Politik

Union will SPD-Opfer sehen Große Koalition sucht den Verräter

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Die Union hat mit Agrarminister Friedrich ihr Opfer in der Edathy-Affäre gebracht. Doch dass in den Reihen der SPD möglicherweise jemand den gefallenen SPD-Politiker vor Ermittlungen gewarnt haben könnte, wird die Union nicht ruhen lassen. Nun kommt auch noch ans Licht, dass ein brisanter Brief offenbar heimlich geöffnet wurde.

Kein leichtes Wochenende für Gabriel, Merkel und Seehofer (v. l.).

Kein leichtes Wochenende für Gabriel, Merkel und Seehofer (v. l.).

(Foto: dpa)

Mit dem Rücktritt von Landwirtschaftsminister und Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich in der Edathy-Affäre ist es nicht getan - das ist am vierten Tag des politischen Erdbebens um den wegen Kinderpornografie-Ermittlungen inzwischen untergetauchten SPD-Politiker klar. Und geht es nach der Union, wird der nächste, der in dem verworrenen Fall Verantwortung für verratene Geheimnisse zu übernehmen hat, auf jeden Fall SPD-Mitglied sein.

Mit Friedrich hat die Union in der Angelegenheit bereits ihr unvermeidliches Opfer gebracht. Die CSU ist von der Basis bis zur Parteispitze extrem sauer darüber. Über die "Art und Weise der zukünftigen Zusammenarbeit" werde noch zu reden sein, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Doch mit Friedrichs Rücktritt wegen des Verdachts des Geheimnisverrats hat die Union jetzt womöglich das Schlimmste schon hinter sich. Das gilt auch für Sebastian Edathy, der im Ausland abgetaucht ist. Die politische Karriere der einstigen SPD-Nachwuchshoffnung ist wohl zerstört, ob ihm nun der Besitz von Kinderpornografie nachgewiesen werden wird oder nicht. Der Verdacht reicht, das war auch ihm klar. Inzwischen ist bekannt, dass Edathy sich zwischen 2005 und 2010 Foto- und Filmmaterial besorgt hat, das sich im Grenzbereich zur Kinderpornografie bewegt. Er selbst gab bekannt, er halte das Material für "eindeutig legal".

Merkel hat sich abgesichert

Die Aufmerksamkeit konzentriert sich nun auf das SPD-Trio aus dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann. Es stellten sich "eine ganze Menge Fragen an die SPD", ließ der stinksaure CSU-Chef Seehofer verlauten. Gabriel, Steinmeier und Oppermann waren frühzeitig informiert darüber, dass der Name Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen in Kanada aufgetaucht war. Alle drei beteuern, das für sich behalten zu haben und loben Friedrich für dessen Kollegialität. Doch haben sie wirklich dichtgehalten? Das ist die entscheidende Frage, an der sich diese großkoalitionäre Affäre weiter entspinnt.

Weil die Affäre längst die gesamte Koalition erfasst hat, warten viele darauf, dass Kanzlerin Angela Merkel auch mal etwas sagt. Bis auf ein paar Sätze nach dem Rücktritt Friedrichs hat sich Merkel bisher still verhalten. Die Grünen versuchen bereits Dampf zu machen - ihre Vorsitzende Simone Peter sagte, Merkel müsse dafür sorgen, das Vertrauen in Politik und Justiz wieder herzustellen. Die Kanzlerin stehe an der Spitze eines Kabinetts, das offenbar heillos zerstritten sei.

Bei der Frage, wer wann was wusste, soll sich die Kanzlerin inzwischen systematisch abgesichert haben. Das Kanzleramt prüfte, wer im Haus über Fall Edathy informiert war. Eingeweiht war wohl nur Hans-Dieter Fritsche, der erst seit Dezember im Kanzleramt sitzt. Zuvor war er Staatssekretär im Innenministerium gewesen und hatte als solcher auch Friedrich informiert.

Edathy wäre wohl befördert worden

Die Information über mögliche Ermittlungen gegen Sebastian Edathy gab Friedrich dann an Gabriel weiter. Gabriel informierte dann Oppermann und Steinmeier. Strafbar gemacht hat er sich damit nicht, weil er kein Amtsträger war und der Geheimnisverrat bereits in dem Moment begangen wurde, als Friedrich es ihm sagte. Bei diesem war die Rechtslage so klar, dass er sofort zurücktrat. Denn als Innenminister war er ein Amtsträger und hätte - juristisch gesehen - derartige Informationen nicht weitergeben dürfen.

