Gericht untersagt Türkei Zensur Erdogan muss Youtube freigeben
29.05.2014, 17:40 Uhr
Türkeis Regierung muss die Kontrolle über das Videoportal Youtube abgeben, so hat es das Gericht angeordnet.
(Foto: REUTERS)
Um seine Gegner im Netz zum Verstummen zu bringen, lässt der türkische Staatsschef Erdogan Twitter und Youtube sperren. Vom Kurznachrichtendienst muss er schnell wieder ablassen. Jetzt schränkt das Verfassungsgericht seine Kontrolle noch weiter ein.
Zwei Monate nach der Blockade der Videoplattform Youtube in der Türkei hat das Verfassungsgericht in Ankara die Sperre für unrechtmäßig erklärt. Das Gericht werde seine Begründung nun den Telekommunikationsbehörden übermitteln, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. Dort hatte man sich sich zuvor den Urteilen zweier niederer Instanzen widersetzt und die Blockade aufrechterhalten.
Vor der Kommunalwahl Ende März hatte die Regierung erst den Kurznachrichtendienst Twitter und dann auch Youtube sperren lassen. Über soziale Medien waren zuvor Telefonmitschnitte verbreitet worden, die Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unter Korruptionsverdacht brachten. Die Gerichte hatten die Komplett-Sperre von YouTube für verfassungswidrig erklärt und eine gezielte Blockade von 15 Videos für ausreichend befunden. Die Telekommunikationsaufsicht BTK erklärte dagegen, die Dateien müssten ganz aus dem Internet gelöscht werden.
Kräftemessen von Gericht und Regierung
Die Twitter-Sperre hatte das Verfassungsgericht bereits am 3. April wieder aufgehoben. Erdogan hatte anschließend gesagt, die Regierung müsse das Urteil umsetzen, es aber nicht respektieren. Nach dem Ende der Twitter-Blockade hatte auch Youtube das Verfassungsgericht angerufen. Youtube ist in den vergangenen Wochen zumindest sporadisch wieder zugänglich gewesen. Häufig erschien beim Aufruf der Seite aber lediglich der Sperrhinweis der Behörden.
Zwischen dem Verfassungsgericht und der Regierung schwelt seit Wochen ein Konflikt. Nach dem Urteil zum Ende der Twitter-Blockade hatten die obersten Richter auch wesentliche Teile einer Justizreform gekippt, mit dem die Regierung ihre Kontrolle über Richter und Staatsanwälte ausweiten wollte. Erdogan warf dem Gericht sinngemäß vor, sich in Regierungspolitik einzumischen. Im Februar war in der Türkei ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem die Regierung ihre Kontrolle über das Internet verschärfte.
Erneute Proteste um jeden Preis verhindern
Das Gesetz und die Blockade sozialer Medien wie YouTube und Twitter wurden besonders von der EU und den USA scharf kritisiert. Derzeit kursieren in der Türkei über soziale Medien Aufrufe, zum Jahrestag des Beginns der landesweiten Gezi-Proteste an diesem Samstag auf dem Istanbuler Taksim-Platz zu demonstrieren. Medienberichten zufolge sollen bis zu 25.000 Polizisten und 50 Wasserwerfer eingesetzt werden, um die Proteste zu verhindern.
Erdogan hatte die Kommunalwahl in der Türkei in eine Abstimmung über seine Politik umgemünzt. Seine Partei AKP gewann die Wahl deutlich und holte rund 45 Prozent der Stimmen. Am 10. August steht in der Türkei die Präsidentenwahl an. Erdogan hat noch nicht erklärt, ob er wie von seiner Partei gewünscht kandidieren wird. Parteistatuten verbieten ihm eine vierte Amtszeit als Ministerpräsident. Erstmals wird der Präsident direkt vom Volk gewählt werden.
Quelle: ntv.de, ame/dpa/rts