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Wirksam gegen russische Drohnen Eine "tödliche Wolke" soll Kiew schützen

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Runa, ukrainische Soldatin seit 2018, wartet sehnsüchtig darauf, den Himmel über ihrer Heimat gegen russische Drohnen schützen zu können.

Runa, ukrainische Soldatin seit 2018, wartet sehnsüchtig darauf, den Himmel über ihrer Heimat gegen russische Drohnen schützen zu können.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Mit Kampfjets gegen Kreml-Drohnen - das funktionierte zwar am Mittwoch, als russische Drohnen in den polnischen Luftraum eindrangen, aber smart ist das nicht. Weil: viel zu teuer. Die Ukraine bekommt bald das Abwehrsystem Skyranger. Wird das die heiß ersehnte Antwort gegen Drohnen-Geschwader?

Jede Nacht wird am Himmel über der Ukraine dieser Wettkampf ausgefochten: Dutzende bis Hunderte russische Flugkörper rauschen in tödlicher Mission über das Land, haben Umspannwerke, Wasserversorgung, Wohnviertel im Visier. Die Ukrainer versuchen mit jeder einzelnen Abwehrwaffe, die sie zur Verfügung haben, die Drohnen und Raketen zu erkennen und auszuschalten. Doch das gelingt niemals komplett.

Am Dienstag traf es schon morgens ukrainische Dorfbewohner, die für die Auszahlung ihrer Rente Schlange standen. Russischer Luftangriff, 20 Tote. In der Nacht zum Mittwoch drangen Drohnen in den Nato-Luftraum über Polen ein, zwangen Warschaus Luftwaffe dazu, Kampfjets aufsteigen zu lassen. Niederländische F-35-Flieger unterstützten, gemeinsam mit italienischen Aufklärungsfliegern. Auch die Radare deutscher Patriot-Flugabwehr wurden genutzt.

Unterm Strich also waren vier Armeen mit hochwertigsten Waffensystemen beteiligt, um 19 billige Kamikaze-Drohnen abzuwehren, die der Kreml im Akkord produzieren lässt. Das klingt nicht sehr adäquat und ist es auch nicht.

Fliegerabwehr - das ist eine offene Flanke im europäischen Teil des Nato-Verbunds und war vom ersten Tag der russischen Invasion an eine offene Flanke der Ukraine. Dramatisch daran: Die Lücken schlossen sich nicht mit der Zeit, sondern sie treten immer offener zutage. Vor allem, seit Russland in der Lage ist, die Kampf-Drohnen vom Typ Shahed, die zunächst der Iran lieferte, in Massen selbst zu produzieren.

Jede Woche bezahlen das ukrainische Zivilisten mit ihrem Leben. Für die alten Luftverteidigungssysteme aus Sowjetzeiten war ruckzuck die Munition aufgebraucht. Es kamen moderne westliche Waffen, doch viel weniger als nötig wären. Mit den deutschen IRIS-T-Systemen oder in den USA entwickelten Patriots kann man Prioritäts-Ziele wie die hoch präzisen russischen Iskander-Raketen oder Marschflugkörper abschießen. Aber da geht der Kaufpreis für jedes einzelne Geschoss schon in die Millionenhöhe.

Im ständigen Wettlauf mit den Russen

Der modernste Typ Lenkflugkörper, den Patriot verschießen kann, wird nicht unter vier Millionen Euro das Stück verkauft. Und da so wenige verfügbar sind, wird er gefühlt derzeit mit Gold aufgewogen. Mit dem dann eine von 800 anfliegenden Billig-Drohnen abschießen? Ist genauso sinnlos und unwirtschaftlich, wie es klingt. Was aber geht dann? Die ukrainischen Entwickler sind dran - im ständigen Wettlauf mit den Russen.

Beispiel Störsender. Sie können russische Drohnen von der Route abbringen. Doch das funktioniert nur so lange, bis die Russen ein Modul dagegen entwickeln. Das ist ihnen nun geglückt: Die russische Drohne springt zwischen verschiedenen Navigationssystemen hin und her. Für Störung ist sie dann kaum noch anfällig.

Beispiel Abfang-Drohnen. Sie können selbstständig russische Flugkörper zerstören. Doch auch hier gilt: Sobald die russischen Entwickler eine Gegenmaßnahme finden, verlieren die ukrainischen Abwehrwaffen ihre Wirkung. Die Russen pflanzen nun ihren Drohnen die Fähigkeit ein, der anfliegenden Abfang-Drohne der Ukrainer auszuweichen.

Beispiel Gepard. Der Jahrzehnte alte deutsche Flakpanzer ist im Kampf am ukrainischen Himmel seit drei Jahren konstant dabei und immer noch einer der erfolgreichsten Jäger. Bloß ist er bei der Bundeswehr seit 13 Jahren ausgemustert und wird auch nicht mehr gebaut. Ersatzteile? Schwierig.

Sowas wie den Gepard in neu - das wär's! So mögen schon viele gedacht haben, und für die hat Rheinmetall eine gute Nachricht: Der deutsche Rüstungskonzern hat seit dieser Woche einen Vertrag mit der Ukraine. Noch in diesem Jahr soll Kiew die ersten Skyranger 35 erhalten. Manche nennen das System auch "Gepard 2.0".

