Politik

Verteilung, Quote, Freiwilligkeit? EU ringt vor Flüchtlingsgipfel um Einigkeit

Am Montag entscheiden die EU-Innenminister über die Verteilung der Flüchtlinge.

Am Montag entscheiden die EU-Innenminister über die Verteilung der Flüchtlinge.

(Foto: AP)

Dürfen EU-Länder sich von der Aufnahme Geflohener "freikaufen"? Soll es allgemeingültig "sichere Herkunftsländer" geben? Vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister sind viele Fragen noch offen.

Was liegt auf dem Tisch?

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus den stark belasteten Ankunfts- und Transitländern Griechenland (50.400), Italien (15.600) und Ungarn (54.000) auf die anderen EU-Länder. Erreichen will er das über verbindliche Quoten, die sich nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit und bisherigen Asylanträgen richten.

Müssten sich alle EU-Staaten beteiligen?

Nein. Großbritannien nimmt nicht an der gemeinsamen EU-Innenpolitik teil. Auch Dänemark und Irland müssen wegen Sonderregelungen keine Flüchtlinge aufnehmen, wenn sie nicht wollen.

Welche Länder sind gegen den Verteilungsvorschlag?

Widerstand gegen die Quoten kommt vor allem aus Osteuropa. Die sogenannten Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn wollen selbst entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen. Auch die Baltischen Staaten sehen Pflichtquoten kritisch.

Warum ist Ungarn dagegen, wenn es von der Umverteilung profitiert?

Budapest sieht offenbar nur ein vorübergehendes Problem und pocht auf die Einhaltung der Dublin-Regeln. Demnach müssen Flüchtlinge in dem Land bleiben und einen Asylantrag stellen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten haben. Tatsächlich waren viele der Flüchtlinge in Ungarn vorher bereits in Griechenland. Budapest verweist zudem darauf, dass die meisten nach Deutschland weiter wollen und gar nicht in Ungarn bleiben.

Wird es die Möglichkeit geben, sich von den Quoten "freizukaufen"?

Die EU-Kommission will bei Vorlage von "triftigen, objektiven Gründen" zulassen, dass Mitgliedstaaten für maximal zwölf Monate nicht an der Umverteilung teilnehmen. Mehrere Länder aus den Reihen der Quotengegner haben laut Diplomaten schon Interesse bekundet. Deutschland ist strikt dagegen und fürchtet, dass die Ausstiegsklausel letztlich nicht nur bei Naturkatastrophen Anwendung findet, wie von Junckers Leuten vorgeschlagen.

Schlägt die Kommission erstmals eine Umverteilung vor?

Nein. Schon im Mai wollte Brüssel 40.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland über verpflichtende Quoten verteilen. Auch damals waren die Osteuropäer dagegen. Letztlich sagten auf freiwilliger Basis 22 der 28 EU-Staaten die Aufnahme von 32.256 Menschen zu. Die Gesamtzahl von 40.000 soll nun möglichst bis Dezember erreicht werden. Dies werden die Innenminister nochmals formell beschließen. Es bleibt aber bei der Freiwilligkeit, neue Zusagen gibt es bisher nicht.

Will es Juncker bei seinen bisherigen Verteilungsvorschlägen belassen?

Nein, Juncker will einen "permanenten Umverteilungsmechanismus" für Flüchtlinge. Dieser soll von der Kommission immer dann aktiviert werden, "wenn ein EU-Mitgliedstaat sich in einer Notlage befindet". Von den Innenministern wird dazu kein endgültiger Beschluss erwartet.

Welche Länder sollen auf der Liste sicherer Herkunftsländer stehen?

Die Kommission will erstmals eine solche Liste auflegen, die EU-weit gültig wäre. Auf ihr stünden Länder, bei denen angenommen wird, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafung oder Behandlung erfolgt. Dies könnte die Asylsysteme der Mitgliedstaaten entlasten und Abschiebungen beschleunigen. Es gebe jedoch bei mehreren Ländern "erhebliche Bedenken", wie vorgeschlagen die Türkei auf die Liste zu setzen, heißt es von Diplomaten. Die Aufnahme von sechs Staaten des Westbalkans sei vor dem Innenministertreffen dagegen "so gut wie sicher". Es handelt sich um Albanien, Bosnien, Mazedonien, Kosovo, Serbien und Montenegro.

Was passiert, wenn die Innenminister am Montag scheitern?

Dann müssen die Staats- und Regierungschefs ran. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, "ohne konkrete Anzeichen von Solidarität und Einigkeit" am Montag werde er noch im September einen Sondergipfel zur Flüchtlingskrise einberufen.

Quelle: ntv.de, Martin Trauth, AFP

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