Politik

Neue Cockpit-Vorschriften Bringen vier Augen mehr Sicherheit?

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Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine führen deutsche Fluggesellschaften eine Zwei-Personen-Regel ein. Viele loben die vertrauensbildende Maßnahme. Experten kritisierten, sie habe keinen großen Effekt und machen andere Vorschläge.

Nach der Flugzeugkatastrophe in Südfrankreich wollen alle deutschen Fluglinien freiwillig ihre Vorschriften ändern. Das Cockpit muss demnach künftig immer von mindestens zwei Menschen besetzt sein. Das bestätigt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Airlines aus Großbritannien, Norwegen und Schweden erklärten ebenfalls, eine solche Regel einführen zu wollen.

Nach dem Unglück der abgestürzten Germanwings-Maschine 4U9525 versprechen sich die Fluggesellschaften dadurch ein geringeres Risiko, dass sich Vorfälle wie in Südfrankreich wiederholen. Aber hilft das Vier-Augen-Prinzip? Bringt es nur ein besseres Sicherheitsgefühl oder tatsächlich auch mehr Sicherheit? Tatsächlich gibt es daran große Bedenken.

Drei Tage nach der Flugzeugkatastrophe stößt die Entscheidung auf viel Zustimmung. "Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung", sagt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt der dpa. Der SPD-Verkehrsexperte Andreas Rimkus sagt n-tv.de: "Die Menschen, die von A nach B fliegen, müssen denen vertrauen, die als Profis im Cockpit sitzen. Es ist jetzt besonders wichtig, das verlorene Vertrauen wieder zu gewinnen."

In der europäischen Luftfahrt ist es bisher nicht vorgeschrieben, dass ein Pilot durch ein Besatzungsmitglied ersetzt werden muss, sobald er das Cockpit verlässt. Michael Cramer, der für die Grünen den EU-Verkehrsausschuss leitet, fordert daher eine europäische Richtlinie zur Flugsicherheit. "Gegen totale Absicht kann man nichts machen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht", sagte Cramer dem Deutschlandfunk. Es sei jedoch fraglich, ob der Co-Pilot so gehandelt hätte, wenn "ein Steward oder eine Stewardess dabei gewesen" wäre.

"Wir dürfen nicht in Panik verfallen"

Zwischen EU-Kommission, Industrievertretern und Aufsichtsbehörden finden bereits Gespräche statt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die europäische Flugaufsichtsbehörde EASA eine Empfehlung für die ständige Anwesenheit von zwei Personen im Cockpit abgibt. Dies würde zu rascheren Ergebnissen führen als ein langwieriger Gesetzgebungsprozess.

Der Grünen-Verkehrsexperte Stephan Kühn warnt jedoch: "Ich halte es für falsch, nach diesem tragischen Ereignis alle Standards infrage zu stellen. Wir haben im Luftverkehr und speziell für die Piloten bereits sehr hohe Standards." SPD-Mann Rimkus sagt: "Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen. Die deutsche Luftfahrtindustrie ist eine der sichersten der Welt. Das war ein tragischer Einzelfall."

In anderen Ländern ist die Zwei-Personen-Regel längst Realität. Die USA führte die Vorschrift nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 ein. Seitdem gilt: Wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, muss ein Flugbegleiter Platz nehmen und auf die Rückkehr des Piloten warten. Europäische Fluggesellschaften müssen dies befolgen, wenn sie über US-amerikanischen Luftraum fliegen. Auch die tschechischen Fluglinien Czech Airlines und Travel Service führten die Regel vor mehr als zehn Jahren ein.

Nicht alle Experten halten das Vier-Augen-Prinzip für sinnvoll. Jerzy Dziewulski, ehemaliger Sicherheitschef der polnischen Fluggesellschaft LOT, sagte dem polnischen Nachrichtensender "TVN 24", Flugbegleiter im Cockpit könnten während der Abwesenheit eines Piloten nichts machen, um eine Katastrophe zu verhindern. "Der Pilot in der Kabine sagt: Setz dich, fass nichts an, du hast keine Ahnung. Ich bin derjenige, der die Maschine steuert."

Lufthansa auf Platz 12

Skeptisch ist auch Jan-Arwed Richter, der Leiter des Flugunfallbüros Jacdec in Hamburg. "Wir haben mehr als 25.000 Unfälle analysiert. Es gibt keinen Hinweis, dass durch diese Maßnahme Flugzeuge gerettet wurden", sagt er n-tv.de. "Für das Sicherheitsgefühl mag es nach so einem tragischen Unfall etwas ändern." Es sei aber unwahrscheinlich, dass sich ein überzeugter Selbstmörder von einer Flugbegleiterin davon abhalten lasse, sich das Leben zu nehmen.

Richters Büro erstellt ein jährliches "Airline Safety Ranking". In dem vor einigen Monaten veröffentlichten Bericht für das Jahr 2014 sprach der Flugsicherheitsexperte angesichts von vier schweren Abstürzen mit mehr als 100 Todesopfern von einem "Negativjahr". Lufthansa landete in der Rangliste der weltweit 60 größten Fluglinien auf Platz 12, Air Berlin auf 20.

Wie man die Flugsicherheit erhöhen könne? In dem Unglücksflieger 4U9525 war es dem Piloten auch mit einer Notfall-Axt nicht gelungen, sich Zutritt zum Cockpit zu verschaffen. "Man kann darüber nachdenken, den Mechanismus der Tür zu verbessern, so dass dieser in so einer Situation nicht unüberwindlich ist", sagt Richter. Nur: Wenn man die Tür leichter öffnen kann, haben auch Passagiere einfacher Zutritt. Als weitere Möglichkeit nennt er die Kontrolle des Flugzeugs per Fernsteuerung. Damit könnten notfalls auch Fluglotsen vom Boden aus das Schlimmste verhindern.

Sicher ist aus Richters Sicht drei Tage nach dem tragischen Ereignis in Südfrankreich nur eines: "Angesichts von 150 Toten kann man nicht zur Tagesordnung übergehen."

Quelle: ntv.de

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