Rassismus-Talk bei Anne Will Gauland erklärt sich zu Boateng-Affäre
06.06.2016, 00:55 Uhr
Fühlt sich von FAS-Korrespondent Lohse reingelegt: AfD-Vize Alexander Gauland
(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)
Die meisten Deutschen würden Fußball-Nationalspieler Boateng nicht zum Nachbarn haben wollen, glaubt Alexander Gauland. Zusammen mit Bundesjustizminister Heiko Maas und dem Autoren des berühmt-berüchtigten Interviews diskutiert der AfD-Vize über Rassismus in Deutschland.
Vor genau einer Woche hat Alexander Gauland mit seiner aufsehenerregenden Mutmaßung in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" eine mittlere mediale Lawine ausgelöst: Die Leute fänden Jérôme Boateng zwar als Fußballspieler gut, wollten ihn aber nicht als Nachbarn haben. Ein Sturm der Entrüstung folgte, sogar AfD-Chefin Frauke Petry distanzierte sich von ihrem Vize. Gauland selbst fühlt sich dagegen missverstanden und falsch behandelt - unter anderem auch vom FAS-Korrespondenten Eckart Lohse, dem er am Sonntagabend bei Anne Will gegenübersitzt.
Alleine der Showdown zwischen dem AfD-Politiker und dem Journalisten verspricht eine kurzweilige Sendung. Mit Bundesjustizminister Heiko Maas steigt zudem noch ein politisches Schwergewicht und erklärter Gauland-Gegner in den Ring. Komplettiert wird die Runde zum Thema "Guter Nachbar, schlechter Nachbar - Wie rassistisch ist Deutschland?" von der Migrationsforscherin Bilgin Ayata und dem Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt.
Seit der Veröffentlichung des Zitats erklärte Gauland seinen mittlerweile berühmt-berüchtigten Satz gleich in mehreren Varianten: Zunächst hatte der AfD-Vize angegeben, sich an keiner Stelle über Boateng geäußert zu haben, später, den Fußballer gar nicht zu kennen. Bei Anne Will wartet Gauland nun mit einer neuen Version auf und erntet dafür lautes Gelächter: "Ich wusste gar nicht, dass Boateng farbig ist." "Gaulands Aussage war mit Sicherheit kein Zufall", kontert dagegen FAS-Journalist Lohse und führt aus, wie sich der Politiker im Gespräch ganz klar dafür entschied, Boateng anstelle von Grünen-Politiker Cem Özdemir zu thematisieren.
"Sie haben mich reingelegt"
Gauland selbst fühlt sich von Lohse dagegen schlecht behandelt: "Ich erwarte von einem Journalisten, dass er nachfragt. Herr Lohse hat mir den Namen Boateng in den Mund gelegt. Völlig unverständlich, dass da jetzt Rassismus draus gemacht wird." Und, direkt an den Journalisten gewandt, mit dem er nach eigener Aussage nur ein Hintergrundgespräch, aber kein Interview führen wollte: "Herr Lohse, sie haben mich reingelegt." Wie Gauland und Lohse die Klingen kreuzen und Justizminister Maas immer wieder mit einem Bonmot à la "Ich stelle immer mehr fest, dass Herr Gauland generell recht wenig zu wissen scheint" dazwischen grätscht, ist absolut sehenswert.
Im Grunde genommen könnte man den Fernseher nun aber - nach guten 15 Minuten - ausschalten, der Rest der Diskussion folgt einem absehbaren Schema und bedient vor allem gut ausgeleuchtete Themenfelder: Es geht lange um die Rhetorik der AfD im Speziellen und Gaulands Rhetorik im Besonderen, die wahlweise "sehr gefährlich" (Ayata) oder "wichtig" (Gauland selbst) ist. "Wir haben dafür gesorgt, dass die tatsächlich jetzt endlich mal ein Integrationsgesetz gemacht haben", sagt der AfD-Politiker, der davon überzeugt ist, dass seine Partei "mit dem Ansprechen von Missständen" die Regierung zum Handeln zwingt.
Der Rest der Unterhaltung plätschert so dahin und auch die große Ausgangsfrage wird nur ungenügend beantwortet: Zwar hat die Redaktion eine Statistik ausgegraben, nach der gut ein Viertel aller Deutschen als rassistisch bezeichnet werden kann. Allerdings kontert Politikwissenschaftler Patzelt: "Man sieht in den Studien eher eine Abnahme des Rassismus." So richtig schlau ist man am Ende des Tages also vor allem aus einem geworden: aus Alexander Gauland.
Sendehinweis: Alexander Gauland ist heute auch Gast in der Sendung "Das Duell bei n-tv". Mit Heiner Bremer und dem ehemaligen Innenminister Gerhart Baum spricht er über das Thema "Willkommenskultur oder Fremdenhass - was ist deutsch?". Die Sendung läuft um 17:10 Uhr bei n-tv.
Quelle: ntv.de