Politik

Hakenkreuze, Glatzen, Drohungen Dresdner Asylbewerber leben in Angst

In dieser Plattenbausiedlung wurde Khaled gefunden.

In dieser Plattenbausiedlung wurde Khaled gefunden.

(Foto: dpa)

Die Dresdner Polizei wird zur blutigen Leiche von Asylbewerber Khaled gerufen, sieht aber zunächst kein Delikt. Jetzt erzählt der Dolmetscher seiner Mitbewohner n-tv.de von Hakenkreuzen auf der Wohnungstür - und Glatzköpfen im Treppenhaus.

Zerai Abraham hat derzeit viel zu tun. Er ist Dolmetscher aus Berlin, momentan arbeitet er in Dresden. Er übersetzt für die Freunde und Mitbewohner des toten Khaled Idris Bahray. Der Asylbewerber aus Eritrea wurde umgebracht, so viel ist inzwischen sicher. Vieles andere ist dagegen nicht sicher - vor allem nicht, wer dem 20-Jährigen die Stichverletzungen zufügte, die zu seinem Tod führten. Die Polizei ermittelt nun gemeinsam mit dem Operativen Abwehrzentrum, das schwerpunktmäßig für Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund zuständig ist.

Der Fundort wurde von der Polizei nicht abgesperrt.

Der Fundort wurde von der Polizei nicht abgesperrt.

(Foto: dpa)

"Die Leute haben Angst", erzählt Zerai n-tv.de über Khaleds Bekannte. Sie sind der Dresdner Polizei gegenüber misstrauisch - und wütend. Als Khaled im südlichen Stadtteil Leubnitz-Neuostra gefunden wird, mit sichtbaren Blutspuren und Stichwunden an Brust und Hals, sagen die Polizisten, es habe keine Fremdeinwirkung gegeben. Möglich sei ein Selbstmord. Das ist Dienstagmorgen. Die Pressemitteilung ist mit dem Zeitstempel 7:40 Uhr versehen, verschickt wurde sie um 15:30 Uhr.

Die Reporter der "Mopo24" glauben nicht daran, dass ein 20-Jähriger einfach tot umfällt und fahren zum Fundort. Dort finden sie zahlreiche Blutspuren. Eine Absperrung gibt es nicht. Nach mehrfacher Nachfrage bei Dresdens Polizeichef Dieter Kroll gibt dieser schließlich am Abend an, Khaled sei getötet worden. Am Mittwochmorgen veröffentlicht die Zeitung ihre Titelgeschichte zum Fall.

Erst 30 Stunden nachdem die Leiche gefunden wurde, am Mittwoch um 13 Uhr, rückt die Spurensicherung in der Plattenbausiedlung an, sagt Dolmetscher Zerai. Um 14 Uhr sitzt er gemeinsam mit Khaleds Mitbewohnern auf der Wache und dolmetschte bei den Vernehmungen durch die Polizei. Sie sprechen den Fall durch: Khaled hatte am Montagabend zum nah gelegenen Supermarkt gehen wollen, Zigaretten holen. Sein Telefon ließ er in der Wohnung. Er kam nicht wieder. Am kommenden Morgen lag er tot im Hof der Siedlung, blutend aus Mund und Nase.

Bekannte Schmierereien

Khaleds Mitbewohner berichten den Ermittlern nicht nur von der Nacht, in der Khaled nicht wiederkam, sondern auch von den Hakenkreuzen auf ihrer Wohnungstür, die sie selbst wieder abschrubbten. Der Fall war bekannt, die Schmierereien wurden wenige Tage vorher zur Anzeige gebracht. Sie erzählen den Beamten auch von "Glatzköpfen", die auf der Treppe des Plattenbaus herumhingen und den dunkelhäutigen Asylbewerbern den Weg versperrten, sie nicht vorbei lassen wollten.

Weil die Spurensicherung erst nach 30 Stunden ihre Arbeit aufnahm, stellt Grünen-Politiker Volker Beck am Donnerstag Strafanzeige gegen die Polizei - wegen möglicher Strafvereitelung. Nun geben die Ermittler auch eine weitere Pressemitteilung heraus. Jetzt ermittelt die Mordkommission, wegen Totschlags. Eine Tatwaffe sei bislang nicht gefunden worden, heißt es. Mit Spürhunden solle ein Bewegungsprofil des getöteten Asylbewerbers erstellt werden.

Der sächsische Innenminister, der oberste Dienstherr der Dresdner Polizei, hält die Anzeige durch Volker Beck für unnötig: "Strafanzeigen aus der Politik helfen keinen Deut bei der Aufklärung, Zurückhaltung und Respekt vor der Ermittlungsarbeit aber schon", sagt Markus Ulbig von der CDU. Was er nicht sagt: Warum sich die Polizei so lange Zeit ließ. Dresdens Polizei sagt, wegen eines offenen Schlüsselbeinbruchs seien die Messerstiche zuerst nicht erkennbar gewesen.

Die Mitbewohner und Freunde von Khaled haben jedoch schon ihre eigenen Schlüsse gezogen. "Sie wollen nach Westdeutschland", sagt Zerai.

Quelle: ntv.de

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