Anschlagserie erschüttert Kabul Dutzende Tote bei zwei Selbstmordattentaten
07.08.2015, 22:35 Uhr
Etliche Häuser im Viertel Schah Schahid im Osten Kabuls sind nach der Explosion schwer beschädigt.
(Foto: imago/Xinhua)
Kabul befindet sich einmal mehr im Ausnahmezustand. Binnen 24 Stunden kommt es in der afghanischen Hauptstadt zu zwei verheerenden Attentaten. Die Eskalation könnte im Zusammenhang mit inneren Auseinandersetzungen bei den Taliban stehen.
Bei zwei Selbstmordanschlägen nahe einer Militärbasis und der Polizeiakademie von Kabul sind am Freitag mindestens 35 Menschen getötet worden. Beim ersten Anschlag wurden kurz nach Mitternacht 15 Zivilisten von der Explosion einer riesigen Bombe in den Tod gerissen. Am Abend sprengte sich dann ein Attentäter in Polizeiuniform nahe der Polizeiakademie der afghanischen Hauptstadt in die Luft und tötete mindestens 20 Polizeianwärter.
Ein hoher Mitarbeiter des afghanischen Geheimdiensts sagte, der zweite Attentäter sei zu Fuß unterwegs gewesen. Er habe sich in der Nähe der Akademie in die Luft gejagt, als gerade Polizeianwärter nach dem zweitägigen Wochenende in die Schule zurückkehrten.
Wegen seiner Polizeiuniform sei es ihm gelungen, nah an eine Gruppe von Polizisten heranzukommen. Mehr als 20 Polizeianwärter seien bei dem Anschlag verletzt worden. Ein Vertreter der Sicherheitskräfte gab die Zahl der Toten mit 25 an. An der im Westen Kabuls gelegenen Polizeiakademie beenden jedes Jahr bis zu 3000 Polizeianwärter ihre Ausbildung.
Taliban distanzieren sich von nächtlichem Anschlag
Der Anschlag erfolgte weniger als 24 Stunden nach einem Bombenattentat in Kabul, bei dem in der Nacht 15 Menschen getötet und 240 weitere verletzt worden waren. Die Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Lastwagens in der Nähe eines Militärstützpunkts riss ein zehn Meter tiefes Loch in die Straße.
Die aufständischen Taliban bekannten sich umgehend zu dem Angriff nahe der Polizeiakademie, distanzierten sich aber - wie üblich bei Angriffen mit vielen zivilen Opfern - von dem Anschlag in der Nacht. Bei der Explosion der Bombe in dem dicht besiedelten Viertel Schah Schahid im Osten Kabuls wurden viele Menschen im Schlaf durch zerberstende Scheiben verletzt. Unter den 240 Verletzten waren 47 Frauen und 33 Kinder, wie ein Regierungssprecher mitteilte.
Neue Eskalation der Gewalt
Es handelte sich um die ersten größeren Angriffe in der afghanischen Hauptstadt seit der Bekanntgabe des Todes des langjährigen Taliban-Anführers Mullah Omar in der vergangenen Woche. Mullah Achtar Mansur wurde zum neuen Anführer bestimmt, doch wird er von großen Teilen der islamistischen Rebellenbewegung wegen seiner Nähe zur Regierung in Pakistan und seiner Befürwortung von Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul abgelehnt.
Die aktuelle Eskalation der Gewalt spiegelt nach Ansicht von Analysten den Versuch des neuen Taliban-Führers Mullah Mansur, sein Image bei der Basis aufzupolieren und die Aufmerksamkeit von den internen Differenzen abzulenken. Der Militäranalyst Mirsa Mohammed Jarmand in Kabul sagte: "Die neue Angriffswelle zeigt, dass Mullah Mansur nicht besser ist als Mullah Omar."
Die afghanischen Sicherheitskräfte müssen erstmals eine Sommeroffensive der Taliban praktisch allein bewältigen, nachdem die internationalen Truppen ihren Kampfeinsatz im Dezember beendeten. Für Ausbildungs- und Anti-Terror-Einsätze sind aber noch rund 13.000 ausländische Soldaten im Land. Die Nato in Afghanistan verurteilte den Anschlag vom Freitag als eine „verachtenswerte Gewalttat“.
Quelle: ntv.de, jja/AFP/dpa