Politik

Jahrestag der Charta von Paris Genscher will Neuanfang mit Russland

Hans-Dietrich Genscher erinnert daran, dass auch der Kalte Krieg nur mit viel diplomatischem Mut beendet werden konnte.

Hans-Dietrich Genscher erinnert daran, dass auch der Kalte Krieg nur mit viel diplomatischem Mut beendet werden konnte.

(Foto: picture alliance / dpa)

Russland befindet sich in einer Situation politischer Schwäche, meint Ex-Außenminister Genscher. Dies sei eine Gelegenheit, die Hand auszustrecken und die diplomatischen Beziehungen zu Russland zu stärken. Dabei sieht er Merkel in der Pflicht.

Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher ruft zu einem Neuanfang in den Beziehungen zu Moskau auf. Die "alte Politik der Konfrontation" sei unzeitgemäß, sagte er in einem Gespräch mit dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung". Die westlichen Sanktionen gegen Russland hätten nicht die Wirkung gezeigt, die man sich erhofft habe.

Um die Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen, regte Genscher eine internationale Konferenz an. Im November 1990 wurde das Ende des Kalten Krieges mit der Charta von Paris besiegelt. Man könne den 25. Jahrestag der Charta sehr gut nutzen für einen Neuanfang. Genscher appellierte, im Rahmen der Konferenz zu untersuchen, was man tun könne, "um den Norden der Erdkugel wieder zu stabilisieren". Natürlich sei es eine beschwerliche Prozedur, alle Parteien gemeinsam an den Tisch zu bringen. "Aber immer noch besser als diplomatische Funkstille." Die Konferenz sei eine Gelegenheit für alle Parteien, sich "klar und ehrlich" zu der Frage zu äußern: "Was wollten wir am Ende des Krieges? Die Teilungsgrenze Europas verschieben oder die Teilung Europas beenden?" Genschers eigene Antwort darauf: "Wir wollten Letzteres."

"Wir leben in einer globalisierten Welt und brauchen die Kraft aller, um die Probleme um uns herum zu lösen", sagte Genscher. Er habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "durchaus pragmatisch" erlebt. Es sei deshalb am Westen, auf das wirtschaftlich und politisch geschwächte Russland zuzugehen. "Wenn jemand schwächer wird, muss man ihm die Hand geben, das wird er nicht vergessen. Wenn man die Hand entzieht, wird er auch das nicht vergessen."

"Annexion der Krim nicht akzeptieren"

Genscher, der von1974 bis 1992 Außenminister war und zudem lange als Parteivorsitzender die FDP führte, forderte, den Dialog auszubauen. Putin habe eine nüchterne Sprache, "das mag es unserer Bundeskanzlerin erleichtern, mit ihm auch schwierige Gespräche zu führen". Merkel könne Putin "im direkten Gespräch näherkommen als andere Staats- und Regierungschefs".

Dort wo Ost und West zusammenarbeiteten, seien Erfolge möglich, das habe vor Kurzem das Atomabkommen mit Iran gezeigt. "Die Russen hätten das locker blockieren können, wenn sie gewollt hätten. Haben sie aber nicht." Genscher zeigte sich deshalb überzeugt: "Wenn beide Seiten es wollen, kann man." Das bedeute nicht, dass der Westen die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim akzeptieren müsse. "Aber wenn man auf die andere Seite Einfluss nehmen will, muss man mit ihr reden. Und zwar ohne Voraussetzungen."

Genscher bedauerte, dass die großen Chancen zu einer Ost-West-Verständigung, die es nach dem Fall der Mauer gegeben habe, nicht genutzt worden seien. Er erinnerte an den Nato-Russland-Rat, der damals geschaffen worden sei, eine Institution zum Dialog in Krisenzeiten. "Dass davon so wenig Gebrauch gemacht wird, verstehe ich nicht."

Quelle: ntv.de, che

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