Politik

Die FDP will ein Nachbeben Bundestag streitet über Seehofer-Plan

Seehofer nahm heute wieder zum Asylstreit Stellung.

Seehofer nahm heute wieder zum Asylstreit Stellung.

(Foto: dpa)

Nachdem der Unionsstreit um die Asylpolitik gestern ein politisches Beben ausgelöst hat, will die FDP den Konflikt zwischen CDU und CSU weiter anheizen. Im Bundestag offenbaren sich die Konfliktlinien.

FDP-Chef Christian Lindner machte gar keinen Hehl daraus. Als eine Journalistin ihn fragte, ob er den Streit zwischen CDU und CSU noch weiter anheize, sagt er in aller Kürze: "Ja". Schon am Ende des gestrigen Tages, an dem sich offenbart hatte, wie tief der Bruch zwischen den Unionsparteien ist, legte die FDP einen Antrag vor, mit dem sie die Abgeordneten zwingen wollte, im Streit um den Masterplan Migration von Bundesinnenminister Horst Seehofer, Farbe zu bekennen. Der Entschließungsantrag hätte eine namentliche Abstimmung nach sich gezogen. Das Ergebnis hätte ein detailliertes Lagebild darüber abgegeben, wer in der Union hinter Seehofer steht und wer nicht – und hätte die Stimmung definitiv weiter angeheizt.

Lindner gab zu, den Konflikt weiter anheizen zu wollen.

Lindner gab zu, den Konflikt weiter anheizen zu wollen.

(Foto: imago/Christian Thiel)

Doch dazu kommt es nicht. Mit großer Mehrheit entscheidet sich das Parlament gegen eine solche Abstimmung, nur 73 von 653 anwesenden Abgeordneten sind dafür. Doch die FDP hält das Thema dennoch auf der Agenda. In einer von den Liberalen einberufenen Aktuellen Stunde am Nachmittag müssen die Parteien Stellung beziehen zu dem Thema, das derzeit die Sprengkraft hat, die noch junge Regierung platzen zu lassen. Dabei zeigt sich, welche Lager sich gebildet haben.

Der FDP-Abgeordnete Marco Buschmann kritisiert zwar den Zwist zwischen den Unionsparteien, spricht von einer Lage, für die "einem die Worte fehlen". Gleichzeitig lobt er, man habe "endlich einen Plan gefunden. Einen Masterplan". Innenminister Seehofer auf der Regierungsbank lauscht den Ausführungen aufmerksam. Die Bevölkerung habe einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie die Regierung das Thema "in den Griff bekommen will", sagt Buschmann. Das Vernachlässigen von Migrations- und Asylpolitik habe schließlich bereits dazu geführt, dass ein EU-Staat - Großbritannien - die Union verlasse. Zustimmung erntet er damit nicht nur bei seinen Parteikollegen und der CSU, auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland klatscht in die Hände und dreht sich zu seiner Fraktion um, als wolle er sie zum Nachahmen auffordern. Bis eine EU-weite Regelung gefunden sei, müsse es "selbstverständlich" auch stichpunktartige Kontrollen an den Grenzen geben, so Buschmann.

Union hält sich mit Kritik zurück

Seehofer blickt abwechselnd zum FDP-Redner, dann in die eigenen Reihen. Die Liberalen sind beim Thema Zuwanderung derzeit näher an seinen Forderungen, als Teile seiner eigenen Fraktion, jene nämlich, die den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel unterstützen. Wie groß die Lager der Merkel- und der Seehofer-Unterstützer genau sind, darüber lässt sich jedoch nur spekulieren.

Deutliche Kritik an Seehofers Vorhaben ist von Unionsrednern jedenfalls heute nicht zu hören. Der niedersächsische CDU-Abgeordnete Mathias Middelberg möchte zwar daran erinnern, dass ein Plan zu Migration und Asyl schon im Koalitionsvertrag vereinbart sei. Doch frontale Angriffe aus der Unionsfraktion muss Seehofer nicht befürchten. Das liegt vielleicht auch daran, dass an diesem Freitagnachmittag - kurz vor dem Wochenende sind Plenumssitzungen des Bundestages traditionell schlecht besucht - die CSU-Abgeordneten in den Reihen der Union deutlich Präsenz zeigen.

Der Unionsabgeordnete Detlef Seif sagt, man könne es der Bevölkerung nicht "erklären", dass "jemand, der woanders schon einen Asylantrag gestellt hat, dennoch nach Deutschland einreisen kann". Seine Fraktion applaudiert geschlossen. Er lobt Seehofer dafür, dass er mit seinem Masterplan einen "umfassenden und vernetzten" Ansatz verfolge und gibt dennoch zu bedenken - Kritik durch die Blume - die Kanzlerin müsse versuchen, eine europäische Lösung zu finden. Erst wenn das scheitere, müsse ein nationalstaatliches Konzept her.

Jelpke: Debatte "gespenstisch"

Mehr Gegenwind bekommt der Innenminister von anderen Fraktionen. Ulla Jelpke von den Linken beschreibt die Debatte als "gespenstisch", weil niemand die Details von Seehofers Masterplan kenne. Mit der Unterstützung der FDP und der AfD - wörtlich "die rechte Seite des Parlaments" - wolle er "das Asylrecht weiter aushöhlen". Filiz Polat von den Grünen wirft Seehofer vor, er lasse sich auf eine "Achse der Willigen mit den Rechtspopulisten ein" statt sich bereit zu zeigen "Verantwortung zu übernehmen". Beide kritisieren, Seehofer fahre mit seinem Masterplan vor allem eine Wahlkampfstrategie. "Sie wollen dieses aufgeheizte Klima, um sich im bayrischen Wahlkampf als Scharfmacher in Szene zu setzen", sagt Jelpke.

Und was sagen die übrigen Fraktionen zum Thema? Der Redner der größten Oppositionspartei AfD, Gottfried Curio, verknüpft die Asylpolitik, wie schon andere AfD-Politiker vor ihm, mit dem Mord an der 14-jährigen Susanna F. in Wiesbaden. Die Einwanderungspolitik sei "staatlich verordneter Mädchenmord", es müsse Schluss sein mit der Zuwanderung eines "Millionenheers archaisch geprägter Muslime" und die Verantwortliche - Merkel ist gemeint - müsse endlich zurücktreten.

Und der SPD-Abgeordnete Lars Castelucci kritisiert, es sei nicht nachvollziehbar, dass eine Bundestagssitzung (die gestrige) für vier Stunden unterbrochen werde, um internen Streitereien der Union Raum zu geben. Sein Vorwurf an Seehofer: "Sie veranstalten Chaostage, weil sie Angst um ihre Landtagswahl haben".

Der Innenminister selbst würde das freilich niemals zugeben - dass er in Berlin Wahlkampf für Bayern macht. Doch irgendwie ist es ein offenes Geheimnis, dass CSU-Urgestein Seehofer vor der parlamentarischen Sommerpause noch die Gelegenheit nutzen will, um in der Asylpolitik klare Kante zu zeigen, um der AfD in Bayern Wähler abzuringen. Einer seiner Unionskollegen spricht es sogar ganz offen aus. "Lassen Sie sich nicht täuschen", sagt der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Alexander Throm, "die Übereinstimmung in der Unionsfraktion ist größer als sie denken." Das Ziel der Union müsse es sein, "Typen wie Curio wieder aus den Parlamenten herauszubekommen, auch in den Ländern."

Quelle: ntv.de

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