Das "2.0" passt gut. Wo der Gepard trifft, weil er einfach viel Munition auf einmal in die Gegend verschießen kann und damit eine Art "Eisenvorhang" am Himmel aufzieht, da arbeitet Skyranger sehr viel präziser. Jedes Stück Munition für das System verlässt das Kanonenrohr mit einer Programmierung.

Nicht "schlau" aber präzise

"Jedem Geschoss gibt das System die entscheidenden Parameter mit und gibt vor, wann es explodieren muss. Die Programmierbarkeit der Munition ist ein großer Vorteil von Skyranger", erklärt Gerhard Heiming, Fachredakteur für Kampffahrzeuge beim Magazin "Europäische Sicherheit und Technik". Zudem lässt sich die Waffe sehr gut mit anderen Systemen vernetzen.

Dabei sind die Geschosse keine "schlaue" Munition, die sich ihr Ziel selbst suchen kann - wie manche Drohne es tut. Das Skyranger-Geschoss führt aus, wozu es programmiert wurde. Ohne die Möglichkeit, selbstständig während des Anflugs zu korrigieren. Eine "dumme" Munition also, jedoch sehr exakt programmierbar und - enorm wichtig - preiswert in der Herstellung.

Rheinmetall macht zu den Kosten keine Angaben, doch ein dreistelliger Betrag liegt nahe. Ein entscheidender Vorteil gegenüber den sündhaft teuren Patriot-Raketen. Bei den Massen an billigen Kampfdrohnen, mit denen die Russen inzwischen die Ukraine überziehen, ist billige und in Massen produzierbare Abwehrmunition ein entscheidender Faktor.

Der Skyranger 35 selbst ist - anders als der Gepard - kein Panzer, sondern nur ein Turm, der mit Radar-Antennen und Kanone auf das Panzerfahrgestell aufgesetzt wird. Die Ukrainer werden ihn montiert auf alte "Leopard I"-Panzer erhalten. Wo die Leopard-Fahrgstelle herkommen, bleibt geheim. Die Bundeswehr hat mit Skyranger 30 ein ähnliches System bestellt, das sie als Missionsmodul auf ihren Transportpanzer Boxer aufsetzen kann.

Mit einer Radar-Antenne und verschiedenster Sensorik generiert das System sein eigenes Luftlagebild, egal, ob es Nacht oder Tag ist, regnet oder schneit. Erkennt der Skyranger ein Flugobjekt, dann schießt er zumeist zwei bis fünf Geschosse in den Himmel. Die explodieren zum programmierten Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe des Ziels und setzen einige hundert kleine Subprojektile frei. So bildet sich blitzschnell eine tödliche Wolke am Himmel mit etwa einem Meter Durchmesser pro Geschoss. Gerät das Flugobjekt in die Wolke, wird es zerstört.

Ist die Drohne erkannt, dann ist sie verloren

Ein Ablenken der Munition durch den Gegner ist nicht möglich. Ebenso wenig kann eine anvisierte Drohne den Projektilen ausweichen - dazu sind sie schlicht zu schnell. "Die einzige Möglichkeit, eine Drohne vor Skyranger zu schützen, besteht darin, sie so klein zu bauen und so zu formen, dass der Radar sie übersieht", sagt Heiming. "Sobald aber der Radar eine Drohne erkannt hat, ist sie verloren."

Wenn Kiew in diesem Jahr die ersten Skyranger 35 auf Leopard I erhält, gehen sie ziemlich prompt in den Einsatz. Denn die ukrainische Truppe nutzt bereits den Skynex von Rheinmetall. Diese Fliegerabwehrwaffe schießt mit demselben System. Die ukrainischen Soldaten, die Skynex bedienen, können also problemlos auf Skyranger wechseln und rechtzeitig Kameraden anlernen.

Der Skyranger 35 - gegen Drohnen und auch Marschflugkörper einsetzbar

Der Skyranger 35 - gegen Drohnen und auch Marschflugkörper einsetzbar

(Foto: Rheinmetall)

Der entscheidende Unterschied zwischen Skynex und Skyranger ist der Transport: Das Skynex-System lässt sich per LKW transportieren, muss dann jedoch erstmal abgeladen werden. Skyranger hingegen schießt auch aus der Fahrt heraus. Eingesetzt werden kann er sowohl an der Front, als auch im Landesinneren, um kritische Infrastruktur oder Städte gegen Drohnen und Marschflugkörper zu schützen.

Verglichen mit dem Gepard ist der Skyranger laut Rheinmetall drei Generationen weiter. Neben der Bundeswehr haben auch Österreich, die Niederlande, Dänemark und Ungarn das System bestellt. Weitere Nato-Staaten sollen interessiert sein. Der russische Luftschlag gegen Polen in dieser Woche zeigt: Ein Abwehrsystem gegen Drohnen ist für die europäischen Nato-Staaten dringend notwendig.

Quelle: ntv.de

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