"Nicht für Diktatur zahlen" EU-Kommission droht Polen mit Geldentzug
19.07.2017, 05:05 Uhr
Welche Fördergelder sollen Ländern zustehen, die den demokratischen Pfad verlassen?
(Foto: dpa)
Vor den Beratungen der EU-Kommission über die umstrittene Justizreform in Polen sagt Justizkommissarin Jourova: Steuerzahler wollten bestimmt nicht eine "Art von Diktatur" unterstützen. Sie will zukünftige Zahlungen an den Erhalt des Rechtsstaats koppeln.
Als Reaktion auf den Umgang der polnischen Regierung mit dem Gerichtswesen des Landes hat die EU-Justizkommissarin Vera Jourova den Entzug von EU-Fördergeldern angedroht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwa deutsche oder schwedische Steuerzahler für die Errichtung einer Art von Diktatur in einem anderen EU-Land bezahlen wollen", sagte Jourova der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Die EU-Kommission befasst sich am Mittwoch mit der umstrittenen Reform. Der Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans wird seine Kollegen über die jüngsten Pläne der rechtsnationalen Regierung in Warschau informieren, verstärkt die Besetzung von Richterstellen zu kontrollieren. Eine Entscheidung will das Gremium laut einem Sprecher am Mittwoch aber noch nicht treffen.
Zur Sprache kommen müsse die "Einhaltung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien als Bedingungen dafür, dass ein EU-Staat Geld vom europäischen Steuerzahler bekommt", sagte Jourova, die aus Tschechien stammt. Es gehe dabei nicht um laufende Gelder, sondern erst um die Mittel der nächsten Förderperiode, die im Jahr 2021 beginnt.
Jourova kritisierte die Maßnahmen der rechtsnationalistischen Regierung in Warschau im Justizbereich scharf: "Wir sehen eine systematische Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit in Polen, weil das Machtgleichgewicht zwischen Judikative und Exekutive zerstört wird."
Da das von der EU-Kommission bereits eingeleitete Rechtsstaatsverfahren gegen Polen voraussichtlich keine Sanktionen auslösen werde, müssten neue Druckmittel erwogen werden: "Der Entzug von Fördergeldern ist ein harter Schritt, aber wir müssen über harte Schritte nachdenken", sagte Jourova.
Wegen einer vorangegangenen Justizreform hatte die EU-Kommission bereits im Januar 2016 ein Verfahren wegen Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit gegen Warschau eingeleitet. Grund war damals die Reform des Verfassungsgerichts, die aus Sicht Brüssels die Unabhängigkeit der Richter und letztlich die Demokratie in Polen in Gefahr bringt. Das bisher in der EU-Geschichte einmalige Verfahren gegen einen Mitgliedstaat kann bis zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene führen.
Quelle: ntv.de, rpe/AFP