Bericht enthüllt zynische Details Attentäter spielten Xylophon im Bataclan
21.03.2016, 17:27 Uhr
Band-Mitglieder der "Eagles of Deathmetal" trauern vor dem Konzertsaal Bataclan.
(Foto: REUTERS)
Die Attentäter in Paris töten mit einem Lächeln im Gesicht, sind während der Anschläge mit Laptops ausgestattet und bewegen sich im Vorfeld völlig unbehelligt durch Europa - trotz Haftbefehls. Ein Bericht enthüllt neue Details zum Terror von Paris.
In einem Untersuchungsbericht werden neue Details zu den Attentaten in Paris bekannt. Er zeigt, wie raffiniert und zynisch Saleh Abdeslam, der derzeit in einem belgischen Hochsicherheitsgefängnis sitzt, und seine Kollegen der islamistischen Terrorzelle am 13. November vorgegangen sind. Die "New York Times" berichtet, dass ihr das 55-seitige Dokument vorliege. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus:
Der IS legte den Fokus auf ein Blutbad:
Die Anschläge in Paris stellten eine neue Dimension der Gewalt dar. Zuvor konzentrierte sich der IS auf Angriffe auf kleinere Ziele, die darüber hinaus in der Regel einen Bezug zu Israel hatten - etwa das jüdische Museum in Brüssel. In einem Interview des IS-Propagandamagazins "Dar al-Islam" mit einem der Vordenker der Terrororganisation, Boubaker al-Hakim, forderte dieser: "Mein Rat ist, nicht mehr nach spezifischen Zielen Ausschau zu halten, sondern alles und jeden zu töten."
In Paris setzten die Attentäter diesen Rat um und feuerten im vollbesetzten Bataclan auf alles und jeden, der ihnen vor den Lauf ihrer Kalaschnikows kam. Auch auf Menschen, die sich schutzsuchend auf den Boden gelegt hatten, wurden Salven geschossen. Einer der Attentäter, später als Samy Amimour identifiziert, spielte zwischen den tödlichen Feuerstößen auf der Bühne Xylophon - mit einem "sadistischen Lachen", wie Überlebende berichteten.
Neue Erkenntnisse zu den Sprengstoffgürteln:
Kurz nach 21 Uhr betrat laut Zeugenaussagen der Bruder von Saleh Abdeslam, Ibrahim, das Bistro "Comptaire Voltaire". Er war ungewöhnlich dick gekleidet, vermutlich um den Sprengstoff zu verstecken. Im Café angekommen, entschuldigte er sich bei den Gästen "mit einem Lächeln im Gesicht" und betätigte dann den Zünder.
An den Überresten seines Körpers fanden Ermittler später Kabel, die mit einer Neun-Volt-Batterie verbunden waren - Teile der Bombe. Bei dem Sprengstoff handelte es sich um Triacetrontriperoxid (TATP), einem Gemisch aus Schwefelsäure, Aceton und Wasserstoffperoxid. Bei Terroristen ist der Sprengstoff beliebt, weil die Bestandteile einfach zu besorgen sind und etwa in Abflussreinigern oder Nagellackentfernern enthalten sind.
Bei allen Attentaten in Paris kam TATP zum Einsatz. Einer der Attentäter am Stade de France trug offenbar einen Trainingsanzug des FC Bayern, um den Sprengstoff zu verstecken und zwischen den Fans nicht aufzufallen.
Laptops und Handys:
Eine Zeugin berichtet, dass einer der Attentäter im Bataclan einen Laptop geöffnet habe. Auf dem Display seien nur Linien und Zeichen zu sehen gewesen. Der IS behauptete nach den Anschlägen, eine eigene Verschlüsselungssoftware verwendet zu haben. Möglicherweise handelte es sich dabei darum.
Nahe des Bataclan fanden Ermittler ein Handy mit einer belgischen Sim-Karte. Sie wurde erst einen Tag zuvor aktiviert und jemand hatte versucht, eine Nummer in Belgien damit anzurufen - und zwar nur eine. Zu wem das Handy gehört, konnte noch nicht festgestellt werden. Auf anderen Handys, die im Umfeld gefunden wurden, waren Fotos von Grundrissen des Bataclan gespeichert.
Die Attentäter bewegten sich frei durch Europa:
Es scheint, als hätten sich die Terroristen vor dem Anschlag mit Leichtigkeit zwischen Belgien und Frankreich und in einigen Fällen auch zwischen Europa und dem Nahen Osten bewegt - obwohl gegen einige ein internationaler Haftbefehl vorlag. Ein Versäumnis der europäischen Geheimdienste, die sich zu wenig austauschten, heißt es in dem Bericht.
"Wir teilen keine Informationen", sagt etwa Alain Chouet, ein ehemaliger französischer Geheimdienstchef, der "New York Times". "Wir haben noch nicht einmal ein Abkommen darüber, wie wir Namen aus dem Arabischen oder Kyrillischen übersetzen. Wenn also jemand über Estland oder Dänemark nach Europa kommt, kann es sein, dass wir ihn nicht unter dem Namen registriert haben, den sie dort verwenden."
Quelle: ntv.de, bdk