Interview mit CDU-Vize Klöckner "Auch für Flüchtlinge gilt die Hausordnung"
01.10.2015, 14:45 Uhr
Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Mannheim.
(Foto: picture alliance / dpa)
Hunderttausende Flüchtlinge warten in Deutschland auf die Antwort auf ihr Asylgesuch. CDU-Vizechefin Julia Klöckner macht den Zuwanderern Druck: Wer sich nicht an die Regeln hält, darf nicht mit Toleranz rechnen.
n-tv.de: Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland aufnehmen und integrieren?

Vizechefin der Bundes-CDU und Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz: Julia Klöckner.
(Foto: imago/Metodi Popow)
Julia Klöckner: Das kann man zahlenmäßig nicht fassen. Deutschland, die Ehrenamtlichen und die Integrationskraft einer Gesellschaft - das alles hat Belastungsgrenzen und hängt enorm davon ab, welche Bereitschaft die Menschen zeigen, die zu uns kommen. Wir müssen den Flüchtlingen klarmachen, dass es tragende Wände in diesem Haus Deutschland gibt, die wir weder einreißen noch verrücken werden. Auch für Flüchtlinge gilt eine Hausordnung.
Was heißt das konkret?
Es gibt Werte, die unsere offene, aufgeklärte Gesellschaft prägen, zum Beispiel auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Religionsfreiheit ist wichtig, aber die Religion steht nicht über dem Grundgesetz. Konflikte werden bei uns nicht mit Gewalt geklärt, Frauen können auch Vorgesetzte sein. All das ist wichtig, damit Integration gelingt.
Sie fordern, am ersten Tag die Hausordnung, also das Grundgesetz, an die Flüchtlinge zu verteilen. Dazu haben Sie verlangt, dass es eine gesetzliche Verpflichtung zur Integration braucht und Leistungskürzungen, wenn sich Menschen nicht an die Regeln halten. War das Ihre Art, die Flüchtlinge willkommen zu heißen?
Deutschland hat in der Welt in den vergangenen Wochen ein menschenfreundliches Gesicht gezeigt. Viele von uns engagieren sich auf unterschiedliche Weise, ich selbst habe zahlreiche Aufnahmeeinrichtungen besucht. Aber viele Ehrenamtler teilen seit Wochen jeden Tag dreimal täglich Essen aus. Wie lange funktioniert das noch? Dazu kommen die Konflikte in Unterkünften. Einige kennen es nicht, dass es andere Religionen geben und man auch keinen Glauben haben kann. Das alles ist in Deutschland möglich und muss akzeptiert werden. Wir brauchen ein offenes Herz auf der einen Seite, aber es ist auch Konsequenz gefordert, wenn es um die Aufrechterhaltung unserer freiheitlich-aufgeklärten Grundordnung geht.
Sie haben zuletzt öffentlich kritisiert, dass es Flüchtlinge gibt, die sich weigern, sich von Frauen das Essen anreichen zu lassen. Sie haben es auch erlebt, dass ein Imam Ihnen nicht die Hand geben wollte. Wie kann man so etwas ändern?
Bei Erwachsenen ist das schwieriger als bei jungen Menschen. Ich habe heute einen Fall geschildert bekommen, dass eine Immobilienmaklerin einem anerkannten Flüchtlingspaar eine Wohnung vermieten wollte. Sie wurde weggeschickt mit dem Hinweis, dass man mit Frauen keine Geschäfte macht. So etwas ist nicht akzeptabel. Wir müssen den Menschen schon in der Erstaufnahmeeinrichtung deutlich machen, dass bei uns andere Strukturen herrschen. Das alles wird nicht von heute auf morgen klappen, aber wer von uns Schutz und Versorgung erhält, muss wissen, dass dies mit Pflichten verbunden ist. Sprachkurse etwa sind kein Angebot zur Güte, sie müssen wahrgenommen werden. Wenn nicht, muss es zu Leistungskürzungen kommen. Da kann es keine falsch verstandene Toleranz geben.
Wie kann man die deutschen Grenzen so effektiv absichern, dass nicht unbegrenzt Flüchtlinge nach Deutschland kommen?
Es ist schwer, das zu beantworten. Zahlreiche Menschen sind auf der Flucht. Die Frage ist: Wie solidarisch sind die EU-Mitgliedsstaaten untereinander? Es gibt nur wenige Länder, die sich wirklich konsequent um das Asylrecht kümmern. Man muss darüber nachdenken, den Ländern, die viele Flüchtlinge aufnehmen, finanziell unter die Arme zu greifen. Dazu ist es notwendig, dass wir an und vor den EU-Außengrenzen Registrierzentren einrichten und dort schon klären, wer eine Bleibeperspektive hat und wer nicht. Es ist kein Asylgrund, einfach nur ein besseres Leben in Deutschland haben zu wollen, wenn der Wunsch auch sehr verständlich und menschlich ist.
Man hat das Gefühl, die Politik versucht etwa mit dem neuen Asylpaket zu korrigieren, was die Kanzlerin Ende August mit ihrer Geste ausgelöst hat.
Die Kanzlerin hat nie gesagt, dass die ganze Welt zu uns kommen soll. Viele Schleuser erzählen den Flüchtlingen Dinge, die nicht wahr sind. Es gibt Handzettel, auf denen steht, dass man 3000 Euro auf die Hand bekommt, wenn man nach Deutschland kommt. Das führt dazu, dass sich Menschen mit falschen Hoffnungen auf den Weg machen. Umso wichtiger ist es, dass die, die nicht hier bleiben dürfen, umgehend unser Land verlassen - als Zeichen und Signal für die in ihrem Heimatland, die sich auch noch auf den Weg machen wollen.
Die Stimmung in Ihrer Partei ist zurzeit zwiegespalten. War es richtig von Herrn Seehofer, Frau Merkel so offen und direkt zu kritisieren?
Herr Seehofer kümmert sich um sein Land. Bayern hat aufgrund der Lage eine andere Herausforderung als Nordrhein-Westfalen. Insofern hat Herr Seehofer eine besondere Herausforderung mit seinen Leuten zu bewältigen, es geht da weniger um Parteiansichten.
Auch in der CDU gibt es große Unzufriedenheit. Hat die Kanzlerin Ihre Partei nicht mitgenommen?
Man erwartet von unserer Kanzlerin Dinge, die eine Person alleine gar nicht leisten kann. Erst wurde ihr vorgeworfen, sie sei herzlos, weil sie einem kleinen Mädchen sagt, dass nicht jeder in Deutschland bleiben kann. Jetzt ist sie angeblich zu freundlich. Sollte Angela Merkel denn etwa sagen, wir schaffen es nicht? Es geht auch um Zuversicht. Ich habe noch keinen getroffen, der mir gesagt hat, was er anders gemacht hätte als sie - ohne größere Konflikte und Rechtsbrüche in Kauf zu nehmen. Dass es in einer Volkspartei unterschiedliche Sichtweisen gibt, ist doch normal. Was viele in der CDU und auch Angela Merkel und Thomas de Maizière fordern ist: Wer zu uns kommt, muss unser Grundgesetz achten. Integration kann keine Einbahnstraße sein. Und das neue, umfangreiche Gesetzespaket zur Verschärfung der Asylregeln hätte es ohne die Kanzlerin und die Union nie gegeben.
Mit Julia Klöckner sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de