Verzicht auf zweite Amtszeit? Gauck kündigt Erklärung an
06.06.2016, 09:17 Uhr
(Foto: dpa)
Bundespräsident Joachim Gauck gibt um 12.00 Uhr im Schloss Bellevue eine Erklärung ab. Das teilt das Präsidialamt mit. Der 76-Jährige wird sich voraussichtlich dazu äußern, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht oder nicht.
Nun also doch: Bundespräsident Joachim Gauck will am Mittag im Schloss Bellevue eine Erklärung abgeben (n-tv überträgt ab 12 Uhr live). Erwartet wird, dass er sich dazu äußert, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht oder nicht. Am Wochenende hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, dass der 76-Jährige nicht erneut kandidieren werde. Als Grund wurden sein Alter sowie gesundheitliche Probleme angeführt. Bislang hat sich das Bundespräsidialamt nicht zu den Berichten geäußert.
Ungeachtet der noch ausstehenden Bestätigung eines Verzichts auf eine zweite Amtszeit hat bereits die Debatte über einen Nachfolger begonnen - und sorgt für massive Unruhe in der großen Koalition. Angesichts der Bundestagswahl im Herbst 2017 zeichnet sich eine komplizierte Kandidatensuche für die Kür des Staatsoberhaupts im Februar ab. Eine gemeinsame Lösung von Union und SPD ist nicht in Sicht - trotz ernst zu nehmender Vorschläge wie Bundestagspräsident Norbert Lammert und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Union will nach "Spiegel"-Informationen einen eigenen Kandidaten nominieren, falls Gauck tatsächlich nicht mehr antritt. Aus den Reihen von SPD und Linken kommen Forderungen, angesichts aussichtsreicher Kräfteverhältnisse in der Bundesversammlung einen rot-rot-grünen Bewerber dagegen zu stellen.
CSU-Mitglied: Koalition sollte Kandidaten nominieren
Derweil hat sich CSU-Vorstandsmitglied Stephan Mayer für einen gemeinsamen Kandidaten von Union und SPD ausgesprochen, sollte dieser nicht noch einmal antreten. Der Grundansatz müsse der sein, "dass man sich in der großen Koalition auf einen gemeinsamen Konsenskandidaten verständigt", sagte Mayer im Deutschlandfunk. Trotz bevorstehender Wahlen wäre es ein falsches Signal, wenn dies nicht gelänge. Ein Kandidat müsse ein möglichst breites gesellschaftliches Spektrum abdecken und die Menschen zusammenführen.
Mayer rechnet auch damit, dass die beiden Unionsparteien mit Merkel als gemeinsamer Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. "Ich bin mir sehr sicher, dass Angela Merkel die gemeinsame Spitzenkandidatin (...) für die beiden Schwesterparteien (..) sein wird". CSU-Chef Horst Seehofer werde der erste sein, der Merkel zur gemeinsamen Spitzenkandidatin küren werde.
Die Kandidatensuche ist so kompliziert, weil viele in der Spitze von Union und SPD vor der Bundestagswahl ein Signal in Richtung einer erneuten großen Koalition scheuen. Das Bündnis der Volksparteien gilt als Notlösung und solle nicht durch eine politische Weichenstellung wie die Präsidentenwahl quasi vorbereitet werden, heißt es.
Gauck: Man muss seine Kräfte bedenken
Die Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, tritt am 12. Februar 2017 zusammen. Gauck hatte seine erste Amtszeit im März 2012 begonnen. Er war Nachfolger von Christian Wulff, der nach nur 20 Monaten im Amt wegen Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Hauskredit zurückgetreten war. 2010 war Gauck als Kandidat von Rot-Grün bei der Wahl des Bundespräsidenten noch gegen Wulff unterlegen. 2012 unterstützten nach einigem Zögern auch Merkel und die Union den parteilosen Ex-Pastor aus Rostock.
Ob er für eine zweite Amtszeit antritt, hat Gauck bislang offengelassen. Auf einer China-Reise im März sagte er, es sei ein schönes Gefühl zu spüren, dass viele Menschen sich eine Fortsetzung seiner Arbeit wünschten. "Dabei muss man aber auch seine eigenen physischen und psychischen Kräfte bedenken", sagte er.
Bis zuletzt war darüber spekuliert worden, ob er wegen der Auswirkungen der Flüchtlingskrise und angesichts des Erstarkens der rechtspopulistischen AfD aus einem Bewusstsein der Verantwortung heraus noch einmal antreten würde. Er betonte aber auch, dass sich Deutschland trotz aller Herausforderungen nicht in einer Staatskrise befinde. "Das Staatsschiff ist nicht im Orkan, aber es gibt Wellen", sagte er im Mai beim Katholikentag in Leipzig.
Gauck war in der Endphase der DDR 1989 als Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung bekannt geworden. Nach der Wende wurde er als Kandidat für das Bündnis 90 in die letzte DDR-Volkskammer gewählt. Von 1991 bis 2000 war er Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Ein Schwerpunkt seiner ersten Amtszeit war das Bemühen, Deutschlands Rolle in der Welt neu zu definieren und mehr Verantwortungsbewusstsein einzufordern. Auch militärisches Engagement dürfe nicht mit dem Hinweis auf die nationalsozialistische Vergangenheit ausgeschlossen werden, sagte er 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Auch die Flüchtlingskrise machte er zu seinem Thema. "Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich", betonte er.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa