Welche Rolle spielen Rechtspopulisten in Europa? Aufstieg ja, Weimarer Verhältnisse nein
02.12.2013, 16:13 Uhr
Eine Ikone der Rechtspopulisten: Geert Wilders wirbt für einen Zuwanderungsstopp.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen könnte fallen. Die erstarkten Rechtspopulisten aus verschiedenen EU-Staaten schmieden Allianzen. Womöglich sind Ängste vor einer neuen rechten Größe im EU-Parlament trotzdem unbegründet.
Der Vergleich zu Zeiten der Weimarer Republik liegt nahe: In den Krisenstaaten Europas herrscht wirtschaftliche Depression, die Bevölkerung von Ländern wie Griechenland oder Spanien fühlt sich bevormundet. Zudem versucht eine wachsende Zahl von Zuwanderern, trotz der Krise ihr Glück in diesen Staaten. Und tatsächlich: In der EU erstarken seit dem Beginn der Euro-Krise vielerorts die Parteien von Rechtsextremen, Rechtspopulisten und Nationalisten. Von Weimarer Verhältnissen kann trotzdem keine Rede sein. Zu diesem Schluss kommen zumindest Wissenschaftler der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Mit ihrer Untersuchung "Europa - Nein Danke! Studie zum Aufstieg Rechts- und Nationalpopulistischer Parteien in Europa" bestätigen die Autoren Karsten Grabow und Florian Hartleb zwar die wachsende Bedeutung von Parteien wie der griechischen "Goldenen Morgenröte". Die Lesart der Eurokrise, die vor allem im angelsächsischen Raum die Debatte mitbestimmt, widerlegen sie allerdings. Vor allem die Sorge, ein länderübergreifendes Bündnis dieser Parteien könnte sich bei der Europawahl im Mai 2014 als eine neue Kraft im Parlament etablieren und die europäische Integration verwerfen, teilen Grabow und Hartleb nicht.
Die Debatte darüber läuft schon seit Wochen. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie als Geerd Wilders von der "Partei für die Freiheit" eine Koalition mit Marine Le Pen vom "Front National" ankündigte und zum Ziel erklärte, nach der Europawahl erstmals seit Jahren wieder eine starke rechte Fraktion zu bilden. Als Verstärker der Angst vor diesem Bündnis wirkt das drohende Aus der Drei-Prozent-Hürde. Beim Bundesverfassungsgericht liegen mehrere Klagen gegen die Regelung vor.
Zu verschieden für schlagkräftige Koalitionen
Die Wissenschaftler Grabow und Hartleb liefern mit ihrer Studie nun eine Art Bestandsaufnahme. Sie machen in 14 von 28 EU-Staaten "relevante" rechtspopulistische Parteien aus. Beispiele sind die "Partei für Recht und Gerechtigkeit" (Pis), die 2011 bei den Parlamentswahlen in Polen fast 30 Prozent der Stimmen holte. Oder "Die Finnen", die im selben Jahr im hohen Norden an der 20-Prozent-Marke kratzten. Hinzu kommen Gruppierungen wie die ultrarechte ungarische Jobbik, die seit 2010 die drittstärkste Kraft im Budapester Parlament ist.
In der Studie heißt es: "Inzwischen haben sich die rechtspopulistischen Parteien fast überall in Europa als relevante politische Kräfte etabliert." Hartleb stellt bei der Präsentation der Studie in Berlin trotzdem fest: "Weimar droht nicht." Als Grund nennt er, dass die Parteien viel zu unterschiedlich wären, um gemeinsame Sache zu machen. Das Spektrum reiche schließlich von verfassungsfeindlichen, faschistoiden Gruppierungen wie der Jobbik über Parteien im "verfassungsrechtlichen Graubereich" wie der Front National bis hin zu gemäßigteren Gruppen wie der Dänischen Volkspartei.
Auch die Interessen der Parteien seien teils zu verschieden. Während viele der Rechtpopulisten neben dem klassisch fremdenfeindlichen Kern ihrer Politik eine besondere Euroskepsis vertreten, stehen etwa beim belgischen "Vlaams Belang" vor allem flämisch separatistische Motive im Vordergrund.
"Die Fakten müssen auf den Tisch"
Auch der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Elmar Brok, glaubt nicht an einen Erfolg der Populisten. Der CDU-Politiker, der die Studie zusammen mit Hartleb vorgestellt hat, sagt über die Rechtspopulisten: "Sie geben in keiner entscheidenden Frage Antworten." Ob nun bei der Energiewende, bei der Terrorismusbekämpfung oder der Zuwanderung - immer gelte das gleiche: "In dieser veränderten Welt hat kein europäischer Staat allein die Möglichkeit, seine Souveränität zu wahren". Brok zeigt sich deshalb davon überzeugt, dass es den anderen europäischen Parteien gelingen wird, die Politik der Rechten im Wahlkampf zu entlarven.
Brok appelliert insbesondere an Politik und Gesellschaft in Deutschland, nicht in einen Defensiv-Wahlkampf zu verfallen, obwohl die Bundesrepublik eine Sonderrolle spielt. Ob sich in der AfD nationalistische Töne durchsetzen, ist ungewiss, die rechtsextreme NPD steht dagegen vor dem Verbot. 2014 müsse es stattdessen darum gehen, für Europa zu werben. Über seine CDU sagt er: "Wir werden nicht die Argumente der Rechtspopulisten ins Zentrum unseres Wahlkampfs stellen."
Beim Werben für Europa soll helfen, dass die Regierungen aller Mitgliedsstaaten ihren Bürgern jedes Jahr eine Kosten-Nutzen-Analyse ihrer EU-Mitgliedschaft vorlegen. Brok sagt: "Die Fakten müssen auf den Tisch, dann haben diese Parteien keine Chance mehr."
Quelle: ntv.de