Zweifel am Polizeieinsatz in Köln Die Grünen lassen Peter allein im Shitstorm
03.01.2017, 16:50 Uhr
Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, "wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden", sagte Grünen-Chefin Peter.
(Foto: imago/Eibner)
Die Kritik an Grünen-Chefin Simone Peter wegen ihren Äußerungen zum Kölner Polizei-Einsatz ist zu einem Shitstorm angeschwollen. Doch nicht einmal Parteikollegen stärken ihr den Rücken.
Simone Peter dürfte sich gerade ziemlich im Stich gelassen fühlen. Aus der Kritik an ihren Äußerungen zum Kölner Polizeieinsatz ist längst ein Shitstorm geworden. "Bild"-Online titelte: "Dumm, dümmer GRÜFI" und bezeichnete die Grünen-Chefin damit als "Grün-Fundamentalistisch-Realitsfremde Intensivschwätzerin". Und das ist nur einer von vielen Beiträgen, die nun das Niveau der Debatte vorgeben. Auf ihrer Facebook-Seite gibt es mehr als 6000 Kommentare - viele strotzen nur so vor Verachtung. "Ich bin sprachlos über so viel Dummheit, Naivität und Staatsverachtung", schreibt ein Nutzer. "Sie sind die Unverschämtheit und Undankbarkeit in Person", ein anderer. Rückhalt aus ihrer Partei bekommt die Grünen-Chefin trotzdem nicht.
Vertreter von Peters linkem Parteiflügel nahmen die Angriffe auf ihre Vorsitzende bisher schweigend hin. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, äußerte sich noch gar nicht öffentlich zu dem Polizei-Einsatz. Der migrationspolitische Sprecher, Volker Beck, sagte lediglich, er wolle sich erst dann zu Wort melden, wenn er die Sichtweise aller Seiten ausreichend kenne.
Grüne vom Realo-Flügel wiederum erhöhten den Druck auf die Parteivorsitzende gar, indem sie in die Empörung über ihre Äußerungen mit einstimmten. "Vorwürfe an die Polizei vom Schreibtisch aus sind nicht sinnvoll - für die Bewertung der Arbeit gibt es gewählte parlamentarische Gremien", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. Die innenpolitische Sprecherin, Irene Mihalic, warf Peter "pauschale Kritik" vor.
Dabei hatte Peter von Anfang an weder von Rassismus noch ausdrücklich von Racial Profiling (Polizeimaßnahmen, die auf ethnischen Zuschreibungen, beruhen) gesprochen. Sie sagte, dass ein Großaufgebot der Polizei die Zahl sexueller Übergriffe zwar deutlich begrenzt habe und fügte hinzu: "Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden." Peter verwies auf Artikel 3 des Grundgesetzes und sie tat das eher vorsichtig. Ihre Kritik am Begriff "Nafris" wiederum, den die Kölner Polizei für "Nordafrikaner" oder "Nordafrikanische Intensivtäter" nutzt, halten selbst der Kölner Polizeipräsident und das Bundesinnenministerium für gerechtfertigt.
Vielen, die Peter jetzt auf ihrer Facebook-Seite kritisieren, ist es egal, ob es am Kölner Bahnhof zu Racial Profiling gekommen ist. Die meisten anderen tun so, als sei es längst ein Fakt, dass davon keine Rede sein könne. Denn die Kölner Polizei weist den Vorwurf zurück, allein aufgrund des Aussehens Personenkontrollen durchgeführt zu haben. Sie spricht von einem "alkoholisierten" und "aggressiven" Auftreten bestimmter Personengruppen, das Voraussetzung für die Überprüfungen gewesen sei. Die Berichte einiger Reporter, die in der Nacht vor Ort waren, widersprechen dieser Darstellung aber.
Nicht der erste Schlag für Peter
Für die Parteichefin ist der mangelnde Rückhalt aus den eigenen Reihen ein Schlag, und er ist nicht der erste. Die Traum-Vorsitzende der Grünen war Peter wohl nie. Da sie als hervorragende Sachpolitikerin galt, erhielt sie ihr Amt 2013 auf dem Parteitag in Berlin aber immerhin mit 77 Prozent der Delegiertenstimmen. Schon damals fiel aber auf, dass die Grünen geradezu wehmütig Abschied von der leidenschaftlichen Claudia Roth nahmen. In den Monaten, die darauf folgten, zeigten sich Parteikollegen mitunter entsetzt darüber, wie unsicher Peter bei öffentlichen Auftritten wirkte. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit ihrem Co-Vorsitzenden Cem Özdemir über unabgestimmte Vorstöße und angeblich mangelnde Teamfähigkeit.
Beim Parteitag in Halle 2015 stimmten nur noch 68 Prozent der Delegierten für Peter. Für das Amt der Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, über das die Grünen dieser Tage abstimmen, trat sie schon gar nicht mehr an – obwohl damit Katrin Göring-Eckardt vom Realo-Flügel praktisch gesetzt ist. Die schloss sich der Kritik an Peter ebenfalls an, indem sie vor "sinnlosen Debatten" warnte.
Allein mit sinkender Beliebtheit Peters lässt sich der mangelnde Rückhalt in der eigenen Partei allerdings kaum erklären. Die massenhaften sexuellen Übergriffe auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz aus dem Vorjahr, die erst zur massiven Polizeipräsenz in der jüngsten Silvesternacht geführt haben, waren für die Grünen schwer zu verarbeiten. Für die Kritiker der Ökopartei wurde jene Nacht zum Sinnbild einer angeblichen ideologischen Verblendung im Umgang mit Migranten, für falsch verstandene Toleranz. Die Partei will dieses Image loswerden und ringt um einen geeigneten Kompromiss aus einem beherzten Kampf gegen Rassismus, einer menschenwürdigen Zuwanderungs- und Integrationspolitik und überzeugenden Sicherheitskonzepten. Das ist nicht einfach in Zeiten, in denen die Angst vor Gewalt und Terror genauso zunimmt wie die Polarisierung der Gesellschaft.
Selbst der linke Flügel der Partei scheint sich angesichts dieses Dilemmas nicht dazu durchringen zu können, Peter zumindest gegen allzu maßlose Schmähungen zu verteidigen. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass sie nochmals für den Posten der Parteichefin kandidiert, nicht unbedingt.
Quelle: ntv.de