"Völlig überflüssig und ohne Not" Böhmermann-Anwalt schießt gegen Merkel
15.04.2016, 21:53 Uhr
Mit der Bewertung, das Schmähgedicht von Böhmermann sei "bewusst verletzend", hat sich Merkel nach Ansicht von Medienanwalt Christian Schertz zu weit vorgewagt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Über Recht und Unrecht im Fall Böhmermann zu entscheiden, ist nicht Aufgabe der Regierung. Mit diesem Argument übergibt die Kanzlerin den Staffelstab an die Justiz. Merkel habe sich rechtlich längst positioniert, sagt hingegen Christian Schertz. Er verteidigt den Satiriker.
Nachdem die Bundesregierung den Weg für ein gesondertes Strafverfahren gegen Jan Böhmermann wegen des Vorwurfs der "Majestätsbeleidigung" frei gemacht hat, meldet sich nun der Anwalt des ZDF-Satirikers zu Wort. Rechtsanwalt Christian Schertz kritisierte die Entscheidung - und damit Kanzlerin Angela Merkel - scharf. Er könne sie nur mit erheblichem Unverständnis zur Kenntnis nehmen", sagte Schertz. "Diese Verfolgungsermächtigung war völlig überflüssig und ohne Not."
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan habe bereits als Privatmann Strafantrag gestellt, so dass die Staatsanwaltschaft die Frage der Beleidigung ohnehin hätte prüfen müssen, argumentierte der Medienanwalt. Es sei rechtlich wie rechtspolitisch höchst bedenklich, einerseits zu erklären, dass die rechtliche Überprüfung Sache der Staatsanwaltschaften und Gerichte sei, andererseits aber eine Verfolgungsermächtigung nachzuschieben.
Dieses Verhalten passe zu der Aussage der Bundeskanzlerin, dass sie das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu bereits als "bewusst verletzend" bewertet habe. "Damit hat sie die Definition der Schmähkritik benutzt und eine rechtliche Bewertung vorgenommen, obwohl das der Justiz vorbehalten ist", erklärte Schertz.
Es läuft auf einen Prozess hinaus
Zuvor hatte der Jurist auch die Entscheidung Böhmermanns, keine Unterlassungserklärung abzugeben, in einem offiziellen Schreiben gerechtfertigt. Es sei "offensichtlich übersehen worden, dass das Gedicht nicht solitär verbreitet wurde, sondern in einer Gesamtdarstellung, über das, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht." Das Schmähgedicht müsse also im Kontext der Sendung gesehen werden.
Derweil hat Michael-Hubertus von Sprenger, der Anwalt von Erdogan, angekündigt, noch innerhalb eines Monats eine einstweilige Verfügung einreichen zu wollen. Auf die Frage, ob die Angelegenheit am Ende in einem Prozess geklärt werde, sagte von Sprenger: "Ja, davon gehe ich aus." Bei der Unterlassungserklärung handelt es sich um die zivilrechtliche Seite des Falls, der auch politisch hohe Wellen schlägt. Böhmermann sollte sich dabei verpflichten, das Schmähgedicht über Erdogan nicht zu wiederholen oder erneut zu verbreiten.
Quelle: ntv.de, jug/AFP/rts