Drei Milliarden Euro Bund nimmt weniger Steuern ein als erwartet
12.05.2021, 15:56 Uhr
Bis 2025 gibt es ein deutliches Plus bei den gesamtstaatlichen Steuereinnahmen.
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Die gute Nachricht: Deutschland ist nach den Worten von Finanzminister Scholz "vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen". Die schlechte: Der Fiskus muss in naher Zukunft mit weniger Steuereinnahmen haushalten, als ursprünglich angenommen. Es gibt aber Aussicht auf Besserung.
Die Steuereinnahmen des Bundes fallen in diesem Jahr rund 3,2 Milliarden Euro niedriger aus als zuvor angenommen. Längerfristig sieht die Entwicklung aber besser aus: Bis 2025 sollen die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen um zehn Milliarden Euro höher liegen als bislang erwartet, wie aus der vorgelegten Frühjahrs-Steuerschätzung hervorgeht.
Deutschland sei "vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. "Jetzt sind wir in einer guten Position, um wieder durchstarten zu können." Für das laufende Jahr ergeben sich der Schätzung zufolge für die Länder Mehreinnahmen von 0,7 Milliarden Euro im Vergleich zur Prognose vom November. Die Gemeinden müssen dieses Jahr mit Mindereinnahmen von 0,2 Milliarden Euro rechnen.
Auch im kommenden Jahr wird das Steueraufkommen auf allen staatlichen Ebenen insgesamt niedriger liegen als noch im November 2020 geschätzt - der Bund soll demnach im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen. 2023 bis 2025 sollen die gesamtstaatlichen Einnahmen dann aber über der Prognose vom November 2020 liegen.
"Wir sind auf Kurs, und es geht auch wieder aufwärts", sagte Scholz mit Blick auf die Steuerschätzung. Angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie sprach sich der SPD-Kanzlerkandidat dafür aus, die Corona-Wirtschaftshilfen und die Regelungen zur Kurzarbeit abermals zu verlängern. "Wir sind auf dem richtigen Weg und können uns durch Wachstum zusätzliche Potenziale erschließen", betonte Scholz.
Hilfsprogramme drücken Einnahmen
Wegen der Pandemie schwingt bei den Steuerschätzungen seit dem vergangenen Jahr mehr Unsicherheit mit als früher. Es ist kaum vorhersehbar, ob eine weitere Infektionswelle Wirtschaft und Konsum noch einmal ausbremst, wie das Virus mutiert und ob die Impfungen vorankommen, wie geplant. Zuletzt hatten auch die Hilfsprogramme der Bundesregierung die Steuereinnahmen immer wieder gedrückt, etwa der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie, veränderte Abschreibungsregeln und neue Regeln für das Verrechnen von Unternehmensverlusten.
Die Steuerschätzer gehen aber davon aus, dass der Staat in diesem Jahr immerhin rund 33,8 Milliarden Euro oder 4,6 Prozent mehr einnimmt als im Krisenjahr 2020. Ein Indiz dafür, dass die Steuereinnahmen bald wieder anziehen könnten, ist die Konjunkturprognose der Bundesregierung. "Dieses Jahr ist das Jahr, in dem wir die Trendwende endgültig schaffen", hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier im April angekündigt. Die Regierung rechnet für 2021 mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 3,5 Prozent - und ist damit optimistischer als zur Zeit der vergangenen Steuerschätzung.
Vizekanzler Scholz plant angesichts der hohen Pandemie-Kosten und der erwarteten niedrigen Steuereinnahmen für das laufende Jahr mit Rekordschulden. Erst kürzlich stimmte der Bundestag seinem Nachtragshaushalt zu und ermöglichte ihm damit neue Kredite von insgesamt 240,2 Milliarden Euro. Das Geld ist vor allem für pandemiebedingte Ausgaben wie Unternehmens- und Familienhilfen sowie für Gesundheitsmaßnahmen wie den Kauf von Impfstoffen verplant.
"Kein Ausweis von Stärke"
Der Finanzpolitiker der Union, Eckhardt Rehberg, betonte, die niedrigen Steuereinnahmen gingen vor allem zulasten des Bundes - Länder und Gemeinden dagegen erreichten schon in diesem Jahr wieder das Vorkrisenniveau. Weitere Hilfen aus dem Bundes-Topf dürfe es daher nicht geben. Rehberg forderte zudem die Bundesregierung auf, "endlich Maß zu halten" und nicht neue Ausgaben zu versprechen, ohne die Finanzierung darzulegen. "Es ist kein Ausweis von Stärke, neue Ausgaben mit Schulden zu finanzieren, sondern der denkbar einfachste Weg", betonte er.
Scholz dagegen plant auch für das kommende Jahr mit 81,5 Milliarden Euro an neuen Schulden. Damit müsste erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse genutzt werden, die eigentlich nur eine ganz geringe Nettokreditaufnahme erlaubt. Beschließen wird den Etat für 2022 nach der Bundestagswahl aber ein neuer Bundestag. Bis dahin müssen die Wahlkämpfer die Frage beantworten, wie sie mit der schwierigen Finanzsituation umgehen wollen: weiter Schulden machen, um die Folgen der Pandemie abzufedern, Steuern erhöhen oder ein Sparprogramm auflegen, um die Schuldenbremse schnellstmöglich wieder einzuhalten.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt in der Regel zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. In dem Gremium sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa