Fast 500 Milliarden Euro Bundestag bewilligt Etat mit Corona-Schulden
11.12.2020, 15:36 Uhr
Wegen der Corona-Krise wird die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt.
(Foto: REUTERS)
Die Corona-Pandemie lastet schwer auf der Staatskasse. Der Bundestag bewilligt den Haushalt für das kommende Jahr - mit der zweithöchsten Neuverschuldung der Nachkriegszeit. Allerdings dürfen sich viele Bürger 2021 auch auf finanzielle Entlastungen freuen.
Der Bund darf im kommenden Jahr fast eine halbe Billion Euro ausgeben und im Kampf gegen die Corona-Krise erneut hohe Schulden machen. Der Bundestag beschloss mit großer Mehrheit den Haushalt für 2021, den voraussichtlich letzten dieser großen Koalition. Es ist bereits der zweite Krisenetat in Folge, geprägt von der Corona-Pandemie - doch zugleich sollen viele Bürger im kommenden Jahr spürbar mehr Geld im Portemonnaie haben.
Der Etat ist stark von den Folgen der Corona-Krise geprägt, er umfasst Ausgaben von insgesamt fast 500 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung summiert sich auf knapp 180 Milliarden Euro, die zweithöchste in der Geschichte der Bundesrepublik. Die bislang höchste Kreditaufnahme war für dieses Jahr mit 218 Milliarden Euro beschlossen worden. Dieser Rahmen wird aber voraussichtlich bei weitem nicht ausgeschöpft. Zuletzt wurde in der großen Koalition von etwa 160 Milliarden Euro ausgegangen. Insofern könnte 2021 am Ende auch die höchste Neuverschuldung der Nachkriegszeit bringen.
Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz warb angesichts der Corona-Krise vor allem um Vertrauen der Bürger in den Staat. "Der Haushalt legt die Grundlage dafür, dass jeder darauf vertrauen kann, dass wir die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Hilfen bereitstellen können, damit wir gemeinsam gut durch diese Krise kommen", sagte der SPD-Politiker. "Dies ist ein Land, das stark genug ist, um eine solche Herausforderung zu bewältigen."
Die Opposition wirft Scholz und Kanzlerin Angela Merkel allerdings vor, mit ihrem Etat falsche Schwerpunkte zu setzen: Den einen ist die Neuverschuldung viel zu hoch - die anderen würden für viel mehr Investitionen in wichtige Zukunftsfelder gern auch langfristig Kredite nutzen. Die wichtigsten Eckwerte:
Volumen: Insgesamt hat der Etat ein Volumen von rund 498,6 Milliarden Euro. Das ist kaum weniger als im laufenden Jahr, als wegen der Pandemie spontan milliardenschwere Hilfsprogramme finanziert wurden - es ist aber deutlich mehr, als in den Jahren zuvor jeweils eingeplant war.
Schulden: Mehr als ein Drittel der Ausgaben stemmt der Bund durch Kredite über 179,82 Milliarden Euro. Die werden nicht nur nötig, weil viel Geld in Hilfsprogramme fließt, sondern auch weil der Bund deutlich weniger Steuern einnimmt als man vor der Krise noch dachte. Vor allem FDP und AfD kritisieren die hohen Schulden und meinen, der Bund müsse in der Krise auch Ausgaben streichen. Grüne und Linke dagegen wollen auch danach für bestimmte Investitionen noch Kredite aufnehmen können. Das verbietet bisher die Schuldenbremse im Grundgesetz, die der Bundestag für das kommende Jahr wegen der außergewöhnlichen Situation noch einmal aussetzte.
Kampf gegen Corona: Trotz des Lichtblicks Impfung werde die Pandemie Deutschland noch "eine ziemliche Zeit" beschäftigen, sagte Scholz. Im kommenden Jahr soll es wieder milliardenschwere Zuschüsse für Unternehmen geben, die zum Beispiel wegen angeordneter Schließungen große Probleme haben. Rund 39,5 Milliarden Euro sind als Überbrückungshilfen eingeplant. Auch Krankenhäuser, Flughäfen und die Bahn werden besonders unterstützt. Für die Beschaffung von Corona-Impfstoffen sind rund 2,7 Milliarden Euro vorgesehen.
Mehr Geld für Familien: Wer Kinder hat, soll im kommenden Jahr mehr Geld im Portemonnaie haben. Bereits im Januar gibt es höheres Kindergeld, pro Kind und Monat 15 Euro mehr als bisher. Für das erste und zweite Kind fließen dann 219 Euro pro Monat aufs Konto, für das dritte Kind 225 Euro und ab dem vierten Kind 250 Euro. Entsprechend steigt auch der Kinderfreibetrag bei der Steuer, den Eltern alternativ nutzen können.
Entlastungen bei der Steuer: Im kommenden Jahr wartet eine der größten Steuersenkungen des Jahrzehnts: Für fast alle Bürger fällt der Solidaritätszuschlag weg. Nur die reichsten zehn Prozent sollen ihn noch zahlen - einige davon aber weniger als bisher. Dem Bund entgehen dadurch Einnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro. Zugleich steigt für alle Steuerzahler der Grundfreibetrag, auf den man keine Steuern zahlen muss, auf 9744 Euro.
Zukunft: Trotz Krise plant die GroKo Rekordinvestitionen, etwa in Straßen, Schienen und Kinderbetreuung. Die Grünen allerdings kritisieren, es fließe zu wenig Geld in die Digitalisierung und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Nötig sei hier ein massives zehnjähriges Investitionsprogramm. Scholz betonte, es werde an die Ausgaben für die Zukunft gedacht, gerade zu diesen beiden Themen beinhalte der Haushalt wichtige Weichenstellungen. Beschlossen wurde auch ein Zukunftsfonds über zehn Milliarden Euro für innovative Start-ups. "Wir investieren damit in die Zukunft unserer Wirtschaft", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU. Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg nannte den Etat eine "Brücke in die Zukunft".
Lücken in der Finanzplanung: Die Opposition wirft Scholz vor, für die Jahre 2022 bis 2024 nicht gut genug vorzuplanen. Er habe bewusst große Lücken gelassen und hoffe auf Wirtschaftswachstum, um diese auf wundersame Weise zu stopfen. Dabei wisse er überhaupt nicht, wo das Geld herkommen solle, kritisierte etwa die FDP. Die Linken fordern deshalb eine Vermögensabgabe für Milliardäre. Auch Scholz betonte: "Es muss auch fair und gerecht zugehen, wenn es darum geht, die Lasten dieser Krise zu schultern, wenn wir den Wiederaufbau in Deutschland zustande bringen und die Zukunftsaufgaben schultern."
Kurzarbeit: Der Bundestag beriet zudem auch abschließend über den Etat für Arbeit und Soziales, den mit 164,9 Milliarden Euro mit Abstand größten Einzelposten im Bundeshaushalt. Durch die Ausweitung der Kurzarbeit und andere Maßnahmen sei erreicht worden, dass "aus der Pandemie kein soziales Erdbeben geworden ist", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil. Dies koste viel Geld, doch "Massenarbeitslosigkeit wäre viel teurer", hob der SPD-Politiker hervor. Zudem werde so der Gefahr des politischen Extremismus begegnet.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/rts/AFP