NSA-Selektorenliste Bundestag stellt Merkel ein Ultimatum
11.06.2015, 15:02 Uhr
Von der Abhörstation in Bad Aibling aus überwacht der BND den internationalen Datenverkehr.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der NSA-Ausschuss will wissen, wer die Spählisten sehen darf. Die Frage ist seit Wochen, ob alle Ausschussmitglieder Einblick bekommen sollen, nur ein Ermittlungsbeauftragter oder doch Niemand. Nun stellt das Gremium dem Kanzleramt ein Ultimatum.
Aus Verärgerung über den schleppenden Gang der Aufklärung hat der Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre dem Bundeskanzleramt eine Frist gesetzt. Bis Donnerstag kommender Woche müsse das Kanzleramt entscheiden, ob und in welcher Form der Ausschuss Einblick in die geheime Liste der Spionageziele des US-Geheimdienstes NSA bekommt, die der Bundesnachrichtendienst (BND) ausspähen sollte. Auch die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD unterstützten das Ultimatum, hieß es von den Ausschussmitgliedern.
Einen Antrag der Oppositionsfraktionen Grüne und Linke, Kanzleramtsminister Peter Altmeier in die laufende Sitzung zu zitieren, wurde mit der Mehrheit der Koalitionsvertreter abgelehnt. Die Opposition hatte vom CDU-Politiker jetzt schon erfahren wollen, wie die Bundesregierung mit der Selektorenliste umzugehen gedenkt.
Der Ausschuss wolle nun von der Bundesregierung bis zum 18. Juni "eine Entscheidung, wie sie sich ein Verfahren vorstellen kann", sagte SPD-Ausschussmitglied Christian Flisek. Die derzeitige Ungewissheit sei ein "unerträglicher Zustand". Seine Fraktion wäre demnach grundsätzlich bereit, einen Ermittlungsbeauftragten zu ernennen, der Einblick in die geheime Liste nimmt und dann dem Ausschuss Bericht erstattet. Denkbar sei aber auch weiterhin, dass die Ausschussmitglieder selbst die Liste zu sehen bekommen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hatte dem Kanzleramt schon vor zweieinhalb Wochen eine Frist gesetzt, um die Offenlegung der Selektorenlisten zu klären.
Ermittlungsbeauftragter bleibt umstritten
Die Opposition lehnte einen Ermittlungsbeauftragten weiterhin ab. Damit seien die Rechte des Untersuchungsausschusses außer Kraft gesetzt, sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner. Auch der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz forderte einen eigenen Blick in die Selektorenliste. Ein Ermittlungsbeauftragter wäre "nur als Merkel-Puffer dazwischengschaltet, damit die problematischen Dinge nicht mit der ganzen Härte bei der Bundeskanzlerin aufschlagen", kritisierte von Notz.
Der Untersuchungsausschuss begann am Mittag mit der Befragung früherer Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, die mit der Aufsicht über die Arbeit der Geheimdienste befasst waren. Als Zeugen geladen waren zwei ehemalige Referatsleiter und ihr Gruppenleiter. Sie waren zwischen 2005 und 2011 im Kanzleramt mit Geheimdienstfragen befasst.
Der Ausschuss möchte wissen, inwieweit das Kanzleramt damals Kenntnis von fragwürdigen Lauschaktionen des BND im Auftrag der NSA hatte. Es geht dabei um den Verdacht, dass die NSA den deutschen Dienst zur Ausspähung europäischer Unternehmen und Regierungsstellen eingespannt haben könnte. Am Freitag soll dann der ehemalige BND-Chef Ernst Uhrlau vor dem Ausschuss aussagen.
Quelle: ntv.de, hul/AFP