Beitritts-Votum ohne Wert Erdogan wettert gegen EU-Parlament
23.11.2016, 13:17 Uhr
Der türkische Präsident hat keine Lust mehr, sich von der EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit belehren zu lassen.
(Foto: AP)
Das Europaparlament möchte die Beitrittsgespräche mit der Türkei aussetzen. Die morgige Abstimmung darüber ist zwar nicht bindend, bringt den türkischen Präsidenten aber dennoch in Rage. Er spricht von "westlichen Doppelstandards"
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will das Votum des Europaparlaments, das am Donnerstag über die Beitrittsgespräche mit Ankara abstimmt, nicht anerkennen. "Diese Abstimmung hat überhaupt keinen Wert, egal welches Ergebnis herauskommt", sagte Erdogan bei einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Istanbul. Es sei ihm "unmöglich, die Botschaft zu verdauen", die das Parlament aussenden wolle.
Alle maßgeblichen Fraktionen im Europaparlament hatten am Dienstag ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert. Sie begründeten dies mit dem Vorgehen der türkischen Führung gegen ihre vermeintlichen Gegner nach dem Putschversuch Mitte Juli. Führt die Türkei die Todesstrafe wieder ein, sollen die Gespräche gar suspendiert werden - die Mitgliedstaaten müssten dann über die Wiederaufnahme der Verhandlungen abstimmen.
Am Donnerstag stimmen die Fraktionen über ihren gemeinsamen Entwurf ab. Eine breite Zustimmung des Plenums gilt als sicher. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen führt, ist nicht an die Aufforderung des Parlaments gebunden.
"Diktator? Jemand Gutes."
Erdogan hat kein Verständnis für die Pläne. Die Abstimmung beweise, dass die EU auf der Seite von "Terrororganisationen" stehe.
Der türkische Präsident warf der EU weiterhin vor, Zusagen nicht eingehalten zu haben. Islamische Länder rief er auf, sich im Kampf gegen die westlichen "Doppelstandards" zu vereinen. Jeder politische Führer, der Kritik am Westen äußere, werde als "Diktator" bezeichnet, kritisierte Erdogan. Immer wenn der Westen also jemanden "Diktator" nenne, sei das in seinen Augen "jemand Gutes".
Die EU und die Türkei führen seit 2005 offizielle Beitrittsgespräche. Das Verhältnis hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert.
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP