Politik

Front gegen Diktator bröckelt Assad verliert seinen Schrecken

"Wir warten darauf, dass das Regime wie ein Kartenhaus einstürzt", sagt ein EU-Botschafter über Assad.

"Wir warten darauf, dass das Regime wie ein Kartenhaus einstürzt", sagt ein EU-Botschafter über Assad.

(Foto: REUTERS)

Der Islamische Staat mordet, köpft, verbrennt. In Libyen steht die Armee der Islamisten 300 Kilometer vor der EU-Außengrenze. In einigen westlichen Staaten steigt deshalb der Wunsch nach einem schlagkräftigen Verbündeten in der Region auf: Baschar Al-Assad.

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 gilt Präsident Baschar al-Assad im Westen als Außenseiter. Doch vier Jahre und mehr als 200.000 Tote später zeigen sich erste größere Risse in der europäischen Front gegen den syrischen Staatschef: Der Aufstieg der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) und die Furcht vor Anschlägen heimkehrender Dschihadisten nährt in einigen europäischen Staaten den Wunsch, die Kommunikation mit der Führung in Damaskus wieder aufzunehmen.

Der Widerstand von Briten und Franzosen macht einen baldigen Kurswechsel der Europäischen Union (EU) zwar unwahrscheinlich, doch die Befürworter einer sachten Annäherung werden immer mehr. Zu ihnen zählen nach Angaben von Diplomaten Schweden, Dänemark, Rumänien, Bulgarien, Österreich, Spanien und Tschechien sowie außerhalb der EU Norwegen und die Schweiz. Deutschland wird nicht eindeutig einem der beiden Lager zugerechnet, sondern setzt in dem Konflikt vor allem auf die Vermittlung der UN.

"Einige Staaten sagen: Baschar ist Realität, das müssen wir berücksichtigen, wenn es um Gefahren für Europa geht", spielt ein europäischer Diplomat auf Anschlagsrisiken durch heimkehrende Dschihadisten an. Die EU hatte erstmals 2011 Sanktionen gegen Assad und seinen Führungszirkel verhängt, als die Regierung hart gegen erste Proteste im Zuge des Arabischen Frühlings vorging.

"Es tut sich nichts"

Seither sind mehr als 200.000 Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet worden. Die Gewalt hat nach Einschätzung mancher Diplomaten damit ein Ausmaß erreicht, das Kontakte mit Damaskus zur Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts rechtfertigen.

Blick durch das Zielfernrohr eines Rebellen auf ein von Assads Truppen kontrolliertes Gebiet. Seit Beginn des Krieges sind rund 200.000 Menschen gestorben.

Blick durch das Zielfernrohr eines Rebellen auf ein von Assads Truppen kontrolliertes Gebiet. Seit Beginn des Krieges sind rund 200.000 Menschen gestorben.

(Foto: Reuters)

Allen sei klar, dass es Verhandlungen geben müsse, heißt es in diplomatischen Kreisen. Großbritannien und Frankreich knüpften solche Gespräche jedoch an die Bedingung, dass Assad abtrete. Ein Zusammenbruch der syrischen Regierung erscheint indes momentan immer unwahrscheinlicher. "Wir warten darauf, dass das Regime wie ein Kartenhaus einstürzt", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat. "Aber das Problem ist, dass wir mittlerweile schon seit vier Jahren warten - und es tut sich nichts".

Manche europäische Diplomaten verweisen auf einen Kurswechsel der USA gegenüber Syrien, den sie zu erkennen glauben. In US-Regierungskreisen wiederum heißt es, das Land strebe immer noch die Ablösung Assads an. Es sei aber momentan nicht absehbar, wie sich dies zu akzeptablen Kosten erreichen lasse. Als Konsequenz arrangieren sich die USA seit Monaten mit Assads Verbleib an der Staatsspitze und konzentrieren sich darauf, den IS zu bekämpfen.

"Assad ist nicht Teil der Lösung in Syrien"

"Wir wissen nicht, was die (US-geführte Anti-Terror-)Allianz will, und die USA treffen keine Entscheidung", sagt Bassma Kodmani, Direktorin der Arabischen Reform-Initiative in Paris, die sich früher auch in der syrischen Exil-Opposition engagierte. "Deshalb werden in Europa die Stimmen lauter, die Assad als das kleinere von zwei Übeln betrachten. Die Diskussion hat sich damit völlig gedreht".

In der Öffentlichkeit dagegen schließen die EU-Außenminister Verhandlungen mit Damaskus weiter aus. Assad könne kein Partner im Kampf gegen den IS sein, erklärten sie im Oktober. "Baschar al-Assad ermordet seit Jahren seine Bürger", antwortete auch der französische Verteidigungsminister Jean Yves Le Drian vergangene Woche auf die Frage, ob Frankreich im Kampf gegen den IS nicht wieder mit den Geheimdiensten in Damaskus zusammenarbeiten und zumindest Erkenntnisse teilen solle. "Assad ist nicht Teil der Lösung in Syrien, daher brauchen wir uns nicht zwischen einem Diktator mit Blut an den Händen und einer skrupellosen Terroristen-Armee entscheiden. Wir müssen beide bekämpfen".

Assad selbst würde es nach Aussagen von Diplomaten gern sehen, wenn der Westen zumindest seine Botschaften in Damaskus wieder öffnen würde. In EU-Kreisen wird dies bisher ausgeschlossen. Einige Staaten plädieren nun für den Mittelweg: Mit der Führung in Damaskus zu reden, zugleich aber die Gewalt zu verurteilen und auf freien Zugang der Hilfsorganisationen zu den umkämpften Gebieten zu dringen.

"Ich würde nicht von echten Verhandlungen sprechen, sondern davon, überhaupt wieder Informationen auszutauschen", sagt ein Diplomat. "Wir wissen schlichtweg nicht, was dort passiert."

Quelle: ntv.de, bdk/rts

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