Maulwürfe in deutschen Behörden Bundesrepublik schon immer unterwandert
09.07.2014, 15:55 Uhr
Die Flagge der US-Botschaft weht vor der Reichstagskuppel. Schon diese räumliche Nähe stellt die deutsche Spionageabwehr bekanntlich vor ein Problem.
(Foto: REUTERS)
Wieder wird ein Maulwurf der USA enttarnt. Und in Deutschland ertönt ein Aufschrei. Das kann man für eine weltfremde, naive Reaktion halten - bei einem Blick auf die deutsche Geschichte zumindest.
Noch einer? Erst fliegt ein BND-Mitarbeiter auf, der für die USA den NSA-Untersuchungsausschuss ausspähen sollte. Jetzt enttarnt die Bundesanwaltschaft einen Mann aus dem "militärischen Bereich", der im Verteidigungsministerium womöglich nah dran war an brisanten Informationen. Die Bundesrepublik unterwandert von Maulwürfen und Doppelagenten? Ein Skandal? Ja. Ein neues Phänomen ist all das aber nicht.
Seit es die Bundesrepublik gibt, sind in deutschen Behörden Spione am Werk. Zu den bekanntesten zählt Heinz Felfe. Im Zweiten Weltkrieg Obersturmführer der SS, knüpfte er in Kriegsgefangenschaft Kontakte zum britischen Geheimdienst. 1949 warb ihn der russische KGB ab. Ausgerechnet dieser Mann baute in der neu entstehenden Bundesrepublik den Bundesnachrichtendienst mit auf. In seiner Zeit im Amt verriet er mehr als 15.000 Geheimsachen. Er enttarnte mehr als 100 CIA-Agenten und dutzende Operationen. Als Leiter der Spionageabwehr sorgte er zudem dafür, dass der BND seinen Gegnern stets schutzlos ausgeliefert war. Erst 1961 flog Felfe auf. Die Justiz verurteilte ihn zu 14 Jahren Haft.
Auch das Ressort Verteidigung war schon früh in der Geschichte der Bundesrepublik unterwandert. Der bayerische Bundestagsabgeordnete Alfred Frenzel schaffte es 1957 in den Verteidigungsausschuss. Als früherer Kommunist allerdings war der SPD-Politiker erpressbar. Und das wusste der der Tschechische Geheimdienst StB auszunutzen. Er zwang Frenzel, Kopien von vertraulichen Unterlagen abzuliefern. Dazu gehörten Details zur Bundeswehr und der Nato. Erst nach drei Jahren regen Informationsaustausches fiel er mit seinem doppelten Spiel auf. Die Justiz verurteilte ihn zu 15 Jahren Haft.
Das Kanzleramt hält dicht
Wer nun behauptet, diese Fälle seien etwas vollkommen anderes, weil es sich um Spionage des damaligen Feindes im Kalten Krieg handelte, nicht um Spionage eines engen Verbündeten, mag Recht haben. Doch auch US-Geheimdienste hatten schon immer ihre Männer in deutschen Behörden - oder zumindest sehr nah dran. 1997 flog erstmals ein CIA-Agent in Deutschland auf: der US-Diplomat Peyton Humphries. Er versuchte dem Bundeswirtschaftsministerium Informationen über deutsche High-Tech-Unternehmen zu entlocken.
Der Umgang der deutschen Behörden mit Humphries lässt erahnen, dass es vermutlich schon viele vor ihm gab, die schlicht nie bekannt wurden. Die damalige Bundesregierung von CDU-Kanzler Helmut Kohl versuchte den Fall zu vertuschen, während Humphries leise die Heimreise antrat. Verrat unter Freunden, das gibt es nicht. So das Motto dieser Tage. Nur eine Indiskretion eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums brachte die Sache in die Öffentlichkeit.
Ähnlich verhielt es sich zwei Jahre später: Drei mutmaßliche CIA-Agenten aus München mussten Deutschland verlassen. Sie hatten versucht, Deutsche für Spionagemissionen zu gewinnen. Die Informationen über ihr Wirken sind bis heute eher spärlich.
Dreiste Dilettanten
Der Transatlantik-Experte Dan Hamilton beschrieb die Reaktionen in Deutschland auf die jüngsten Enttarnungen wohl auch vor dem Hintergrund der langen Geschichte der Maulwürfe in der Bundesrepublik als Weltfremd. "Ihr seid naiv", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Zudem forderte er dazu auf, auch das Wirken anderer befreundeter Staaten zu hinterfragen. Russen und Chinesen seien sowieso in Deutschland aktiv. "Glauben die Deutschen wirklich, dass die Franzosen es nicht tun?" Der Direktor des Center for Transatlantic Relations zeigte allerdings ein gewisses Verständnis für die Empörung über die Maßnahmen ausgerechnet der USA. Die Vereinigten Staaten spielten in der Nachkriegszeit für die Deutschen als Partner schließlich eine besondere Rolle.
Maufwürfe, Doppelagenten, all das ist also so alt wie die Bundesrepublik. Der Skandal scheint vielmehr zu sein, dass die USA auch nach der NSA-Affäre, die weit über konventionelle Spionagemethoden hinausgeht, offensichtlich nicht einmal daran gedacht haben, ihre Unterwanderungs-Methoden zu überdenken. Die "Süddeutsche Zeitung", die zusammen mit NDR und WDR zuerst über die jüngste Enttarnung berichtet hat, bezeichnet die US-Dienste deshalb als "dreiste Dilettanten". "Eine schlaue CIA hätte nach der NSA-Affäre riskante Quellen wie den geldgieren BND-Mann abgeschaltet", heißt es da in einem Kommentar. Wachsender Anti-Amerikanismus ist womöglich die größere Gefahr für Washington als die paar Geheimdienste, die deutsche Behörden nicht freiwillig mit ihrem guten alten Freund teilen.
Quelle: ntv.de