Politik

Neuer Zündstoff nach Bin Ladens Tod Innere Sicherheit bleibt umstritten

Die Tötung von Bin Laden sorgt für neuen Sprengstoff in der Debatte um die innere Sicherheit. Die Polizei warnt vor neuerlichen Aktionen von Al-Kaida. Die Union um Innenminister Friedrich will derweil die Antiterrorgesetze verlängern. Justizminister Leutheusser-Schnarrenberger ist dagegen.

Nicht nur US-Einrichtungen in Deutschland könnten Ziel von Anschlägen werden.

Nicht nur US-Einrichtungen in Deutschland könnten Ziel von Anschlägen werden.

(Foto: dpa)

Die Tötung von bringt neue Bewegung in den Streit um die innere Sicherheit in Deutschland. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich für eine Verlängerung der Antiterrorgesetze aus. Ihr Vorsitzender Bernhard Witthaut erklärte in Berlin, der Tod Bin Ladens werde "die Terrorgefahr für Deutschland nicht entschärfen". Das zeigten die Hintergründe der jüngsten Festnahmen des Bundeskriminalamtes. "Das ursprünglich von Bin Laden begründete Terrornetz funktioniert seit langem dezentral", sagte Witthaut. "Aktionsfähige Gruppen gibt es in vielen Ländern, wie der jüngste Bombenanschlag in Marrakesch und die Festnahmen in Düsseldorf und Bochum beweisen."

"Natürlich müssen alle Sicherheitsbehörden in diesem Moment sehr konzentriert und sehr eng zusammenarbeiten", Auch werde es zusätzliche Schutzmaßnahme geben müssen. Schließlich gebe es Menschen, "die wollen unseren Staat zerstören, die wollen unser Land angreifen".

Nicht nur nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei gilt nach dem Tod Bin Ladens "höchste Wachsamkeit". Politiker wie Außenminister Westerwelle warnten vor Racheakten von radikal-islamischen Gruppen. Insbesondere in den USA wächst die Sorge vor Vergeltungsschlägen. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor bekannt gegeben, dass  in einer Kommandoaktion in Pakistan getötet habe.

Friedrich kompromissbereit

Nach der Festnahme von drei mutmaßlichen Al-Kaida-Terroristen in Nordrhein-Westfalen war der Streit in der schwarz-gelben Koalition über die innere Sicherheit neu entbrannt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte sich für eine Verlängerung der bis zum Jahresende befristeten Anti-Terror-Gesetze ausgesprochen. "Zwei externe Gutachter haben die bestehenden Anti-Terror-Gesetze geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen: Das Gros der Vorschriften ist sinnvoll und wird von den Behörden maßvoll eingesetzt", sagte der CSU-Politiker der "Financial Times Deutschland".

Innenminister Friedrich stößt mit seinen Plänen auf Widerstand beim Koalitionspartner.

Innenminister Friedrich stößt mit seinen Plänen auf Widerstand beim Koalitionspartner.

(Foto: dapd)

Gleichwohl zeigte Friedrich seinen Willen zu einer Einigung mit der FDP. Er wolle keine Verschärfung bestehender Kompetenzen der Behörden und auch keine pauschale Verlängerung der bestehenden Gesetze, sagte der CSU-Politiker in München. Es sei aber wegen künftiger Bedrohungen nötig, die bestehenden Gesetze zu bewerten - und zwar in jedem Einzelfall. Dies sei seiner Ansicht nach angemessen angesichts der "unverändert hohen Bedrohungslage", sagte der CSU-Politiker. Der Minister geht aber davon aus, dass der internationale Terrorismus mit dem Tod Osama bin Ladens mittel- und langfristig geschwächt ist.

Welche Regelungen sind noch erforderlich?

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hatte eine pauschale Verlängerung der Gesetze abgelehnt. "Keine der vom Bundeskriminalamt bei der Fahndung nach den drei Männern genutzten polizeilichen Befugnisse zur Terrorismusabwehr ist auf die gesetzliche Normen gestützt, um die es in derzeitigen Gesprächen zur Verlängerung des Ergänzungsgesetzes zur Terrorismusbekämpfung geht", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Vielmehr stünden dort zusätzliche Befugnisse für die Nachrichtendienste im Mittelpunkt. In der Bundesregierung sei man sich noch nicht einig, welche der Regelungen im Anti-Terror-Gesetz nützlich und erforderlich seien, sagte Leutheusser.

Auch die Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, betonte: "Es wird mit Sicherheit keine pauschale Verlängerung dieser Anti-Terror-Gesetze geben." Vielmehr müsse jede einzelne Maßnahme daraufhin untersucht werden, ob sie notwendig sei und sich bewährt habe, sagte Homburger in der ARD. Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, in der "Rheinischen Post": "Verschärfungen der Anti-Terror-Gesetze wird die FDP auf keinen Fall mitmachen", betonte sie.

"Sicherheit und Schutz"

Friedrich hatte der FDP zuvor eine Blockade vorgeworfen: "Ich bin gegen jeden gesetzgeberischen Aktionismus, aber wir brauchen auch keine parteitaktischen Manöver, sondern Sicherheit und Schutz für unsere Bürger vor Anschlägen." Scharfe Kritik an der FDP kommt auch vom niedersächsischen Innenminister und CDU-Politiker Uwe Schünemann: "Wer wie die Bundesjustizministerin schon zum jetzigen Zeitpunkt Optionen kategorisch ausschließt, kann nur ideologisch motiviert sein", sagte er der "Financial Times Deutschland". Leutheusser-Schnarrenberger wolle sich einen Namen als "Madame No" machen. "Wenn es um die Sicherheit der Bevölkerung geht, ist ein solches Verhalten unerträglich", sagte Schünemann.

Unterstützung erhielt die Union von der SPD. "Ich denke, dass alles dafür spricht, diese Gesetze zu verlängern", sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz der "Welt". Die Anti-Terror-Gesetze seien "überschaubar in ihrer Reichweite". Dagegen stellten sich die Grünen auf die Seite der FDP. "Wir müssen genau schauen, was sich bewährt hat und was möglicherweise überflüssig ist", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, der "Welt". Es müsse geprüft werden, welche gesetzlichen Stellschrauben tatsächlich etwas gebracht hätten.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der "Passauer Neuen Presse", die Gefahren des Terrorismus machten nicht vor den deutschen Grenzen halt. "Und trotzdem dürfen wir kein Klima der Angst in unserem Land zulassen, bei dem sich die politischen Parteien am Ende jeden Tag mit Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen überbieten." Gabriel befürwortete die Vorratsdatenspeicherung von Kommunikations-Verbindungsdaten zur Verbrechensverhinderung und -bekämpfung und attackierte die Regierungskoalition, die sich nicht einigen könne. "Dabei geht es in diesem Streit nicht mehr um die Sache, sondern nur noch darum, dass sich Bundesminister gegeneinander öffentlich profilieren wollen."

Quelle: ntv.de, dpa

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