Politik

Europäische Grundwerte adé? EU beschließt Flüchtlingsplan für Libyen

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Mehr als 180.000 Menschen reisen 2016 von Libyen aus nach Italien und somit in die EU ein. Sobald der Winter vorbei ist, könnten erneut Hunderttausende die gefährliche Überfahrt wagen. Um das zu verhindern, treibt die EU ihre Zusammenarbeit mit Libyen voran.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich bei ihrem Gipfel in Malta auf eine gemeinsame Strategie geeinigt, um zu verhindern, dass dieses Jahr erneut Zehntausende Flüchtlinge über Libyen nach Europa kommen. Sie vereinbarten einen Zehn-Punkte-Plan mit dem Ziel, die sogenannte zentrale Mittelmeerroute zu schließen. Kurzfristig wurde ein Verweis auf ein italienisch-libysches Flüchtlingsabkommen in den Text aufgenommen, das Donnerstagabend geschlossen wurde.

Libyen ist von einem jahrelangen Bürgerkrieg zerrüttet und mit Abstand das wichtigste Transitland für Migranten, die von Afrika aus nach Europa wollen. Die EU sagt der libyschen Küstenwache mehr Hilfe bei Ausbildung und Ausrüstung zu, damit sie Schmuggler auf der Route nach Italien stoppen kann. Zudem sollen internationale Organisationen unterstützt werden, die Zustände in libyschen Flüchtlingslagern zu verbessern. Auch soll die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat gefördert und der Grenzschutz zu den libyschen Nachbarländern verstärkt werden.

Italien als Vorreiter

Die Route über Libyen ist die Hauptroute für Flüchtlinge aus Afrika, die nach Europa wollen.

Die Route über Libyen ist die Hauptroute für Flüchtlinge aus Afrika, die nach Europa wollen.

(Foto: dpa)

Italien hatte zuvor bereits ein gesondertes Abkommen mit der libyschen Einheitsregierung geschlossen. Die italienische Regierung versprach dem nordafrikanischen Land zum Schutz vor Flüchtlingen Geld, die beschleunigte Ausbildung der libyschen Küstenwache und Ausrüstung.

Beide Staaten vereinbarten auch "vorübergehende Aufnahmelager in Libyen unter ausschließlicher Kontrolle des libyschen Innenministeriums". Dorthin sollen Flüchtlinge zur Abschiebung in ihre Heimatländer oder bei einer freiwilligen Rückkehr gebracht werden. Finanziert werden sollen die Lager zunächst durch Italien, später sind dafür auch EU-Gelder denkbar.

Allein im vergangenen Jahr kamen mit Hilfe von Kriminellen mehr als 180.000 Menschen über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien. Tausende weitere ertranken, weil ihre nicht seetüchtigen Boote kenterten. Etwa 90 Prozent der Menschen kamen über Libyen.

EU befürchtet Massenansturm

Ab dem Frühjahr fürchtet die EU einen neuen starken Anstieg der Flüchtlingszahlen über diese Route. Nach Angaben von EU-Vertretern gibt es Schätzungen, wonach derzeit 300.000 bis 350.000 Menschen in dem nordafrikanischen Land auf die Überfahrt nach Europa warten.

Hilfsorganisationen haben keinerlei Verständnis für die Pläne. Eine Zusammenarbeit mit Libyen, die vor allem der Abwehr von Migranten und Flüchtlingen diene, werfe die europäischen Grundwerte über Bord, kritisierte Oxfam. Die Organisation Pro Asyl und der Paritätische Wohlfahrtsverband sprachen in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel von einem "Tiefpunkt europäischer Flüchtlingspolitik".

Quelle: ntv.de, chr/AFP/dpa

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