Bundespräsident besucht Israel Gauck spricht vom Wunder der Freundschaft
06.12.2015, 16:41 Uhr
Freundschaftlich: Joachim Gauck wird begrüßt von Reuven Rivlin.
(Foto: REUTERS)
Seit 50 Jahren pflegen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen. Aus diesem Anlass reist Bundespräsident Gauck nach Israel und zeigt sich vor Ort tief bewegt.
Der Himmel ist von einem strahlenden Blau, die Sonne scheint mit einer Kraft, die vergessen lässt, dass Nikolaus ist. Zum Ende des Jahres ist Bundespräsident Joachim Gauck noch einmal nach Israel gekommen. Zum Abschluss des Jahres, in dem beide Länder den 50. Geburtstag ihrer diplomatischen Beziehungen feiern.
Zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt ist das deutsche Staatsoberhaupt in Israel. In seiner Rede an der Hebräischen Universität von Jerusalem blickt Gauck zurück. "Nein, es war nicht leicht, einen neuen Anfang zu machen. Deutschland auch nur zu besuchen, war staatlicherseits anfangs untersagt."
Gauck erinnert daran, dass die Pässe der 1950er-Jahre, die zur Ausreise in alle Länder berechtigten, den Stempel trugen: "mit Ausnahme für Deutschland". Und daran, dass das Auto des ersten deutschen Botschafters in Israel, Rolf Pauls, auf dem Weg zu dessen Vereidigung mit Steinen beworfen wurde.
Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Gauck an diesem Sonntag die Ehrendoktorwürde der Universität erhält. "Doctor honoris causa der Philosophie" ist er fortan.
Gebaute Brücken weiter verstärken
Von der Universität aus macht sich der Tross auf in Richtung Präsidentenpalast. Dort trifft Gauck Israels Premier Reuven Rivlin. Es ist auffällig, wie herzlich beide Männer miteinander umgehen. Schon beim Konzert des Gewandhausorchesters Leipzig und des Thomaner-Chors hatte Rivlin Gauck umarmt. Legt ihm beim Eintrag ins Gästebuch des Präsidenten die Hand auf die Schulter. Gesten, von denen sich Gauck tief bewegt zeigt. "Wir beide sind im Krieg geboren. Und wenn ein Mann, ein israelischer Präsident bei diesem Besuch von Freundschaft spricht, dann ist das etwas, was ich als älterer Deutscher nur als Wunder bezeichnen kann."
Und das in Zeiten, in denen in Israel extremistische Gewalt und Terror wieder zugenommen haben. Unverbrüchliche Freundschaft sichert Gauck Israel zu. "Wir Deutschen bleiben an Ihrer Seite". Gleichzeitig zeigt Gauck Verständnis für Israels Sicherheitsbedürfnis. "Jetzt, wo der Terror näher an uns in Westeuropa heranrückt, kann ich besser jene Bedrohung erfassen, in der die Israelis seit Jahrzehnten Leben."
Auch unbequeme Themen kommen zur Sprache
Allerdings scheut Gauck auch den Konflikt nicht. Es sei für ihn erfreulich, dass Gauck aus seinem Wunsch nach Fortschritten im stockenden Nahost-Friedensprozess keinen Hehl mache, sagt Rivlin. "Ich wünschte, Juden und Palästinenser könnten die endlose Spirale der Gewalt endlich durchbrechen und friedlich und selbstbestimmt zu einem Miteinander finden", sagt Gauck.
Am Morgen hatte sich Gauck zudem mit Israels Premier Netanjahu getroffen. Ein schwieriger Gesprächspartner, das ist Gauck klar. "Substanziell und inhaltlich offen" nennen Teilnehmer das Gespräch. "Offen" das bedeutet in der Diplomatensprache nicht selten Streit.
Tatsächlich aber haben Netanjahu und Gauck intensiv diskutiert, sind aufeinander eingegangen. Wie sehr die Fronten zwischen Israelis und Palästinensern verhärtet seien, will Gauck wissen. Gebe es Möglichkeiten, die wirtschaftliche Situation der Menschen in den besetzten Gebieten zu verbessern? Israel tue sehr viel, man bemühe sich, antwortet Netanjahu.
Knapp eine Stunde reden beide Männer miteinander. Und natürlich kommt auch das Thema Lebensmittelkennzeichnung aufs Tapet. Die EU gibt vor, dass beispielsweise Produkte der Landwirtschaft, die außerhalb des israelischen Kernlandes erzeugt wurden, als solche ausgewiesen werden müssen. "Boykott" nennt das Netanjahu - Gauck widerspricht und vertritt die Position der EU.
Quelle: ntv.de