Politisch rechtfertigte Friedrich die Weitergabe indes damit, dass er Schaden von der zukünftigen Großen Koalition habe abwenden wollen. Dabei soll es nicht in seinem Sinne gewesen sein, dass die vertrauliche Information an gleich zwei Parteifreunde Gabriels weiterging. Die drei verhinderten in der Folge, dass Edathy in der Großen Koalition ein Amt vom Kaliber eines Staatssekretärs erhielt. Wegen seiner Rolle als Leiter des NSU-Untersuchungsausschusses hatte er eigenlich gute Chancen auf einen solchen Posten gehabt.

Oppermann in Widersprüchen

Besonders in der Kritik steht nun Thomas Oppermann. Friedrich sagte nach seinem Rücktritt über Oppermann, dieser habe ihm in letzter Sekunde den Ball zugeschoben. Das sei "nicht ganz fein". Der SPD-Fraktionsvorsitzende hat sich durch widersprüchliche Aussagen den Argwohn vor allem der Unionsseite zugezogen. Hat Oppermann sich von BKA-Chef Jörg Ziercke den Verdacht der Staatsanwaltschaft Hannover gegen Edathy "bestätigen" lassen, wie er es zuerst darstellte? Oder hatte er nur versucht, diese Bestätigung zu bekommen? Nach Darstellung des BKA-Chefs Jörg Ziercke wollte Oppermann auf dem kurzen Dienstweg zwar mehr erfahren. Doch Ziercke will ihm nichts gesagt haben. Oppermann beharrt aber nun darauf, dass er aus dem Gespräch doch den "Eindruck" gewonnen habe, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy nicht ausgeschlossen sei. Und es sei ihm lediglich darum gegangen, "schwere Fehlentscheidungen" bei der Regierungsbildung zu vermeiden.

Das alles verhindert nicht, dass in der Union inzwischen viele überzeugt davon sind, dass jemand aus der SPD Edathy einen Hinweis gegeben hat. Möglich ist das, allein wegen der Anzahl der Eingeweihten. Denn nicht nur Gabriel, Steinmeier und Oppermann wussten es, sondern auch Mitglieder der Niedersachsen-SPD, erwiesenermaßen als Chef der Landes-Polizei mindestens der dortige Innenminister Boris Pistorius.

Edathy soll psychisch am Ende gewesen sein

Edathy könnte aber auch einfach dadurch gewarnt gewesen sein, dass er eben kein hohes Amt in der Großen Koalition bekam. Der "Spiegel" berichtet, Edathys physischer und psychischer Zustand habe sich Ende 2013 drastisch verschlechtert. Einer der wenigen Menschen, die Edathy etwas besser gekannt haben sollen, wird zitiert mit den Worten: "Er hat gelitten wie ein Irrer." Zeitgleich wurden gleichaltrige politische Weggefährten Edathys zu Staatsministern befördert. Dass bei ihm der Karrieresprung trotz seiner allseits gelobten Verdienste im NSU-Untersuchungsausschuss ausblieb, konnte Edathy durchaus stutzig machen. Zumal, da er, wie er in einem per E-Mail mit dem Spiegel geführten Interview darstellt, durch Medienberichte von Ermittlungen gegen eine Firma in Kanada erfahren hatte. Dort hatte er sich Fotos und Filme bestellt - laut "Spiegel" insgesamt 31 Sets.

Laut dem Magazin gibt es jedoch einen anderen Vorgang, der auch noch Bedeutung gewinnen könnte: Ein als "persönlich/vertraulich" gekennzeichnetes Schreiben der Staatsanwaltschaft Hannover an Bundestagspräsident Norbert Lammert könnte demnach geöffnet worden sein, bevor es seinen Adressaten erreichte. Es enthielt die bisherigen Ermittlungsergebnisse im Fall Edathy. Lammert sollte damit über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens informiert werden. Weil Lammert auf einer Auslandsreise war, lag das Schreiben ein Wochenende lang ungeöffnet im Bundestag. Erst am Mittwoch tauchte es wieder im Büro des Bundestagspräsidenten auf.

Quelle: ntv.de

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