."

Ägyptische Privatsender zeigten Bilder von blutverschmierten Kirchenwänden und zerstörten Holzbänken. "Die Explosion ereignete sich in den vorderen Reihen, in der Nähe des Altars während der Messe", sagte Vize-Innenminister Tarek Atija über den Anschlag in der Mar-Girgis-Kirche in Tanta. Der Gouverneur von Gharbija, Ahmed Deif, sagte dem Fernsehsender Nile News, möglicherweise habe es sich um einen Selbstmordanschlag gehandelt. Sicherheitskräfte hätten die Umgebung des Gotteshauses nach weiteren Sprengsätzen durchkämmt.

Al-Sisi beruft Sicherheitsrat ein

Menschen versammeln sich nach der Explosion in der koptischen Kirche von Tanta.

Menschen versammeln sich nach der Explosion in der koptischen Kirche von Tanta.

(Foto: AP)

Präsident Abdel Fattah al-Sisi berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Dieser solle "Konsequenzen" aus dem Angriff in Tanta besprechen. Die ägyptische Regierung sprach bereits nach dem ersten Anschlag von Terror. "Der Terrorismus trifft Ägypten erneut, dieses Mal an Palmsonntag", schrieb der Sprecher des Außenministeriums auf Twitter. Es sei eine weitere widerwärtige Tat gegen alle Ägypter. Ägyptens Regierungschef Scherif Ismail bekräftigte Ägyptens Willen, den "Terrorismus auszulöschen". Das einflussreiche sunnitische Al-Ashar-Institut in Kairo sprach ebenfalls von einem Versuch, die Sicherheitslage in Ägypten und "die Einheit der Ägypter zu destabilisieren".

In dem Land kommt es immer wieder zu Anschlägen gegen die christliche Minderheit. In den beiden Kirchen fanden Gottesdienste zum Palmsonntag statt, dem letzten Sonntag vor Ostern, der den Beginn der Karwoche markiert. Dabei wird des Einzugs Jesu Christi in Jerusalem gedacht.

In Kairo bereitet man sich auf den Besuch des Papstes Ende des Monats vor.

In Kairo bereitet man sich auf den Besuch des Papstes Ende des Monats vor.

(Foto: REUTERS)

Die Bundesregierung drückte Ägypten ihr Mitgefühl aus. "Wir trauern mit #Kopten + allen Ägyptern um die Opfer des Anschlags an diesem Palmsonntag", twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi kondoliert, hieß es. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, verurteilte den blutigen und sinnlosen Terroranschlag in Tanta. "Den koptischen Christen drücke ich unsere Anteilnahme und Solidarität aus." Man erwarte von der ägyptischen Regierung, dass sie alles tue, um die koptischen Christen zu schützen, so Kauder.

Russlands Präsident Wladimir Putin betonte den gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus. "Die Terroristen versuchen nicht nur, die Menschen einzuschüchtern, sie wollen auch Zwietracht zwischen den Vertretern verschiedener Konfessionen säen", hieß es in einem Schreiben an al-Sisi.

Papst Franziskus sprach der koptischen Gemeinde bereits nach dem Anschlag in Tanta sein Mitgefühl aus. "Möge Gott die Herzen derjenigen bekehren, die Terror, Gewalt und Tod säen und auch die Herzen derjenigen, die Waffen herstellen und damit handeln", sagte der Papst während des Angelus-Gebets.

Papst besucht Kairo

Etwa zehn Prozent der mehr als 90 Millionen Bewohner Ägyptens sind Christen, vor allem Kopten. Sie leben trotz vereinzelter Spannungen weitgehend friedlich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit zusammen und können ihren Glauben frei ausüben. Für Ende April ist ein Besuch von Papst Franziskus in Kairo angekündigt.

Bei einem schweren Bombenanschlag auf eine Kathedrale in Kairo im Dezember waren fast 30 Menschen getötet worden. Damals bekannte sich die Terrormiliz IS zu der Tat. Ein Ableger des Islamischen Staates treibt im Nordsinai in Ägypten sein Unwesen und kündigte in Propagandavideos Angriffe auf Christen an.

Im Februar flohen Hunderte ägyptische Christen aus dem Norden der unruhigen Sinai-Halbinsel. Vorangegangen war eine Mordserie an Mitgliedern der religiösen Minderheit, hinter der der IS vermutet wurde.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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