Politik

Fakten spielen eine Rolle Für Trump ist der Fall Flynn mehr als peinlich

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28. Januar im Oval Office: Trump spricht am Telefon mit Putin. Priebus, Pence, Spicer und Flynn (v. l.) hören zu.

28. Januar im Oval Office: Trump spricht am Telefon mit Putin. Priebus, Pence, Spicer und Flynn (v. l.) hören zu.

(Foto: AP)

US-Präsident Trump lässt sich von seinem Sprecher als "unglaublich entschlussfreudig" darstellen. Tatsächlich verhält er sich zögerlich. Der Fall Flynn zeigt, dass selbst Trump die Realität nicht dauerhaft ignorieren kann.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf hat Donald Trump sich als der große Entscheider präsentiert, der allein die notwendige Stärke und Durchsetzungskraft habe, die USA vor dem Untergang zu bewahren. So stellt ihn auch der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, dar.

Der Rücktritt von Michael Flynn war der erste Abgang eines Trump-Mitarbeiters seit dessen Amtsübernahme.

Der Rücktritt von Michael Flynn war der erste Abgang eines Trump-Mitarbeiters seit dessen Amtsübernahme.

(Foto: AP)

Der Präsident habe "sofort, entschlussfreudig" gehandelt, als er davon erfahren hatte, dass sein Sicherheitsberater Michael Flynn mit dem russischen Botschafter über die US-Sanktionen gegen Russland gesprochen hatte, sagte Spicer. "Vom ersten Tag, von der ersten Minute an" sei der Präsident "unglaublich entschlussfreudig" gewesen. In seiner Antwort auf die Frage, warum Trump Flynn nicht gleich entlassen habe, benutzte Spicer das Wort "entschlussfreudig" gleich drei Mal. (Der englische Begriff "decisive" klingt noch sehr viel schneidiger als die deutsche Übersetzung.)

Seit Jahren, schon als Moderator der Casting-Show "The Apprentice", legt Trump Wert auf ein Image als harter Hund, der Mitarbeiter zur Not auch feuert. "You're fired", der Satz, mit dem er die Bewerber aus seiner Sendung warf, wurde geradezu ein Markenzeichen von ihm.

Doch die aktuellen Enthüllungen zeigen einen zögerlichen Präsidenten. Die Gespräche, über die Flynn stolperte, fanden am 29. Dezember statt. Es ging dabei um Sanktionen, die Präsident Barack Obama gegen russische Diplomaten in den USA verhängt hatte - eine Reaktion auf die mutmaßliche Einmischung Russlands in den amerikanischen Wahlkampf. Flynn stellte dem russischen Botschafter Sergey Kislyak in mehreren Telefonaten am selben Tag offenbar in Aussicht, dass Trump diese Sanktionen zurücknehmen würde. Kurz danach wurde bekannt, dass Russland, anders als zunächst angekündigt, darauf verzichtete, US-Diplomaten auszuweisen.

Trump wusste am 26. Januar Bescheid

Öffentlich wurden Flynns Telefonate mit Kislyak am 12. Januar durch einen Artikel in der "Washington Post". Drei Tage später sagte (der damals noch designierte) Vizepräsident Mike Pence dem Sender CBS, es sei reiner Zufall gewesen, dass der Ex-General ausgerechnet an dem Tag mit Kislyak gesprochen habe, an dem Obama 35 russische Diplomaten des Landes verwies. Nachdem Trump ins Amt eingeführt worden war, äußerte sich Präsidentensprecher Spicer mehrfach ähnlich.

Nach Informationen der "New York Times" befragten FBI-Agenten Flynn kurz nach dem 23. Januar. Die US-Bundespolizei war misstrauisch geworden; sie hatte Kislyak abgehört und wusste folglich, dass Spicers und Pences Darstellungen falsch waren. Über den Inhalt dieser Anhörung gibt es keine Informationen. Die "New York Times" schreibt, wenn Flynn dem FBI gegenüber bei seiner Darstellung geblieben sei, könnte er Probleme mit der Justiz bekommen.

Der Zeitung zufolge ist nicht bekannt, ob das Weiße Haus gleich von dem Gespräch des FBI mit Flynn erfuhr. Aber am 26. Januar informierte die damals noch amtierende Justizministerin und Generalstaatsanwältin Sally Yates nach Informationen der "Washington Post" den Trump-Berater Donald McGahn, dass Flynn doch mit Kislyak über die Sanktionen gesprochen hatte. Noch am selben Tag unterrichtete McGahn Trump. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste Trump also, dass Flynn gelogen hatte.

Dennoch ordnete er lediglich eine "sehr gründliche Untersuchung" im Weißen Haus an, wie Spicer am Dienstag sagte. Die sei zu dem Schluss gekommen, dass Flynn keine Gesetze gebrochen habe. Der Präsident habe daher nur "den Vertrauensaspekt" der Angelegenheit zu bewerten gehabt. Das fiel ihm offenbar schwer: Flynn hatte Trump im Wahlkampf sehr unterstützt und sich vor allem immer wieder mit aggressiven Attacken gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton hervorgetan.

Trump hielt bis zuletzt an Flynn fest

Am 8. Februar sagte Flynn der "Washington Post", dass er mit Kislyak nicht über die Sanktionen gesprochen habe. Einen Tag später ließ er diese Aussage über einen Sprecher ergänzen. Die neue Version lautete, Flynn könne sich nicht erinnern. Er sei nicht sicher, ob das Thema nicht vielleicht doch aufgekommen sei.

Spicer stellt es so dar, dass damit Trumps Vertrauen in Flynn beschädigt war. Allerdings tat Trump noch am 10. Februar, dem vergangenen Freitag, so, als kenne er den Bericht der "Post" nicht. "Ich weiß davon nichts", sagte er Journalisten auf dem Flug nach Florida, wo er mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shenzo Abe in seinem Club Mar-a-Lago Golf spielen wollte. "Ich habe das nicht gesehen. Welcher Bericht ist das? Ich habe das nicht gesehen. Ich werde mir das anschauen."

Spicer zufolge diskutierte Trump das Thema dann am Wochenende mit seinem Stabschef Reince Priebus, seinem Chefberater Steve Bannon und seinem Schwiegersohn Jared Kushner. Laut "New York Times" und "Washington Post" haben sie alle sowie Vizepräsident Pence Trump gedrängt, Flynn zu entlassen. Trotzdem schickte der Präsident noch am Montag seine Beraterin Kellyanne Conway vor die Kameras, um mitzuteilen, dass der Präsident Vertrauen in Flynn habe. Conway ist nicht irgendjemand. Sie ist Trumps Allzweckwaffe, da sie selbst in aussichtslosen Situationen nie um eine Antwort verlegen ist.

Trump ließ Flynn erst fallen, als bekannt wurde, dass die "Washington Post" öffentlich machen werde, dass die damalige Justizministerin Yates das Weiße Haus bereits im Januar gewarnt hatte. Dieser Artikel war es, der Flynns kurze Karriere als Präsidentenberater beendete. Am Montagabend wurde Flynn gebeten, seinen Rücktritt einzureichen.

Wahrscheinlich werden Trumps Anhänger immer noch davon überzeugt sein, dass der Präsident "unglaublich entschlussfreudig" ist. Trotzdem ist es so, wie ein Kommentator der "Post" schreibt: Die Flynn-Episode zeigt, dass Fakten und die Wirklichkeit doch eine Rolle spielen. Für die amerikanische Presse, vor allem für die "Washington Post" und die "New York Times", ist Flynns Entlassung ein großer Erfolg.

Quelle: ntv.de

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