Politik

Arbeiter in Katar weiter Leibeigene Gabriel sah in Doha eine Vorzeigebaustelle

Gabriel wollte sich in Katar ein Bild von den Baustellen dort machen. Doch die richtig schlimmen wurden ihm natürlich nicht gezeigt.

Gabriel wollte sich in Katar ein Bild von den Baustellen dort machen. Doch die richtig schlimmen wurden ihm natürlich nicht gezeigt.

(Foto: dpa)

Seit Jahren steht Katar in der Kritik, weil Wanderarbeiter dort teils wie Sklaven leben. Wirtschaftsminister Gabriel lobte bei seinem Besuch vor allem die Fortschritte. Kein Wunder, sah er doch eine Baustelle, die nicht repräsentativ ist.

Nachdem, was er gesehen habe, hätten sich die Bedingungen für die Gastarbeiter in Katar verbessert, sagte Sigmar Gabriel am vierten und letzten Tag seiner Golfreise. Er hatte sich bei der Besichtigung der Baustelle für das Megaprojekt Lusail City mit einigen Arbeitern am Wegesrand unterhalten. Sie hatten dem Bundeswirtschaftsminister versichert, dass sie froh seien, in Katar zu arbeiten. Rund zwei Drittel ihres Gehalts schickten sie an ihre Familien in Ghana und der Türkei, gaben sie an. In Katar hätten sie zudem kaum Ausgaben, da Unterkunft und Essen vom Arbeitgeber gestellt würden.

Das klingt gar nicht so sehr nach Sklavendasein. Berichte internationaler Organisationen haben dagegen dokumentiert, unter welch katastrophalen Bedingungen Wanderarbeiter – die meisten aus Südostasien – in Katar arbeiten müssen. Was stimmt denn nun?

Richtig ist, dass die katarische Regierung eine Reihe von Maßnahmen angekündigt hat, die Situation der Arbeiter zu verbessern. Doch viele davon sind noch nicht umgesetzt. Bestand hat das skandalöse Kafala-System, das die Arbeiter unter eine Art Leibeigenschaft ihrer Arbeitgeber stellt. Die nehmen nicht selten ihren Angestellten ihre Pässe ab und zahlen die Löhne nicht pünktlich. Die Entrechteten können sich nicht wehren.

Geschäfte für deutsche Unternehmen

Gabriel hat eine Baustelle erwischt, wo die Standards tatsächlich besser sind als anderswo. Das war ihm auch bewusst. "Dies ist eine öffentliche Baustelle unter deutscher Aufsicht", sagte er in Lusail-City. "Aber viele Verletzungen von katarischem Arbeitsrecht finden nicht da statt, wo der Staat tätig ist", sagte der Minister. Die massiven Verletzungen der Rechte der Gastarbeiter fänden wohl eher auf den Baustellen statt, wo private Unternehmen und deren Subunternehmer tätig seien.

Und weil Gabriel als Wirtschaftsminister mit Unternehmern in dem schwerreichen Golfstaat war, beeilte er sich zu sagen: "Es ist gut, dass deutsche Unternehmen dafür sorgen, dass sich die Standards verbessern. Dafür muss man sie loben." Für deutsche Bau- und Technologie-Unternehmen ist in dem boomenden Land viel zu holen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) kritisierte aber diese Verflechtung. Darunter litten "elementare Grundwerte wie die Menschenwürde" und würden dem "Profitstreben von Lobbyisten" geopfert.

Natürlich sei noch lange nicht alles gut in Katar, beeilte sich Gabriel denn auch zu sagen. Doch das könne man auch nicht erwarten, weil das Land zwar reich, aber bei Standards wie dem Arbeitsrecht eben doch noch ein Entwicklungsland sei. Katar hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt, doch nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind Einheimische. Ausbeutung gab es indes schon lange vor dem Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Im Frühjahr 2014 hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einem Bericht zahlreiche Fälle von Ausbeutung, Diskriminierung und Misshandlung ausländischer Gastarbeiter in Katar angeprangert.

WM lenkt mehr Aufmerksamkeit nach Katar

Immerhin würden jetzt wegen des Sportgroßereignisses so viele Missstände aufgedeckt, sagt die Nahost-Referentin von Amnesty International in Deutschland, Ruth Jüttner, n-tv.de. Doch der immense internationale Druck führt in Katar nur sehr langsam Veränderungen herbei. Die Regierung in Doha reagierte im Mai auf die Kritik vieler NGOs und gab einen Prinzipienkatalog heraus, wie die Lage der Arbeiter verbessert werden sollte. Amnesty International kritisiert aber, dass auf solche Ankündigungen dann meist lange Zeit keine Taten folgen. "Wir haben den Eindruck, dass Verbesserungen und Reformen viel zu langsam erfolgen", sagt Ruth Jüttner.

Die Äußerung von Gabriel, es handele sich bei Katar immer noch um ein Entwicklungsland, will Jüttner nicht gelten lassen. "Katar will international vorne mitspielen. Dann kann man aber auch keine Abstriche bei Standards wie dem Arbeitsrecht machen und Missstände damit rechtfertigen, dass ein Land eben noch nicht so weit ist." Das Einzige, was sich bisher konkret verbessert habe, sie die Lohnauszahlung der Arbeiter. Seit einem Monat bekommen die ihr Gehalt elektronisch ausgezahlt, das ganze wird staatlicherseits überwacht.

Hausangestellte bleiben ohne Rechte

Glaubt man dem WM-Organisationskomitee von Katar, so ist der Kleinstaat auf dem besten Weg, von der Kritik zu lernen. Vor Journalisten sagten Vertreter des Komitees in Doha, man nehme die Kritik etwa der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ernst und habe Verbesserungen eingeleitet. Die Arbeiter seien "sehr glücklich" damit. Unterkünfte sind demnach renoviert und besser ausgestattet worden. Neben dem elektronischen Lohnsystem seien auch neue Rechtsnormen und eine Kontrolle der Arbeitszeiten eingeführt worden. Außerdem habe man die Anzahl der Inspekteure drastisch erhöht. Vor kurzem legte der katarische Botschafter in Berlin eine Liste vor, nach der zwischen März und August 2014 rund 700 Inspektionen auf katarischen Baustellen durchgeführt wurden. Mehr als 800 Verstöße seien geahndet worden, heißt es da.

Dass Katar sich bemüht, auf die Kritik zu reagieren, hat weniger mit Einsicht als mit Sorgen um das Image zu tun, argwöhnen viele. Unangetastet ist außerdem bisher das Schicksal abertausender zumeist weiblicher Hausangestellter in Katar. Laut Amnesty sind es mehr als 80.000 Frauen aus Süd- und Südostasien, die nicht einmal den rudimentären Schutz des katarischen Arbeitsgesetzes genießen. Minister Gabriel versicherte in Doha: "Ich habe darauf hingewiesen, dass die Arbeitsbedingungen der Hausangestellten sich verbessern müssen. Das können wir nicht unkommentiert lassen."

Quelle: ntv.de

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