Wann kommt das Ergebnis? Die Brexit-Nacht wird lang
23.06.2016, 17:58 Uhr
Die ersten Stimmen sind abgegeben. Doch das Ergebnis wird noch eine Weile auf sich warten lassen.
(Foto: dpa)
Anders als bei gewöhnlichen Wahlen wird es nach Ende des Referendums keine schnellen, zuverlässigen Prognosen geben. Zahlen und Teilergebnisse dürften im Laufe der Nacht zwar viele kommen. Doch welchen kann man vertrauen?
Bei den meisten Wahlen in Europa geben Exit Polls – stichprobenartige Umfragen an den Wahllokalen, wie sich die Wähler tatsächlich entschieden haben – bereits Momente nach dem Ende der Abstimmung ein zuverlässiges Bild vom Ergebnis. Beim Brexit-Referendum wird das nicht der Fall sein. Erst am frühen Morgen, bei einem sehr knappen Ergebnis noch später, dürfte aus Hochrechnungen der ausgezählten Stimmen abzulesen sein, ob Großbritannien aus der EU austritt.
Dass sie anders als bei den regulären Wahlen im Land keine Exit Polls durchführen lassen und veröffentlichen, begründen Umfrageinstitute und britische Medien wie die BBC mit der Einzigartigkeit des Referendums. Die meistbeachtete Exit Poll, die traditionell unter anderem von den TV-Sendern BBC, Sky und ITV veröffentlicht wird, beruht auf Analysen von Wissenschaftlern unter anderem der Universitäten Strathclyde und Warwick. Für ein aussagekräftiges Ergebnis benötigen die Statistiker Ergebnisse vorheriger Wahlen, einerseits um repräsentative Stichproben für ihre Umfrage am Wahltag auszusuchen und andererseits um Änderungen gegenüber der vorangegangenen Wahl auszuwerten.
Aus den Stichproben und aus einem statistischen Modell, in das ebenfalls historische Erfahrungswerte einfließen, errechneten die Wissenschaftler bei den vergangenen Unterhauswahlen ein recht zuverlässiges Ergebnis, das bereits zur Verfügung steht, wenn die Wahllokale schließen. Da es für das Brexit-Referendum keine Erfahrungswerte gibt, gibt es diesmal – wie auch beim schottischen Unabhängikeitsreferendum 2014 – keine traditionellen Exit Polls.
Manche Banker wissen mehr
Dennoch wird zumindest der Sender Sky News unmittelbar nach Ende des Referendums um 22 Uhr britischer Zeit (23 Uhr mitteleuropäischer Zeit) eine Umfrage veröffentlichen. Ob die Zahlen des Umfrageinstituts YouGov ähnlich zuverlässig sind wie die traditioneller Exit Polls oder nicht, ist allerdings umstritten. YouGov wird online Angaben einer Gruppe von Wählern nach deren Stimmabgabe auswerten. Dazu seien die Teilnehmer zuvor bereits nach ihren Präferenzen befragt und als repräsentativ ausgewählt worden, erklärte ein YouGov-Sprecher gegenüber Reuters. Beim Schottland-Referendum konnte das Institut mit dieser Methode das Ergebnis mit einer Abweichung von weniger als einem Prozent prognostizieren. Bei der letzten Unterhauswahl dagegen lag YouGov weit daneben.
Auch eine Reihe anderer privater Institute werden Umfragen an den Wahllokalen durchführen - allerdings nicht für die Öffentlichkeit. Laut einem Bericht der "Financial Times" haben mehrere Banken und Hedgefonds trotz aller statistischen Unwägbarkeiten eigene Exit Polls in Auftrag gegeben. Denn an den Finanzmärkten steht so viel auf dem Spiel, dass die großen Player nicht auf die offiziellen Ergebnisse warten möchten, etwa um ihre Wetten auf oder gegen das britische Pfund zu platzieren. Manche Beobachter raten daher, auf die Kursbewegungen der britischen Währung zu achten, denn die könnten von Leuten verursacht sein, die mehr wissen, als die Öffentlichkeit. Allerdings können diese auch lediglich von Gerüchten getrieben sein.
Gibraltar hilft auch nicht weiter
Relativ schnell wird die Wahlbeteiligung verkündet werden. Allerdings ist völlig unklar, was die aussagt. Einige Experten behaupten eine hohe Wahlbeteiligung deute auf einen Vorteil für das Brexit-Lager hin, andere sagen genau das Gegenteil.
Erste Auszählungsergebnisse werden gegen ein Uhr mitteleuropäischer Zeit erwartet. Doch auch die werden noch keine brauchbaren Hinweise auf das Endergebnis liefern. Denn zu den ersten Wahlkreisen, die ausgezählt werden, gehören Gibraltar und die Scilly-Inseln im Atlantik. Beide sind erstens klein und zweitens aufgrund ihrer Lage nicht repräsentativ für den Rest Großbritanniens.
Erst nach vier Uhr - abhängig davon, wie knapp das Ergebnis ist - dürften genug Wahlbezirke ausgezählt sein, um zuverlässige Hochrechnungen zu ermöglichen. Sofern es keine größeren Unregelmäßigkeiten oder Nachzählungen gibt, wird die Oberste Wahlleiterin das Ergebnis dann am späteren Morgen offiziell im Rathaus von Manchester verkünden.
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Quelle: ntv.de, mbo